Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.(…) Der Verkehrssicherungspflicht bezüglich eines U‑Bahnhofs und der dortigen Handläufe ist durch die Kontrolle des Bahnhofs samt der dazugehörenden Anlagen drei Tage vor einem Unfall Genüge getan.

Mit dieser Begründung hat das Amtsgericht München in dem hier vorliegenden Fall die Schadensersatzklage eines 10 Jahre alten Mädchen abgewiesen, die sich durch versetzte Handlaufrohre verletzt hat. Das Mädchen stieg mit ihren Eltern und Geschwister am 30.04.2017 auf dem Weg in die Allianz-Arena am U-Bahnhof Fröttmaning aus. Sie ging auf der nördlichen Seite des Fußgängersteigs in Richtung Esplanade und ließ ihre Hand auf dem Handlauf „mitlaufen“. In der Folge erlitt sie eine offene Fraktur des Zeigefingers mit einer Verletzung der Streckmuskeln und ‑sehnen. Die beklagten Stadtwerke München sind für den Bereich zwischen der U‑Bahnhaltestelle Fröttmaning und der Esplanade zur Allianz-Arena verkehrssicherungspflichtig.
Das von ihren Eltern vertretene Mädchen behauptet, die Metallrohre des Handlaufs seien in diesem Bereich nicht mehr miteinander verbunden gewesen. Das nachfolgende offene Rohr habe zu einem Drittel über das vorhergehende Stück hinausgeragt, so dass sie mit dem Zeigefinger in das offene Metallrohr des Anschlussstücks geraten, dort stecken geblieben sei und sich infolge der Vorwärtsbewegung u.a. eine offene Fraktur zugezogen habe. Der Finger bleibe wohl dauerhaft in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Der Unfall sei durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verursacht. Eine Beschädigung des Handlaufs sei nicht erst unmittelbar vor dem Unfall erfolgt.
Nach Angaben der Stadtwerke sei der U‑Bahnhof erst am 27.04.2017 überprüft worden. Mit Ausnahme eines defekten Fahrkartenautomaten seien insbesondere beim Handlauf keine Schäden festgestellt worden. Von alleine hätten die Rohre nicht auseinanderdriften können, so dass dies durch eine mutwillige Gewalteinwirkung geschehen sein müsse.
In seiner Urteilsbegründung hat das Amtsgericht München dargelegt, dass die detaillierten Ausführungen der Eltern überzeugend waren: Die Metallrohre des Handlaufs waren an der fraglichen Stelle nicht mehr miteinander verbunden. So ist das Kind bei einer Vorwärtsbewegung im Gehen mit dem Zeigefinger in das herausstehende Ende des einen Rohrs gelangt ist, wodurch seine Verletzung entstanden ist. Unstreitig sind die Stadtwerke auch für den streitgegenständlichen Bereich des Fußgängersteigs zwischen der U‑Bahnhaltestelle Fröttmaning und der Esplanade zur Allianz-Arena verkehrssicherungspflichtig.
Allerdings hat das Amtsgericht München betont, dass eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, im praktischen Leben nicht erreichbar wäre. Die Stadtwerke München bzw. ihre organschaftlichen Vertreter haben der ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht hier durch die Kontrolle des Bahnhofs Fröttmaning samt der dazugehörenden Anlagen am 27.04.2017 durch die Zeugin K. Genüge getan. „Die Zeugin führte sachlich und detailgenau aus, dass sie bei jeder Kontrolle jeden Tag routinemäßig auch die Handläufe der Bahnhöfe überprüfen und diese dabei mit der Hand „ablaufen“ würde, um etwa abstehende Splitter oder zu große Abstände der Metallrohre festzustellen. „Wenn ich der Meinung bin, dass es jeden Moment rausrutscht, wenn der Spalt zu groß ist, dann melde ich es. Es sind Kinder da, die hängen sich hin, es sind Erwachsene da.“
Es kann auch nicht von den Stadtwerken verlangt werden, den Bahnhof Fröttmaning jeden Tag zu kontrollieren. Dies würde die an die Verkehrssicherungspflicht zu stellenden Anforderungen überspannen, zumal es sich mit Ausnahme der Spieltage in der Allianz-Arena auch nicht um einen übermäßig frequentierten Bahnhof handelt. Hier haben die Stadtwerke den Bahnhof Fröttmaning gerade vor dem Fußballspiel am 30.04.2017 kontrolliert. Im Übrigen ist dem im Internet einsehbaren Spielplan der Allianz-Arena zu entnehmen, dass das letzte Spiel vor dem streitgegenständlichen Vorfall am 26.04.2017 stattgefunden hat, und damit vor der Kontrolle durch die Zeugin K.
Mit dieser Begründung hat das Amtsgericht München die Klage der Schülerin aus dem Raum Augsburg gegen die Stadtwerke München auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3.000,00 Euro und Feststellung der Verpflichtung der Stadtwerke, alle Schäden aus dem Schadensereignis ersetzen zu müssen, abgewiesen.
Amtsgericht München, Urteil vom 19. März 2019 – 182 C 11189/18
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