Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist1.

Die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, bleiben dabei grundsätzlich außer Betracht; eine materielle Überprüfung der angegriffenen Entscheidung ist nicht Gegenstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens2. Im Übrigen gälten, selbst wenn eine Verfassungsbeschwerde in der Sache Aussicht auf Erfolg hätte, für den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der insoweit grundsätzlich maßgeblichen Folgenabwägung3 strenge Maßstäbe.
Bei der Entscheidung über den Eilantrag ist zudem zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht eine weitere Rechtsschutzinstanz des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens ist2.
Hieran gemessen hat die Beschwerdeführerin im hier vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall nicht hinreichend dargetan, dass ihr im Falle der Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils erhebliche Nachteile drohen:
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Antragsschrift der Nachteilsbetrachtung zu Grunde legt, das landgerichtliche Urteil verpflichte sie zur vollständigen Einstellung des Streamingdienstes „in seiner gegenwärtigen Form“ wenigstens bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens und der Streamingdienst, „so wie er von der Beschwerdeführerin zur Zeit angeboten“ werde, werde nicht mehr erfolgen können, trägt sie der vom Landgericht im Rahmen der Festlegung der Höhe der Sicherheitsleistung (hier: 30 Mio. €) angestellten Erwägung, es reiche aus, entweder die „Trick play-Funktionen“ der Streamingsoftware zu deaktivieren oder diese durch alternative, wenn auch aufgrund (größeren) Zeitversatzes weniger komfortable Lösungen zu ersetzen, nicht hinreichend Rechnung. Dass die Ergreifung solcher Maßnahmen der Beschwerdeführerin nicht möglich oder unzumutbar sein sollte oder dies im Falle ihres Obsiegens in der Hauptsache (wirtschaftliche) Nachteile in einem Ausmaß nach sich zöge, die durch die bereits erbrachte Sicherheitsleistung und diese der Höhe nach gegebenenfalls noch übersteigenden Ansprüche auf Ersatz des Vollstreckungsschadens (§ 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht hinreichend abgedeckt wären, ist in der Antragsschrift weder mit Substanz dargetan noch sonst ersichtlich. Zu entsprechendem Vortrag wäre die Beschwerdeführerin jedenfalls im verfassungsrechtlichen Eilverfahren gehalten gewesen.
Der mit der Antragsschrift gehaltene Vortrag, es sei unklar, ob „sich irgendwelche technischen Ausweichlösungen ohne signifikante Imageeinbußen und damit nachhaltige Verluste darstellen lassen würden“, reicht insoweit nicht aus. Damit legt die Beschwerdeführerin kein spezifisches Interesse an vorläufigem Vollstreckungsschutz dar, sondern beruft sich im Kern – hier unbehelflich4 – auf Gehörsverstöße betreffend das für vorläufig vollstreckbar erklärte landgerichtliche Urteil und deren Perpetuierung durch die nachlaufenden oberlandesgerichtlichen Beschlüsse.
Die Maßstäbe, die sich aus der prozessualen Waffengleichheit in äußerungsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren an die Einbeziehung der Gegenseite ergeben5, sind auf die hier gerügten Gehörsverstöße in einem kontradiktorischen Hauptsacheverfahren, in dem die Beschwerdeführerin Stellung nehmen konnte und auch genommen hat, nicht übertragbar.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. September 2022 – 1 BvR 1726/22
- vgl. BVerfGE 66, 39 <56> stRspr[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.12.2016 – 1 BvQ 48/16 , Rn. 2[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 71, 158 <161> 88, 185 <186> 91, 252 <257 f.> 111, 147 <152 f.> stRspr[↩]
- vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 29.01.2018 – 1 BvQ 70/17 , Rn. 9[↩]
- vgl. dazu zusammenfassend: BVerfG, Beschluss vom 21.04.2022 – 1 BvR 812/22 , Rn. 13, 19 ff. m.w.N.[↩]