Die für die Notwendigkeit der Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts (und damit für die Kostenerstattung durch den unterlegenen Gegner) erforderlichen besonderen Umstände setzen, wenn sie nicht aus der Natur des Streitfalls folgen, jedenfalls voraus, dass die außergerichtliche Bearbeitung der Sache aufgrund einer allgemeinen Maßnahme der Betriebsorganisation und nicht nur im Einzelfall für die Partei an dem Ort erfolgt, an dem der auswärtige Rechtsanwalt seine Kanzlei hat.

Bei eine Partei, die an ihrem eigenen Gerichtsstand verklagt wird, kann die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts grundsätzlich nur dann als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden, wenn besondere Umstände die Einschaltung des auswärtigen Rechtsanwalts geboten erscheinen lassen1.
Solche besonderen Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn die dem Rechtsstreit vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache an einem Ort stattgefunden hat, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält2. In diesem Fall sind die Reisekosten, die dem Unternehmen durch die Beauftragung eines am Ort der Bearbeitung ansässigen Rechtsanwalts entstanden sind, nach denselben Grundsätzen zu erstatten wie sonst im Falle der Beauftragung eines am Sitz des Unternehmens ansässigen Rechtsanwalts. Denn für die Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation eines an einem Rechtsstreit beteiligten Unternehmens an und nicht darauf, welche Unternehmensorganisation unter Erstattungsgesichtspunkten zweckmäßiger oder günstiger gewesen wäre3.
Im Hinblick auf die gewählte Betriebsorganisation hat es der Bundesgerichtshof für die Erstattung der Kosten des auswärtigen Rechtsanwalts auch ausreichen lassen, wenn ein Versicherer bei streitig werdenden Leistungsablehnungen die Sache nicht mehr im eigenen Unternehmen weiterbearbeitet, sondern sie zur selbständigen Bearbeitung an einen externen Rechtsanwalt übergibt, der bei Fehlschlagen einer außergerichtlichen Klärung auch die Prozessführung übernimmt4. Dagegen ist es für sich allein noch nicht als ausreichender Grund zur Beauftragung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten angesehen worden, wenn eine am Sitz des Prozessgerichts oder in dessen Nähe ansässige Partei einen auswärtigen Rechtsanwalt nur deshalb wählt, weil sie mit ihm durch eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit verbunden ist. Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn Besonderheiten in der Sache selbst oder ihrer Bearbeitung die Annahme rechtfertigen, dass am Ort des Prozessgerichts oder am Sitz der Partei keine zur sachangemessenen Prozessvertretung geeigneten Rechtsanwälte niedergelassen sind5.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. November 2009 – I ZB 101/08
- BGH, Beschluss vom 12.12.2002 – I ZB 29/02 = NJW 2003, 901, 902 f. = WRP 2003, 391 – Auswärtiger Rechtsanwalt I; Beschluss vom 22.02.2007 – VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071 Tz. 10; Beschluss vom 20.05.2008 – VIII ZB 92/07, NJW-RR 2009, 283 Tz. 6 = WRP 2008, 1120[↩]
- BGH, Beschluss vom 23.01.2007 – I ZB 42/06, GRUR 2007, 726 Tz. 14 = WRP 2007, 957 – Auswärtiger Rechtsanwalt VI; BGH NJW-RR 2009, 283 Tz. 7[↩]
- BGH GRUR 2007, 726 Tz. 14 – Auswärtiger Rechtsanwalt VI[↩]
- BGH, Beschluss vom 28.06.2006 – IV ZB 44/05, NJW 2006, 3008[↩]
- vgl. BGH NJW-RR 2007, 1071; NJW-RR 2009, 283[↩]