Der befangene Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter/Treuhänder ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht rechtzeitig von sich aus einen Sachverhalt anzuzeigen, der die ernstliche Besorgnis rechtfertigen kann, dass er als befangen an seiner Amtsführung verhindert ist; diese Pflicht besteht insbesondere dann, wenn er einem Unternehmen, an dem er rechtlich oder wirtschaftlich beteiligt ist, einen entgeltlichen Auftrag der Insolvenzmasse zu erteilen beabsichtigt1.

Der befangene Insolvenzverwalter

Die Entlassung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren setzt, wie die Entlassung eines Insolvenzverwalters, einen wichtigen, die Entlassung rechtfertigenden Grund voraus (§ 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Ein die Entlassung rechtfertigender wichtiger Grund liegt vor, wenn eine Pflichtverletzung des Verwalters feststeht und es in Anbetracht der Erheblichkeit der Pflichtverletzung, insbesondere ihrer Auswirkungen auf den Verfahrensablauf und die berechtigten Belange der Beteiligten, sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter oder Treuhänder in seinem Amt zu belassen. Die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter zu treffen2.

Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht reicht für die Entlassung des Verwalters nicht aus, wenn sie lediglich auf persönlichem Zwist beruht. Dies gilt entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch dann, wenn das Vertrauensverhältnis in einem Maße gestört ist, dass ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheint. Denn mit einer Entlassung des Verwalters ist ein Eingriff in sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 GG verbunden3. Dieser Eingriff ist in der Regel nur dann verhältnismäßig, wenn die Störung des Vertrauensverhältnisses ihre Grundlage in einem pflichtwidrigen Verhalten des Verwalters hat, welches objektiv geeignet ist, das Vertrauen des Insolvenzgerichts in seine Amtsführung schwer und nachhaltig zu beeinträchtigen. Dabei kommt auch ein Fehlverhalten des Verwalters in einem anderen Insolvenzverfahren in Betracht, sofern aus diesem Verhalten zu schließen ist, dass die rechtmäßige und geordnete Abwicklung des laufenden Verfahrens bei einem Verbleiben des Verwalters im Amt nachhaltig beeinträchtigt werden würde. Dies kann etwa der Fall sein, wenn masseschädigende Verhaltensweisen erheblichen Umfangs in anderen Insolvenzverfahren die generelle Unzuverlässigkeit des Verwalters erweisen4.

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In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat die bisherige Treuhänderin ihre Pflichten dadurch in hohem Maße verletzt, dass sie mit der Durchführung der ihr übertragenen Zustellungen zu Lasten der Masse einen von ihr selbst geleiteten Drittunternehmer zu einem Preis beauftragte, der mit 30 € je Erstzustellung und 20 € je weiterer Zustellung erkennbar über dem Marktpreis gelegen hat. Die Durchführung der Zustellungen darf zwar an Dritte übertragen werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV). Eine Delegation auf Kosten der Masse muss aber – unbeschadet vergütungsrechtlicher Konsequenzen – zu marktüblichen Konditionen erfolgen5.

Pflichtwidrig war es insbesondere, dass die Treuhänderin das Drittunternehmen beauftragt hatte, bevor sie ihre Absicht dem Insolvenzgericht zuvor angezeigt hatte. Ein Insolvenzverwalter ist verpflichtet, von sich aus dem Insolvenzgericht rechtzeitig einen Sachverhalt unmissverständlich anzuzeigen, der die ernstliche Besorgnis rechtfertigen kann, dass der Verwalter als befangen an seiner Amtsführung verhindert ist6. Diese Pflicht zur Offenbarung von Interessenkollisionen dient dem Schutz aller Verfahrensbeteiligten davor, dass der Verwalter sein Amt möglicherweise nicht unvoreingenommen und allein dem Insolvenzzweck entsprechend ausübt7. Ist der Insolvenzverwalter entweder rechtlich oder – möglicherweise auch über einen Treuhänder – wirtschaftlich Allein- oder Mitinhaber eines Unternehmens und wirkt sich der Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens unmittelbar in erheblichem Maße für ihn aus, so begründet diese Beteiligung die Besorgnis, dass er sich hierdurch in seiner Entscheidung beeinflussen lassen kann. Aus der Sicht jedes unvoreingenommenen, sachlich abwägenden Verfahrensbeteiligten liegt die Befürchtung nicht fern, dass der Insolvenzverwalter sein Amt nicht ausschließlich dem Insolvenzzweck entsprechend führen werde, sondern sich auch vom Gesichtspunkt leiten lassen könnte, dem Unternehmen, an dem er rechtlich oder wirtschaftlich beteiligt ist, zu lohnenden Einnahmen zu verhelfen. In einem solchen Fall muss das Insolvenzgericht über Art und Umfang dieser Beteiligung vor einem Vertragsschluss informiert werden.

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In der Person der bisherigen Treuhänderin war im hier entschiedenen Fall eine entsprechende Interessenkollision gegeben. Als Vorstand der E. AG war sie deren gesetzlicher Vertreter und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Unternehmens, dem sie die Ausführung der Zustellungen übertrug. Zumindest im Blick auf ihre Vergütung und ihre Stellung als Vorstand war sie am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt. Ob sie auch sonst wirtschaftlich an dem Unternehmen beteiligt war, haben die Vorinstanzen nicht aufgeklärt und kann auch dahinstehen. Die zur Anzeigepflicht führende Interessenkollision und die Gefahr der Schädigung der ihr übertragenen Insolvenzmassen war für die bisherige Treuhänderin unübersehbar. Aufgrund der Auseinandersetzungen um die Zuschläge zu ihrer Vergütung in anderen Verfahren im Hinblick auf die ihr übertragenen Zustellungen wusste die Treuhänderin, dass sie mit der Geltendmachung von Beträgen, die weit oberhalb der tatsächlichen Kosten lagen, nicht durchdringen würde. Gleichwohl beauftragte sie ein von ihr geführtes Unternehmen mit der Durchführung der Zustellung zu einem noch höheren Preis, als sie selbst erfolglos vom Insolvenzgericht verlangt hatte, und schädigte damit die Massen in den ihr übertragenen Verfahren. Von einer Zustimmung des Insolvenzgerichts zu der Beauftragung der E. AG bei pflichtgemäßer Anzeige vor Auftragserteilung, die in zahlreichen der Treuhänderin übertragenen Verfahren unterblieben ist, konnte sie nicht ausgehen. Eine solche Zustimmung war schon wegen der Versagung der Zuschläge im Vorfeld der Beauftragung des Unternehmens nicht zu erwarten.

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Jedenfalls in der Zusammenschau sind diese Pflichtverletzungen geeignet, das Vertrauen des Insolvenzgerichts in eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende, verlässlich korrekte und nicht ständiger Kontrolle bedürfende Amtsführung schwer und nachhaltig zu stören. Die Gefahr größerer Schäden für die Masse kann nur durch die Entlassung der bisherigen Treuhänderin abgewendet werden. Angesichts der ihr zur Last gelegten, ihre Amtstätigkeit betreffenden zahlreichen masseschädigenden Auftragserteilungen an ein mit ihr verbundenes Unternehmen kann zukünftig nicht mehr auf eine ordnungsgemäße Amtsausübung vertraut werden. Auch wenn die fehlende Bereitschaft, die Zustellungen weiter auszuführen, nicht ausdrücklich in dem vorliegenden Verfahren erklärt worden ist, kann sie wegen der in dieser Erklärung zum Ausdruck kommenden Unzuverlässigkeit und der Begehung erheblicher masseschädigender Handlungen um des eigenen Vorteils willen die treuhänderische Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen nicht mehr überantwortet werden8. Mithin erweist sich die Abberufung der Beschwerdeführerin zum Schutz der Masse als unerlässlich.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. April 2012 – IX ZB 31/11

  1. Fortführung von BGHZ 113, 262[]
  2. BGH, Beschluss vom 19.01.2012, aaO Rn. 9 mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 19.01.2012, aaO Rn. 10, ständig[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2011 – IX ZB 192/10, ZInsO 2011, 724 Rn.20; vom 19.01.2012, aaO Rn. 10[]
  5. BGH, Beschluss vom 19.01.2012 – IX ZB 25/11, NZI 2012, 247 Rn. 12[]
  6. BGH, Urteil vom 24.01.1991 – IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 275, 277; Beschluss vom 19.01.2012 – IX ZB 25/11, aaO Rn. 13[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1991, aaO S. 279[]
  8. vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2011 – IX ZB 192/10, ZInsO 2011, 724 Rn. 16[]
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