Das Anerkenntnis bei einer unschlüssigen Klage – und die Kostenentscheidung

Erkennt die beklagte Partei den Klageanspruch an, ist für die Kostenentscheidung nach § 93 ZPO grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Klage im Zeitpunkt des Anerkenntnisses schlüssig und begründet war.

Das Anerkenntnis bei einer unschlüssigen Klage – und die Kostenentscheidung

Die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugelassene Ausnahme, wonach die beklagte Partei trotz Verstreichenlassens der Klageerwiderungsfrist noch mit der Wirkung des § 93 ZPO anerkennen kann, wenn die Klage zunächst in unschlüssiger Weise erhoben wurde, setzt voraus, dass der Kläger diesen Mangel durch ergänzten Sachvortrag vor dem Anerkenntnis behoben hat. Sie gilt nicht, wenn die beklagte Partei den geltend gemachten Anspruch bei unverändert gebliebenem Klagevorbringen anerkennt1.

Nach einem Anerkenntnis sind dem Kläger gemäß § 93 ZPO die Prozesskosten aufzuerlegen, wenn der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt hat.

Eine Partei gibt Veranlassung zur Klageerhebung, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen2. Dieser Schluss ist etwa gerechtfertigt, wenn der Beklagte eine fällige Leistung trotz Aufforderung nicht erbringt3. Auch die beklagte Partei, die auf die Geltendmachung eines Anspruchs schweigt, kann nach den Umständen des Einzelfalls Veranlassung zur Klage geben4.

So ist es in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. Der Beklagte hat Veranlassung zur Klage gegeben, weil er auf das vorgerichtliche Freigabeverlangen des Klägers geschwiegen hat. Ihm sind als Testamentsvollstrecker in §§ 2216 ff. BGB im Interesse und zum Schutz der Erben besondere Pflichten auferlegt5. Dazu gehört es, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten (§ 2216 Abs. 1 BGB) und Nachlassgegenstände, deren er zur Erfüllung seiner Obliegenheiten offenbar nicht bedarf, dem Erben auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (§ 2217 Abs. 1 BGB). Er ist deshalb gehalten, auf ein solches Verlangen eines Erben zu reagieren und zu erklären, warum er die Freigabe (zunächst) verweigert. Das hat der Beklagte nicht getan. Sein Schweigen gab für den Kläger vernünftigerweise Anlass zu der Annahme, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen.

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Der Beklagte hat den geltend gemachten Anspruch auch nicht sofort im Sinne des § 93 ZPO anerkannt.

Hat das Gericht das schriftliche Vorverfahren angeordnet, kann die beklagte Partei, sofern die Verteidigungserklärung keinen Sachantrag ankündigt oder das Klagevorbringen bestreitet, noch in der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung anerkennen6. Daran fehlt es. Der Beklagte hat erst in dem Termin zur mündlichen Verhandlung das Anerkenntnis erklärt, ohne dass sich an dem Klagevortrag etwas Entscheidungserhebliches geändert hätte. Das ist nicht sofort im Sinne des § 93 ZPO.

Ein Ausnahmefall, nach der die Kosten des Rechtsstreits dennoch nach § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen wären, liegt nicht vor.

Ohne Erfolg blieb dabei vor dem Bundesgerichtshof der Einwand, der Kläger habe die Prozesskosten gemäß § 93 ZPO zu tragen, weil die Klage im Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht schlüssig und nicht begründet gewesen sei.

Zwar wird teilweise vertreten, dass der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gibt, wenn die Begründung für den anerkannten Klageanspruch nicht schlüssig ist7 oder wenn der geltend gemachte Anspruch nicht besteht8. Dies ist aber mit der ganz überwiegenden Ansicht abzulehnen9. Erkennt die beklagte Partei den Klageanspruch an, ist für die Kostenentscheidung nach § 93 ZPO grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Klage im Zeitpunkt des Anerkenntnisses schlüssig und begründet war.

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Eine Partei, die den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil anerkennt, ist dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (§ 307 Satz 1 ZPO). Das Anerkenntnis enthält das Zugeständnis der Richtigkeit der tatsächlichen Klagebehauptungen und zugleich die Anerkennung, dass sich aus diesen Tatsachen die vom Kläger behaupteten Rechtsfolgen ableiten lassen. Der An unterwirft sich dem Klageanspruch als einem zu Recht bestehenden Anspruch. Insoweit ist das Gericht der Prüfung des Streitstoffes enthoben, denn es besteht kein Streit mehr über die Begründetheit des Klageanspruchs10.

Auch im Rahmen der Kostenentscheidung hat das Gericht die Schlüssigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht zu prüfen. Findet eine solche Prüfung bei Erlass des Anerkenntnisurteils nicht statt, muss das erst recht für die anschließende Kostenentscheidung gelten. Die Vorschrift des § 93 ZPO durchbricht aus Billigkeitsgründen die Grundregel des § 91 ZPO, wonach die unterlegene Partei die Kostenlast trifft11; sie dient zugleich der Entlastung der Gerichte und der Prozessökonomie, indem sie einen Anreiz setzt, unnötige Prozesse zu vermeiden und laufende Verfahren zügig zu beenden12. Die Voraussetzungen, unter denen die beklagte Partei der Kostentragungspflicht entgehen kann fehlende Veranlassung zur Klage und ein sofortiges Anerkenntnis sind vor diesem Hintergrund grundsätzlich unabhängig davon zu beurteilen, ob die Klage schlüssig bzw. begründet war. Andernfalls erforderte die Entscheidung nach § 93 ZPO stets die Prüfung der materiellen Rechtslage und damit einen prozessualen Aufwand, von dem § 307 ZPO das Gericht bei der Hauptsacheentscheidung gerade enthebt. Das liefe Sinn und Zweck der Vorschrift zuwider und wäre angesichts des Anerkenntnisses der beklagten Partei auch sachlich nicht gerechtfertigt.

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Etwas anderes folgt nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem Anerkenntnis bei zunächst unschlüssigem und erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenem Klageanspruch.

Wird eine Klage erst im Verlauf des Rechtsstreits schlüssig gemacht, kommt eine Ausnahme von dem Grundsatz in Betracht, dass das Anerkenntnis innerhalb der Klageerwiderungsfrist erklärt werden muss. Fehlt es zunächst an einer schlüssigen Klage, kann die beklagte Partei nach Behebung dieses Mangels noch „sofort“ anerkennen, auch wenn sie zuvor Verteidigungsbereitschaft angezeigt und einen Klageabweisungsantrag gestellt hat. Sie ist nicht gehalten, einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenen Klageanspruch schon zuvor gleichsam auf Verdacht als begründet anzuerkennen, nur um sich der Kostentragungslast entziehen zu können13. Auf diese Rechtsprechung bezieht sich das Bundesverfassungsgericht, wenn es ausführt, ein unschlüssiger Klagevortrag indiziere die fehlende Klageveranlassung14.

Das bedeutet indes nur, dass bei einem nicht schlüssig begründeten Anspruch ein fehlendes Anerkenntnis zunächst nicht schadet. Die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugelassene Ausnahme, wonach die beklagte Partei trotz Verstreichenlassens der Klageerwiderungsfrist noch mit der Wirkung des § 93 ZPO anerkennen kann, wenn die Klage zunächst in unschlüssiger Weise erhoben wurde, setzt voraus, dass der Kläger diesen Mangel durch ergänzten Sachvortrag vor dem Anerkenntnis behoben hat. Nur dann ist das Anerkenntnis dadurch veranlasst, dass sich etwas Entscheidungserhebliches verändert hat. Die Ausnahme gilt nicht, wenn die beklagte Partei den geltend gemachten Anspruch bei unverändert gebliebenem Klagevorbringen anerkennt. In diesem Fall kann sie aus der fehlenden Schlüssigkeit und Begründetheit des Klageanspruchs nichts mehr für die Kostenentscheidung nach § 93 ZPO herleiten.

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So ist es hier. Der Beklagte hat das Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, obwohl das Klagevorbringen unverändert geblieben war. Für ihn bleibt es deshalb bei der Kostenlast aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Januar 2020 – V ZB 93/18

  1. Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999; Beschluss vom 01.02.2007 – IX ZB 248/05, NZI 2007, 283[]
  2. BGH, Urteil vom 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, NJW 1979, 2040, 2041; Beschluss vom 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, NJW-RR 2005, 1005, 1006[]
  3. BGH, Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 93/13, NJW 2016, 572 Rn.19; BGH, Urteil vom 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, aaO[]
  4. vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2007, 175; OLG München, OLGR 2000, 229, 230; OLG Stuttgart, NJW-RR 2012, 763; BeckOK ZPO/Jaspersen [1.03.2019], § 93 Rn. 34; MünchKomm-ZPO/Schulz, 5. Aufl., § 93 Rn. 8; Loof, JurBüro 2008, 65, 68[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 07.07.1982 – IVa ZR 36/81, NJW 1983, 40, 41[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 93/13, NJW 2016, 572 Rn. 21; BGH, Beschluss vom 30.05.2006 – VI ZB 64/05, BGHZ 168, 57 Rn. 22; Beschluss vom 21.03.2019 – IX ZB 54/18 5[]
  7. vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1980, 501; FamRZ 2012, 1967; OLG Düsseldorf, MDR 1993, 801; für den Fall, dass die beklagte Partei vorgerichtlich widersprochen hat vgl. OLG Hamm, FamRZ 2006, 1770[]
  8. OLG Naumburg, FamRZ 2003, 1576[]
  9. vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1999, 1349 f.; OLG Hamm, OLGR 2003, 232; Beschluss vom 22.05.2014 – 2 UF 6/14 71; OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 1346, 1347 mwN; OLG Dresden, NJW-RR 2018, 509; HKZPO/Gierl, 8. Aufl., § 93 Rn. 13; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 16. Aufl., § 93 Rn. 27; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 23. Aufl., § 93 Rn. 10; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 93 Rn.06.42[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1953 – III ZR 206/51, BGHZ 10, 333, 335 mwN; Urteil vom 27.05.1981 IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389, 391; Urteil vom 06.05.2014 – X ZR 11/14, NJW-RR 2014, 831 Rn. 6[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 05.04.1973 – III ZR 67/72, BGHZ 60, 337, 343[]
  12. vgl. MünchKomm-ZPO/Schulz, 5. Aufl., § 93 Rn. 1[]
  13. vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999; Beschluss vom 01.02.2007 – IX ZB 248/05, NZI 2007, 283[]
  14. vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2014 – 1 BvR 1063/14[]
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