Der Differenzschaden in Dieselfällen – und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten

§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gewähren dem Käufer eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller neben dem der Höhe nach auf 15 % des gezahlten Kaufpreises begrenzten Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Der Differenzschaden in Dieselfällen – und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten

Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist1.

Das Oberlandesgericht München2 hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Autokäufers auf die Gewährung sogenannten „großen“ Schadensersatzes verneint3. Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Autokäufer nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann4. Demzufolge hat das Oberlandesgericht München – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – weder dem Autokäufer Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Autoherstellerin wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

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Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Autokäufer Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Oberlandesgericht München wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 26.06.20235 die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Autoherstellerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

Dabei wird das Oberlandesgericht München in Rechnung zu stellen haben, dass der nach § 287 ZPO zu schätzende Differenzschaden aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht höher sein kann als 15 % des gezahlten Kaufpreises6.

Allein auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV kann dementsprechend neben dem Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens eine Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht verlangt werden7. Dem Berufungsantrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wird das Oberlandesgericht München mithin nur dann entsprechen können, wenn es nach der Zurückverweisung andere Tatsachen feststellen sollte, aufgrund derer ein Anspruch des Autokäufers aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB wegen des Verzugs der Autoherstellerin mit dem Ersatz des Differenzschadens oder eine Haftung der Autoherstellerin auch nach §§ 826, 31 BGB in Betracht käme8.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Oktober 2023 – VIa ZR 14/22

  1. vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32[]
  2. OLG München, Urteil vom 08.12.2021 – 17 U 581/21[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20.07.2023 – III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; und – III ZR 303/20 16 f.[]
  5. BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023, aaO, Rn. 72 ff.[]
  7. vgl. zum Finanzierungsschaden: BGH, Urteil vom 11.09.2023 – VIa ZR 1533/22, zVb[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 1031/22, DAR 2023, 503 Rn. 28[]
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