Das missglückte Permanent-Make-Up

Sinn und Zweck des Schmerzensgelds gemäß § 253 BGB ist es, den vom Verletzten erlittenen immateriellen Schaden angemessen auszugleichen.

Das missglückte Permanent-Make-Up

Das Schmerzensgeld hat hierbei eine doppelte Funktion1. Zum einen soll der Verletzte einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden erhalten, wobei ihn das Schmerzensgeld in die Lage versetzen soll, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise ausgleichen sollen.

Daneben soll das Schmerzensgeld dem Verletzten Genugtuung für das verschaffen, was der Schädiger ihm angetan hat. Dabei steht der Entschädigungs- und Ausgleichsgedanke im Vordergrund, während nach der im Vordringen befindlichen und zutreffenden Ansicht der Genugtuungsfunktion nur noch bei vorsätzlichen Taten und grob fahrlässigen Schädigungen eine eigenständige Bedeutung zukommt.

Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgelds hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss2. Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu. Hierbei ist zu beachten, dass für vergleichbare Verletzungen, unabhängig vom Haftungsgrund, ein möglichst annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, weshalb den Schmerzensgeldtabellen bei der Bemessung des Schmerzensgelds eine wichtige Bedeutung zukommt3. Die in diesen Tabellen erfassten Fälle sind aber keine verbindlichen Präjudizien, vielmehr bilden sie nur in der Regel den Ausgangspunkt für die gerichtlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung und sind nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen4.

Nach diesen Grundsätzen hat das Oberlandesgericht Köln im hier entschiedenen Fall eines unsachgemäß ausgeführten Permanent-Make-Ups ein Schmerzensgeld in Höhe von (nur) 600,- € zuerkannt:

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Die Erstellung eines Permanent Make-ups durch das Einstechen von Farbpigmenten mit einer Nadel in die oberste Hautschicht ist – ebenso wie das Stechen einer Tätowierung – tatbestandlich eine Verletzung des Körpers5. Die von der Kundin hierzu grundsätzlich erteilte Einwilligung erstreckte sich lediglich auf die technisch und gestalterisch mangelfreie Herstellung des Permanent Make-ups. Die Einwilligung hatte daher hier keine rechtfertigende Wirkung, weil nach den für das Oberlandesgericht nach § 529 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts eine Asymmetrie der Lidstriche bestand sowie Farbausläufe oberhalb der Lidstriche und unterhalb ihrer äußeren Enden vorlagen, die Erstellung des Permanent Make-ups mithin mangelhaft war.

Der Vortrag der Kundin zu den von ihr infolge dieser mangelhaften Ausführung des Permanent Make-Ups – angeblich – erlittenen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ist im Wesentlichen – unverändert – unsubstantiiert.

Was ihre körperlichen Beeinträchtigungen aufgrund des Einstechens der Farbpigmente als solches anbelangt, so hat die Kundin hierzu schriftsätzlich nichts vorgetragen. Konkrete Angaben zu den durch das Einstechen verursachten Beschwerden finden sich allein in den Erklärungen, die die Kundin am 06.06.2016 gegenüber der gerichtlich bestellten Sachverständigen F gemacht hat. Danach hielt die Schwellung der Augen, die die Kundin durch das Auftragen einer Salbe und durch Kühlung behandelte, drei Tage an und dauerte das Abheilen ca. eine Woche; das Einstechen der Farbe sei „äußerst schmerzhaft“ gewesen. Dieser Schilderung hat die Beklagte auch nicht widersprochen. Die beschriebenen – geringfügigen – Beeinträchtigungen gehen indes nicht über das hinaus, was die übliche Folge der Erstellung eines Permanent Make-ups (oder einer sonstigen Tätowierung) ist. Ein Schmerzensgeld rechtfertigen sie überhaupt nur deshalb, weil vorliegend die Ausführung des Permanent Make-ups mangelhaft war und deshalb keine wirksame Einwilligung der Kundin vorlag.

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Was die Laserbehandlungen zur Korrektur der Lidstriche bzw. zur Entfernung der Farbausläufe anbelangt, so hat das Landgericht diese zu Recht bei der Schmerzensgeldbemessung berücksichtigt. Nach den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass diese Maßnahmen zur Entfernung des mangelhaften Permanent Make-ups erforderlich waren bzw. – falls die von der Sachverständigen für notwendig erachteten weiteren vier Laserbehandlungen nicht bereits stattgefunden haben – sein werden. Soweit die Kundin allerdings behauptet (hat), sie habe aufgrund dieser Laserbehandlungen während eines langen Zeitraums unter (starken) Schmerzen gelitten, lässt dieser nicht näher konkretisierter Vortrag nicht erkennen, inwieweit die Kundin durch diese Schmerzen in ihrer Lebensführung konkret eingeschränkt gewesen sein könnte. Zwar ist es grundsätzlich nachvollziehbar, dass Laserbehandlungen der Haut mit Schmerzen verbunden sind, indes fehlen hier jegliche Angaben zu Art, Ausmaß und Dauer der durch diese Behandlungen (möglicherweise) verursachten Beeinträchtigungen, etwa zum Vorliegen von Rötungen oder Schwellungen im Gesicht der Kundin und der Zeitspanne, während der diese nachteiligen Veränderungen (jeweils) vorlagen. In diesem Zusammenhang ist bereits nicht zu erkennen, wann und in welchen zeitlichen Abständen die Laserbehandlungen durchgeführt wurden. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, ob und ggf. wie lange bei der Kundin aufgrund der Laserbehandlungen eine Arbeitsunfähigkeit vorlag oder sie sonst körperlicher Schonung bedurfte.

In gewissem Maße schmerzensgelderhöhend ist weiter zu berücksichtigen, dass sich die mangelhafte Leistung der Beklagten im Augenbereich der Kundin befand und damit an einer Körperstelle, die regelmäßig unbedeckt ist und von jedermann betrachtet werden kann. Eine – angesichts der durchgeführten Laserbehandlungen und Korrekturpigmentierungen allenfalls zeitweise – signifikante Entstellung der Kundin war indes – glücklicherweise – nicht gegeben. Eine erhebliche Entstellung (vgl. § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB) liegt vor, wenn die äußere Gesamterscheinung des Verletzten in ihrer ästhetischen Wirkung derart verändert ist, dass er erhebliche psychische Nachteile im Verkehr mit anderen Menschen zu erleiden hat6. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist weder den bei den Akten befindlichen Lichtbildern noch dem schriftsätzlichen Vortrag der Kundin zu entnehmen. Die Asymmetrie und die Farbausläufe der Lidstriche waren ästhetisch unschön, beschränkten sich indes auf kleine abgegrenzte Bereiche und fielen insbesondere dem zufälligen Betrachter nicht auf den ersten Blick ins Auge. Auch unter Berücksichtigung von Geschlecht und Alter der klagenden Partei lag daher – objektiv – keine Entstellung vor. Erst recht ist gegenwärtig keine Entstellung festzustellen. Nach den – vor mehr als einem Jahr getroffenen – Feststellungen der Sachverständigen F waren zum Zeitpunkt der Begutachtung die ursprünglichen Farbausläufe nur noch minimal sichtbar und als farblich umgeschlagener Farbauslauf am linken Auge ein grünlich-weißer Fleck mit einer Größe von ca. 7 mm x 3 mm zu erkennen. Soweit die Kundin in diesem Zusammenhang behauptet hat, sie habe sich zur Kaschierung des mangelhaften Permanent Make-ups aufwendig schminken müssen, fehlt es bezüglich dieses beklagtenseits bestrittenen Vortrags unverändert an einem Beweisantritt.

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Es liegen keine Dauerfolgen vor, die ein höheres als das bereits zuerkannte Schmerzensgeld rechtfertigen. Der klägerische Vortrag zu einer Narbenbildung ist (unverändert) unsubstantiiert. Angaben zu Lage und Größe dieser Narben fehlen. Die ärztliche Bescheinigung erwähnt – gleichfalls ohne nähere Beschreibung – „eine leichte Narbenbildung“. Entsprechende Feststellungen finden sich auch im Gutachtens der Sachverständigen . Auf den vorliegenden Lichtbildern vermag das Oberlandesgericht bereits keine Narbe zu erkennen. Zudem rechtfertigt nicht jede beliebige Narbe die Annahme eines Dauerschadens und die Berücksichtigung im Rahmen des Schmerzensgelds; lediglich unbedeutende Veränderungen der Haut haben auch hier außen vor zu bleiben. Da mithin Beeinträchtigungen geringfügigen Ausmaßes auf die Höhe des Schmerzensgelds ohne signifikanten Einfluss bleiben, führen auch die im Augenbereich der Kundin noch vorhandenen Spuren des fehlerhaften Permanent Make-ups zu keinem höheren Schmerzensgeld, zumal nach den Feststellungen der Sachverständigen F davon auszugehen ist, dass sich diese Spuren infolge der weiteren Laserbehandlungen verringert haben bzw. noch verringern werden, auch wenn es keine Garantie dafür gibt, dass der grünlich-weiße Farbumschlag restlos entfernt werden kann. Es besteht daher auch keine – ohnehin streitige – Notwendigkeit für die Kundin, diese Spuren „ein Leben lang“ aufwendig zu überschminken.

Wenn die Kundin schließlich darauf verweist, es habe „ein ganz klarer Behandlungsfehler“ vorgelegen, den die Beklagte beharrlich geleugnet habe, so ist es grundsätzlich zutreffend, dass ein zögerliches Regulierungsverhalten schmerzensgelderhöhend wirken kann7. Indes führt allein die Tatsache, dass der Schädiger zur Begründung der Schmerzensgeldforderung herangezogene Umstände, die sich im Rechtsstreit letztlich als zutreffend erwiesen haben, bestritten hat, nicht zu einer Anhebung des Schmerzensgelds8. Erforderlich ist vielmehr ein vorwerfbares oder jedenfalls nicht nachvollziehbares Verhalten, welches sich etwa niederschlägt in unangemessen niedrigen vorprozessualen Leistungen, unverständlich verzögerter Regulierung, insbesondere, wenn die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist und trotzdem keine Abschlagszahlung erfolgt, oder einem unvertretbaren (vor-)prozessualen Verhalten, wenn es über die verständliche Rechtsverteidigung hinausgeht und von einem Geschädigten als herabwürdigend empfunden werden muss, etwa der Versuch, einen Abfindungsvergleich zu erzwingen9. Solche Umstände lagen hier – ersichtlich – nicht vor, insbesondere war die beklagtenseitige Haftung dem Grunde nach nicht von vornherein unstreitig. Die von der Kundin unterzeichnete Einverständniserklärung enthielt den ausdrücklichen Hinweis auf die Möglichkeit von Farbausläufen für den Fall einer bestimmten Hautbeschaffenheit, so dass die nicht bloß theoretische Möglichkeit bestand, dass es sich bei den aufgetretenen Farbausläufen um einen unvermeidbaren Mangel handelte. Zudem hat die Haftpflichtversicherung der Beklagten bereits unter dem 13.01.2015 einen Pauschalbetrag von 300, 00 € angeboten. Diese Summe stellte in Anbetracht der klägerischen Beeinträchtigungen keineswegs eine unvertretbar niedrige Leistung dar.

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Richtigerweise hat das Landgericht der Genugtuungsfunktion hier keine erhebliche Bedeutung zugemessen. Zwar hat die Beklagte bei der Erstellung des Permanent Make-ups die Haut der Kundin vorsätzlich verletzt. Diese Verletzung zielte indes letztlich auf eine kosmetische Verbesserung nach den Wünschen der Kundin ab und diente mithin von der Intention her nicht der Schädigung10.

Die klägerseits in der Klageschrift zitierten Urteile geben bereits deshalb keinen Anlass zu einer Erhöhung des Schmerzensgelds, weil die dort wiedergegebenen Sachverhalte mit dem vorliegenden Fall offensichtlich nicht vergleichbar sind. Das Oberlandesgericht Frankfurt11 hatte eine Bauchdeckenstraffung zu beurteilen, bei der Fett aus dem Hüft- und Ober- sowie Unterbauchbereich mit einem Gesamtgewicht von ca. 1, 3 kg entfernt wurde. Im Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 28.02.201212 ging es ebenfalls um umfangreiche Fettabsaugungen im Bereich von Unterbauch, Hüfte, Taille und der Oberschenkel. Das Urteil des Landgerichts Köln vom 27.03.200713 hatte sich mit einer Glassplitterverletzung des Auges ohne dauerhafte funktionelle Beeinträchtigung und einer 3,5 cm langen Narbenbildung am Oberlid zu befassen. Mit dem vorliegenden Sachverhalt eher zu vergleichen ist das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 21.08.201414. Dort lag eine mangelhafte Erstellung eines Permanent Make-ups im Bereich der Augenbrauen, der Lippen und der Augenlider vor, wobei allein für die Nachbearbeitung der Mängel an den Augenlidern und den Lippen circa neun bis zehn Sitzungen mit einem Zeitaufwand von sieben bis neun Stunden erforderlich waren. Von der Geschädigten gefordert und von dem Amtsgericht zuerkannt wurde ein Schmerzensgeld von 300, 00 €.

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Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28. Juli 2017 – 19 U 50/17

  1. vgl. hierzu und zum Folgenden etwa: OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.12.2014 – 13 U 122/13 24 m.w.N.; OLG Oldenburg, Urteil vom 02.08.2006, 5 U 16/06 16 m.w.N.[]
  2. OLG München, Urteil vom 21.03.2014 – 10 U 1750/13, Rdnr. 17 m.w.N., auch zum Folgenden[]
  3. OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.12.2014 – 13 U 122/13, 25 m.w.N.[]
  4. OLG München, Urteil vom 21.03.2014 – 10 U 1750/13, Rdnr. 20 ff., m.w.N.[]
  5. vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 05.03.2014 – 12 U 151/13, Rdnr. 2[]
  6. Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 226 Rn. 3/4[]
  7. vgl. nur OLG Köln, Urteil vom 09.08.2013 – 19 U 137/09, Rdnr. 161 ff., Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 253 BGB Rn. 17[]
  8. vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2014 – 12 U 65/12, Rdnr. 15 m.w.N.[]
  9. OLG München, Urteil vom 21.03.2014 – 10 U 1750/13, Rdnr. 32 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen[]
  10. OLG Hamm, Beschluss vom 01.02.2006 – 3 U 250/05, BeckRS 2006, 09403[]
  11. OLG Frankfurt, Urteil vom 11.10.2005 – 8 U 47/04[]
  12. OLG Zweibrücken, Urteilvom 28.02.2012 – 5 U 8/08[]
  13. LG Köln Urteil vom 27.03.2007 – 16 O 314/04[]
  14. AG Wuppertal, Urteil vom 21.08.2014 – 34 C 265/12[]

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