Wird ein Grundstück, das mit dem Recht belastet ist, dort eine unterirdische Ferngasleitung zu betreiben, mit einem Bagger überfahren, kann ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung eines sonstigen Rechts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB in Betracht kommen.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall führte die Beklagte im Zuge der Baumaßnahme „Kanalstraße West“ der Stadt H. Rodungsarbeiten auf verschiedenen Waldgrundstücken durch. Diese Grundstücke waren mit dem im Grundbuch von H. eingetragenen Recht der E. AG belastet, einen 8 m breiten Grundstückstreifen (Schutzstreifen) zum Verlegen und Betreiben einer unterirdischen Gasfernleitung zu nutzen. Zugleich war dem Eigentümer die Bebauung des Schutzstreifens untersagt. Am 15.05.2007 fuhr ein Mitarbeiter der Beklagten mit einem 20 t schweren Kettenbagger über den Schutzstreifen; dabei rutschte er von den zum Schutz der Gasleitung verlegten Baggermatten ab. Die E. AG ließ die Gasleitung freilegen und überprüfen. Es wurde eine innerhalb der Norm liegende Verformung („Unrundheit“) festgestellt, die keiner Reparatur bedurfte. Eine Unterbrechung der Gaszufuhr war nicht erforderlich.
Es kann für den Bundesgerichtshof zunächst dahinstehen, ob die bei der Überprüfung festgestellte Verformung der Gasleitung eine Verletzung des Eigentums der E. AG an der Gasleitung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellt und ob sie auf die Arbeiten der Beklagten zurückzuführen ist. Ebenso kann offenbleiben, ob bereits der begründete Verdacht, die Gasleitung könne infolge des Befahrens des Schutzstreifens mit dem Bagger beschädigt worden sein, für die Annahme einer Eigentumsverletzung genügt1.
Denn die Beklagte hat jedenfalls das der E. AG eingeräumte dingliche Recht, die betroffenen Grundstücke in einem 8 m breiten Schutzstreifen zum Verlegen und Betreiben einer Gasfernleitung zu nutzen, verletzt.
Das Berufungsgericht hat im Ansatz zutreffend angenommen, dass beschränkte dingliche Rechte – wie das der der E. AG in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 Abs. 1 BGB) eingeräumte Nutzungsrecht – als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu qualifizieren und damit deliktsrechtlich geschützt sind2.
Auch hat die Beklagte widerrechtlich in die zugunsten der E. AG bestellte Dienstbarkeit eingegriffen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung beschränkter dinglicher Rechte einen „grundstücksbezogenen“ Eingriff voraus, der sich dahin auswirkt, dass die Verwirklichung des jeweiligen Rechts am Grundstück als solches durch rechtliche oder tatsächliche Maßnahmen beeinträchtigt wird3. Ein solcher Eingriff ist beispielsweise darin gesehen worden, dass ein Grundstück infolge baulicher Maßnahmen verschlechtert oder Zubehör entgegen den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft weggeschafft und hierdurch die Sicherheit auf dem Grundstück lastender Grundpfandrechte gefährdet wurde4.
Auch im Streitfall ist ein „grundstücksbezogener“ Eingriff zu bejahen. Die Beklagte hat die Ausübung der der E. AG eingeräumten Dienstbarkeit beeinträchtigt. Denn sie hat die zu duldende Benutzung des belasteten Grundstücks – das ungestörte Betreiben der unterirdischen Ferngasleitung – behindert5. Dadurch dass ihr Mitarbeiter beim Befahren des Schutzstreifens mit einem 20 t schweren Bagger von den zum Schutz der Gasleitung verlegten Baggermatten abgerutscht war und den begründeten Verdacht geschaffen hatte, dass die unter der Erdoberfläche befindliche Gasleitung durch die nicht unerhebliche Krafteinwirkung auf den Erdboden beschädigt worden war, konnte die E. AG die Nutzung der Leitung nicht mehr ungehindert fortsetzen. Aufgrund der von einer beschädigten Ferngasleitung ausgehenden erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit war die E. AG – sowohl aufgrund der sie als Betreiberin der Anlage treffenden allgemeinen Verkehrssicherungspflichten als auch gemäß § 49 Abs. 1 EnWG, wonach Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist, – vielmehr verpflichtet, dem Schadensverdacht nachzugehen und zu überprüfen, ob die Gasleitung durch das Abrutschen des Baggers beschädigt worden war6. Dem steht – anders als das Berufungsgericht meint – nicht entgegen, dass die E. AG die Gaszufuhr nicht unterbrechen musste. Der Betrieb der Leitung war bereits dadurch beeinträchtigt, dass die E. AG die Nutzung nicht dauerhaft fortsetzen konnte ohne besondere Überprüfungsmaßnahmen zu ergreifen.
Auch wird die E. AG haftungsrechtlich nicht besser gestellt, als wenn sie Eigentümerin des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks bzw. des Schutzstreifens gewesen wäre. In diesem Fall hätte die Beklagte das Eigentum der E. AG verletzt, weil sie durch Einwirkung auf das Grundstück deren Eigentümerbefugnisse (§ 903 BGB) beeinträchtigt hätte. Denn das Eigentum an einem Grundstück umfasst auch das Recht, das Grundstück zum Betreiben einer Leitung zu nutzen. Die Ausübung dieses Rechts hat die Beklagte durch Einwirkung auf die Substanz des Grundstücks behindert.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Februar 2012 – VI ZR 29/11
- vgl. dazu BGH, Urteile vom 25.10.1988 – VI ZR 344/87, BGHZ 105, 346, 350; vom 21.06.1977 – VI ZR 58/76, VersR 1977, 965, 966; BGH, Urteil vom 11.07.2002 – I ZR 36/00, TranspR 2002, 440 f. zur Sachbeschädigung i.S.d. § 429 HGB in der Fassung vom 01.01.1964; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb.1999, § 823 Rn. B 83; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rn. 113; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 10 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 25.09.1964 – VI ZR 140/63, VersR 1964, 1201, 1202; vom 21.11.2000 – VI ZR 231/99, VersR 2001, 648, 649 f.; BGH, Urteil vom 31.05.2007 – III ZR 258/06, VersR 2007, 1281; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rn. 146; Staudinger/Hager, aaO, Rn. B 126 jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 28.10.1975 – VI ZR 24/74, BGHZ 65, 211, 212; vom 21.11.2000 – VI ZR 231/99, aaO, S. 650[↩]
- BGH, Urteile vom 28.10.1975 – VI ZR 24/74, aaO; und vom 06.11.1990 – VI ZR 99/90, VersR 1991, 232[↩]
- vgl. zur Beeinträchtigung einer Dienstbarkeit BGH, Urteil vom 07.10.2005 – V ZR 140/04, NJW-RR 2006, 237, 239; Staudinger/Mayer, aaO, 14. Bearbeitung 2009, § 1027 Rn. 3 mwN[↩]
- so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2008 – 19 U 13/08[↩]