Ein Sachverständiger kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er zur Vorbereitung eines Anhörungstermins mit der Gegenseite telefoniert und Unterlagen anfordert, sofern er dies nicht von sich aus, sondern erst auf Nachfrage des Gerichts im Termin offenlegt und die erhaltenen Unterlagen herausgibt.

Ein Sachverständiger kann nach §§ 406, 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Schon der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit rechtfertigt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Entscheidend ist, ob vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen1.
In dem jetzt vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall rief der Sachverständige zur Vorbereitung des Anhörungstermins vom 28.01.2010 am 28.12.2009 bei der Antragsgegnerin an. Er fragte nach einem Abnahmeschreiben und dem Leistungsverzeichnis des Auftraggebers der ausführenden Firma, woraufhin er insgesamt vier Seiten zugesandt erhielt. Die Antragsteller erfuhren hiervon im Termin vom 28.01.2010. Der Sachverständige erklärte sein Vorgehen mit dem Bemühen um rechtzeitige Vorbereitung des Termins vom 28.01.2010 und der durch Feiertage und Urlaub relativ knappen Zeit, weshalb er es für ausreichend ansah, die erhaltenen Unterlagen zum angesetzten Termin mitzubringen.
Aus Sicht der Antragsteller stellt sich der Ablauf allerdings so dar, dass ihnen das Telefonat mit der Antragsgegnerseite zur Anforderung der Unterlagen nicht nur bis zum Termin vom 28.01.2010 unbekannt war, sondern dass der Sachverständige im Anhörungstermin hiervon nicht von sich aus, sondern erst auf Nachfrage durch das Gericht berichtete. Das rechtfertigt aus Sicht der nicht einbezogenen Partei auch bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen.
Auch die verständige Partei darf unter diesen Umständen argwöhnen, dass zwischen ihrem Gegner und dem Sachverständigen ein Informationsaustausch stattfand, dessen Dimension und Inhalt sie nicht zu überblicken vermag, dessen Bedeutung für die Einschätzung der Neutralität des Gutachters ihr also verschlossen ist2. Aus Sicht der Antragsteller hat sich der Sachverständige der Gefahr der einseitigen Einflussnahme durch die Antragsgegnerseite ausgesetzt. Zudem ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, dass der Sachverständige im Termin die erhaltenen Unterlagen nicht von sich aus vorlegte und über die Kontaktaufnahme nicht unaufgefordert informierte. Hätte er das getan, wäre eine Ablehnung nicht gerechtfertigt3. Da es sich nicht nur um eine schriftliche Anfrage des Sachverständigen handelte, sondern er mit der Antragsgegnerseite telefonierte, konnten die Antragsteller, nachdem der Sachverständige sie hierüber nicht von sich aus informierte, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit hegen.
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 4. August 2010 – 13 W 33/10