Der Erstverkauf der Eigentumswohnung – und das vereitelte Vorkaufsrecht des Mieters

Sieht der Vermieter pflichtwidrig davon ab, den vorkaufsberechtigten Mieter über den Inhalt des mit einem Dritten über die Mietwohnung abgeschlossenen Kaufvertrags sowie über das Bestehen des Vorkaufsrechts zu unterrichten, so kann der Mieter, der infolgedessen von diesen Umständen erst nach Erfüllung des Kaufvertrags zwischen Vermieter und Drittem Kenntnis erlangt, Ersatz der Differenz von Verkehrswert und Kaufpreis1 verlangen.

Der Erstverkauf der Eigentumswohnung – und das vereitelte Vorkaufsrecht des Mieters

Dies gilt auch dann, wenn der Mieter sein Vorkaufsrecht nach Kenntniserlangung nicht ausgeübt hat2.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall begründetet der Verkauf der von der Mieterin angemieteten Wohnung an die H. GmbH gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB ein gesetzliches Vorkaufsrecht der Mieterin. Die Verkäuferin war zum Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts Vermieterin der Mieterin. Auch sind im hier entschiedenen Streitfall die weiteren Voraussetzungen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts der Mieterin gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt. Die an die Mieterin vermietete Wohnung ist erstmals nach der mietweisen Überlassung veräußert worden.

Die Vermieterin war daher gemäß § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, der Mieterin den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrags unverzüglich mitzuteilen. Weiter traf sie die Pflicht, die Mieterin über das Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts zu unterrichten (§ 577 Abs. 2 BGB). Beiden Verpflichtungen ist die Vermieterin vorliegend schuldhaft nicht nachgekommen.

Rechtsfehlerhaft hat sodann für den Bundesgerichtshof, einen Anspruch der Mieterin gemäß § 280 Abs. 1, § 249 BGB auf Ersatz der Differenz zwischen dem Verkehrswert der von ihr bewohnten Wohnung und dem hierfür vereinbarten anteiligen Kaufpreis zu verneinen. Dagegen hatte in der Vorinstanz das Landgericht Hamburg3 die Auffassung vertreten, der Ersatz eines solchen Schadens sei – auch wenn die Mieterin letztlich einen Nichterfüllungsschaden geltend mache – nicht vom Schutzzweck des § 577 BGB gedeckt. Werde – wie hier – das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, liege ein erstattungspflichtiger Schaden des Mieters vor, wenn der Käufer das Mietverhältnis (etwa wegen Eigenbedarfs) kündige. Dagegen stelle der Umstand, dass zwischen den Kaufvertragsparteien ein unter dem Verkehrswert liegender Kaufpreis vereinbart worden sei, anders als bei der Nichterfüllung eines durch ein ausgeübtes Vorkaufsrecht zwischen den Mietparteien zustande gekommenen Kaufvertrags, keinen ausgleichspflichtigen Vermögensschaden dar.

Das Landgericht Hamburg hat damit zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass die Mieterin der Sache nach einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung („Nichterfüllungsschaden“) geltend macht, hat jedoch diesen Ansatz rechtsfehlerhaft nicht weiterverfolgt. Es hat bei der von ihm vorgenommenen Differenzierung zwischen ausgeübtem und nicht ausgeübtem Vorkaufsrecht nicht hinreichend beachtet, dass die Mieterin infolge der von der Vermieterin unterlassenen Mitteilungen erst zu einem Zeitpunkt Kenntnis von dem Inhalt des mit einem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags und von dem Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts erlangt hat, als dieser Kaufvertrag schon vollzogen und der Käufer als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Deswegen hat es sich den Blick dafür verstellt, dass es bei der vorliegend gegebenen Sachlage für die Mieterin im Ergebnis keinen Unterschied machte, ob sie durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts einen Kaufvertrag zustande brachte und anschließend von der Vermieterin, der die Erfüllung dieses Vertrags von Anfang an unmöglich gewesen wäre, Ersatz der Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis verlangte, oder ob sie von dem bei dieser Sachlage für die Verwirklichung ihres Erfüllungsinteresses sinnlosen Zwischenschritt der – vorliegend nicht erfolgten – Ausübung des Vorkaufsrechts absah und sogleich Ersatz des entsprechenden Schadens begehrte. In beiden Fällen wäre das Erfüllungsinteresse der Mieterin in gleicher Weise beeinträchtigt worden. Entscheidend ist letztlich, dass die Vermieterin durch die Verletzung der sie nach § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1, § 577 Abs. 2 BGB treffenden Mitteilungspflichten das Vorkaufsrecht der Mieterin nach § 577 BGB, also den Erwerb der Wohnung zu dem vereinbarten anteiligen Kaufpreis, vereitelt hat.

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Nach der Konzeption der §§ 577, 463 ff. BGB dient nicht nur der – durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zustande kommende (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 464 Abs. 2 BGB) – Kaufvertrag zwischen den Mietvertragsparteien der Realisierung des Vorkaufsrechts. Vielmehr haben auch die gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilungspflichten den Zweck, das Erfüllungsinteresse des Vorkaufsberechtigten zu sichern, denn dieser wird erst durch die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalls (und im Falle des § 577 Abs. 2 BGB durch Belehrung über seine Vorkaufsberechtigung) in die Lage versetzt, sein Vorkaufsrecht auszuüben und damit seinen Erfüllungsanspruch zu begründen4. Der aus der Verletzung einer Mitteilungspflicht entstehende Anspruch auf Ersatz des vom Mitteilungspflichtigen auszugleichenden Schadens kann, sofern dieser durch die Unterlassung der Mitteilung adäquat verursacht wurde, auch auf das Erfüllungsinteresse gerichtet sein5.

So liegen die Dinge hier. Der Mieterin, die vor Abschluss des Kaufvertrags zwischen der Vermieterin und dem Dritten weder über Existenz und Inhalt des Vertrages (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 BGB) noch über das Bestehen ihres Vorkaufsrechts (§ 577 Abs. 2 BGB) unterrichtet worden war, standen lediglich zwei Wege offen, hierauf zu reagieren. Keiner der beiden Schritte hätte aber zur Verwirklichung ihres Erfüllungsinteresses geführt. Vielmehr blieb der Mieterin in beiden Fällen nur die Möglichkeit, Schadensersatz wegen Vereitelung ihres Vorkaufsrechts zu verlangen.

Die Mieterin hätte an sich, da die zweimonatige Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BGB) erst mit Mitteilung des Inhalts des mit dem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags beginnt, das Vorkaufsrecht noch binnen einer Frist von zwei Monaten ab Erhalt einer nachträglichen Mitteilung des Vermieters oder des Käufers über den Inhalt des Kaufvertrags und das Bestehen ihres Vorkaufsrechts (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 577 Abs. 2 BGB) ausüben6 und hierdurch mit der Vermieterin einen zweiten Kaufvertrag zu denselben Bedingungen zustande bringen können, wie sie im Kaufvertrag zwischen Vermieterinr und Drittem vereinbart worden sind (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 464 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2013 – V ZR 96/12, BGHZ 199, 136 Rn. 21 mwN). Diesen zweiten Kaufvertrag hätte die Vermieterin aber nicht mehr erfüllen können (§ 275 Abs. 1 BGB), weil sie das Eigentum am Grundstück schon vor der mit Schreiben der Hausverwaltung erfolgten Unterrichtung der Mieterin über den erfolgten Verkauf auf den Käufer übertragen hatte. Der Eigentumswechsel war bereits zuvor in das Grundbuch eingetragen worden.

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Daher hätte die Mieterin im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts lediglich Schadensersatz statt der Leistung nach § 311a Abs. 1, 2 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB wegen anfänglicher subjektiver Unmöglichkeit der Übereignung verlangen können. Zwar ist in den Fällen, in denen ein Schuldner – wie hier – den Kaufgegenstand an einen Dritten übereignet hat, dem Schuldner die Übereignung an den Gläubiger nicht schon deswegen unmöglich, weil er über ihn nicht mehr verfügen kann und auf ihn auch keinen Anspruch hat. Unmöglichkeit liegt vielmehr erst dann vor, wenn feststeht, dass der Schuldner die Verfügungsmacht nicht mehr erlangen und zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs nicht mehr auf die Sache einwirken kann7. Ist die Unmöglichkeit – wie bei einem Anspruch aus § 311a Abs. 2, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB – anspruchsbegründende Voraussetzung, nimmt der Bundesgerichtshof jedoch, um die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers nicht zu überspannen, in ständiger Rechtsprechung an, dass die Weiterveräußerung die Unmöglichkeit indiziert, solange der Schuldner – wie hier – nicht darlegt, dass er zur Erfüllung willens und in der Lage ist8.

Statt ihr Vorkaufsrecht nach § 577 BGB nachträglich noch auszuüben, stand der Mieterin aber auch die Möglichkeit offen, wegen Verletzung der in § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 BGB, § 577 Abs. 2 BGB geregelten mietvertraglichen Nebenpflichten Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu verlangen9. Für diesen Schritt hat sie sich entschieden.

Die Verletzung solcher Nebenpflichten führt zwar nicht stets zu einem Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses. Insbesondere wird es Fälle geben, in denen sich die Verletzung der Mitteilungspflichten letztlich nicht auswirkt, weil der Vorkaufsberechtigte noch rechtzeitig vor der Übereignung der Kaufsache an den Dritten Kenntnis vom Inhalt des Kaufvertrags (und im Falle des § 577 BGB von seiner Vorkaufsberechtigung) erlangt und durch die Ausübung seines Vorkaufsrechts einen – noch erfüllbaren – Kaufvertrag mit dem Mitteilungsverpflichteten zustande bringen kann. Dieser muss dann entscheiden, welchen der beiden gegen ihn gerichteten Ansprüche auf Übereignung der Kaufsache er erfüllt. Entschließt er sich für eine Erfüllung des mit dem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags, hat er dem Vorkaufsberechtigten wegen nachträglicher Unmöglichkeit Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 283, 275 Abs. 1 BGB zu leisten10.

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Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die vorliegend zu beurteilende Fallkonstellation, bei der die Kenntniserlangung erst nach Übereignung des Anwesens an den Dritten erfolgte und bei der daher die Verletzung der Mitteilungspflichten unmittelbar zur Vereitelung des Vorkaufsrechts führte. Infolge der unterbliebenen Unterrichtung hätte die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Mieterin – wie bereits ausgeführt – nur noch bewirken können, dass sie einen Kaufvertrag mit der Vermieterin begründete, dessen Erfüllung der Vermieterin von vornherein unmöglich gewesen wäre (anfängliche Unmöglichkeit) mit der Folge, dass sie der Mieterin gemäß § 311a Abs. 1, 2, § 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen Nichterfüllung des zustande gekommenen Kaufvertrags hätte leisten müssen. Da die Ausübung des Vorkaufsrechts die Mieterin somit nicht in die Lage versetzt hätte, ihr Erfüllungsinteresse durchzusetzen, ist hier die Ausübung dieses Rechts (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 464 Abs. 1 BGB) als sinnloser Zwischenschritt zu werten.

Weil das Erfüllungsinteresse der Mieterin unmittelbar durch die Verletzung der mietvertraglichen Nebenpflicht vereitelt worden ist, ist der aus der Verletzung der mietrechtlichen Nebenpflicht resultierende Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichtet11. Der Ersatz des Erfüllungsinteresses besteht hier – ebenso wie in dem vom Bundesgerichtshof bereits entschiedenen Fall der nachträglichen Unmöglichkeit der Erfüllung eines zwischen Vorkaufsberechtigtem und Mitteilungsverpflichteten zustande gekommenen Kaufvertrags12 – im Ausgleich der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem auf sie entfallenden Anteil des Kaufpreises, allerdings abzüglich von der Mieterin ersparter Kosten (insbesondere Erwerbs- und Finanzierungskosten).

Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vortrag der Mieterin beläuft sich der mit dem Grundstückserwerber vereinbarte anteilige Kaufpreis für die Wohnung (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 467 Satz 1 BGB) auf 186.571 € und der Verkehrswert auf 266.250 €. Bei ordnungsgemäßer Unterrichtung hätte sie diesen Vermögenszuwachs (abzüglich für den Erwerb und dessen Finanzierung aufzuwendender Kosten) in Gestalt des Sondereigentums an der Wohnung und des dazu gehörenden Miteigentumsanteils erhalten. An die Stelle des entgangenen Vermögensvorteils tritt nun der geldwerte Ausgleich der Wertdifferenz.

Die Verletzung der Mitteilungspflichten ist für den geltend gemachten Schaden auch ursächlich geworden.

Es ist davon auszugehen, dass die Mieterin bei rechtzeitiger Mitteilung des Inhalts des Kaufvertrags (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 BGB) und gleichzeitiger Belehrung über ihr Vorkaufsrecht (§ 577 Abs. 2 BGB) von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht hätte. Die Mitteilungspflichten des Vorkaufsverpflichteten stellen vertragliche Aufklärungspflichten dar, die dazu bestimmt sind, dem Berechtigten eine sachgerechte Entscheidung über bestimmte Geschäfte – nämlich über die Ausübung des Vorkaufsrechts – zu ermöglichen13. Bei Verletzung solcher Pflichten spricht eine Vermutung für „aufklärungsrichtiges“ Verhalten14. Umstände, die diese Vermutung widerlegten, sind weder von der Revisionserwiderung aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.

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Ferner ist im vorliegenden Fall zu unterstellen, dass die Mieterin die sie treffende Kaufpreiszahlungspflicht aus einem – bei rechtzeitiger Unterrichtung durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts begründeten – Kaufvertrag (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 464 Abs. 2 BGB) auch hätte erfüllen können. Die Mieterin hatte vorgetragen, sie wäre aufgrund ihrer Kreditwürdigkeit und teilweise vorhandener Eigenmittel in der Lage gewesen, den zwischen der Vermieterin und dem Dritten ausgehandelten, anteilig auf die von ihr genutzte Wohnung entfallenden Kaufpreis zu entrichten.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts Hamburg15 steht auch der Schutzzweck des § 577 BGB vorliegend einem auf Ersatz der Differenz zwischen Verkehrswert der Wohnung und anteiligem Kaufpreis (abzüglich ersparter Kosten) gerichteten Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 249 BGB nicht entgegen. Das Landgericht ist der Ansicht, wenn – wie hier – das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werde, sei dem vorkaufsberechtigten Mieter nur der durch eine Verdrängung aus der Mietwohnung entstehende Schaden zu ersetzen. Dagegen stelle der Umstand, dass zwischen den Kaufvertragsparteien ein niedriger Kaufpreis vereinbart worden sei, anders als bei der Nichterfüllung eines durch ein ausgeübtes Vorkaufsrecht zwischen den Mietparteien zustande gekommenen Kaufvertrags, keinen ersatzpflichtigen Vermögensschaden dar. Hierbei verengt das Landgericht Hamburg den Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts des Mieters nach § 577 BGB entgegen dem in den Gesetzesmaterialien und auch in der genannten Bestimmung selbst zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers.

Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage, ob sich aus dem Schutzzweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts des Mieters Einschränkungen hinsichtlich der Ersatzfähigkeit der dem Mieter entstandenen Vermögenseinbußen ergeben, bereits im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen wegen nachträglicher Unmöglichkeit des mit der Ausübung des Vorkaufsrechts zwischen Mieter und Vermieter begründeten Kaufvertrags befasst. Dabei hat er dem Zweck des in § 570b BGB aF (heute § 577 BGB) geregelten Vorkaufsrechts, den Schutz der Mieter vor spekulativen Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und deren Veräußerung an Dritterwerber zu verstärken, keine Beschränkung des Anspruchs nach § 325 BGB aF (heute § 280 Abs. 1, 3, § 283 BGB) auf den Schaden entnommen, den der Mieter infolge einer Verdrängung aus der gemieteten Wohnung erleidet; vielmehr hat der Bundesgerichtshof dem Mieter, dem die Wohnung vom Vermieter nach Ausübung des Vorkaufsrechts nicht übereignet worden war, einen Anspruch auf Ersatz der Wertdifferenz zwischen Verkehrswert und vereinbartem Kaufpreis zugesprochen. Maßgebend dafür war die Überlegung, dass das Gesetz den Schutz des Mieters durch dessen Berechtigung realisiert, bei Eintritt des Vorkaufsfalls einen Kaufvertrag zwischen sich und dem Verkäufer zustande zu bringen, und dass der Mieter – wenn der Verkäufer die sich daraus ergebende Übereignungspflicht nicht erfüllt – nach allgemeinem Schuldrecht Schadensersatz in Höhe des Erfüllungsinteresses beanspruchen kann12.

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Diese Grundsätze lassen sich auch auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen, in der zwar kein Kaufvertrag zwischen den Mietvertragsparteien begründet, gleichwohl aber das durch § 577 BGB gewährleistete Erfüllungsinteresse des Mieters verletzt worden ist. Das Landgericht Hamburg, das dies anders sieht, verkehrt den von § 577 BGB angestrebten Schutz des Mieters in sein Gegenteil.

Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des gesetzlichen Vorkaufsrechts des Mieters für den Fall des erstmaligen Verkaufs einer in Wohnungseigentum umgewandelten Mietwohnung (§ 570b BGB aF; § 577 BGB) vor allem die Absicht verfolgte, den Mieter vor spekulativen Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen mit anschließender Veräußerung an Dritterwerber zu schützen16. Darin erschöpft sich der Schutzzweck dieser Regelung jedoch nicht. Vielmehr war dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien auch daran gelegen, dem Mieter die Möglichkeit zu eröffnen, die Wohnung zu einem Kaufpreis zu erwerben, den auch ein Dritter für die Wohnung zu zahlen bereit ist17.

Hätte die Absicht des Gesetzgebers allein darin bestanden, den Mieter vor einer Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigung des Dritterwerbers zu schützen, hätte er dieses Anliegen schon durch einen zeitweisen Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit des Erwerbers (vgl. § 577a BGB) verwirklichen können. Dass er stattdessen das Instrument des Vorkaufsrechts gewählt hat, belegt seine Zielsetzung, dem Mieter die Wohnung nicht nur zur Nutzung zu erhalten, sondern dessen Interesse an einem Erwerb der Wohnung, insbesondere wenn dieser aus seiner Sicht günstig ist, zu schützen. Denn das Wesen eines Vorkaufsrechts liegt gerade darin, dass der Vorkaufsberechtigte bei Ausübung des Vorkaufsrechts und bei Erfüllung des dadurch begründeten Kaufvertrags in die Lage versetzt wird, an den zwischen Vorkaufsverpflichtetem und Drittem ausgehandelten Konditionen zu partizipieren. Durch die Verweisung in § 577 Abs. 1 Satz 3 BGB auf die Bestimmungen zum Vorkaufsrecht (§§ 463 ff. BGB) wird dem Mieter im Wesentlichen die gleiche Rechtsstellung eingeräumt wie einem sonstigen Vorkaufsberechtigten. Er hat damit gemäß § 577 Abs. 1 Satz 3, § 464 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, allein durch eine Erklärung gegenüber seinem Vermieter einen Kaufvertrag mit diesem zu den Bedingungen zustande zu bringen, die dieser mit dem Dritten vereinbart hat.

Das Interesse des Mieters an der Verwirklichung seines Vorkaufsrechts wird aber nicht nur dann verletzt, wenn der durch Ausübung des Vorkaufsrechts zustande gekommene Kaufvertrag vom Vermieter wegen anfänglicher oder nachträglicher Unmöglichkeit der Eigentumsverschaffung nicht vollzogen wird, sondern auch dann, wenn – wie hier die Vermieterin – der Mitteilungsverpflichtete den Mieter so spät vom Verkaufsfall und dem Vorkaufsrecht unterrichtet, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts im Hinblick auf die bereits erfolgte Übereignung an einen Dritten leerliefe. Denn auch die Mitteilungspflichten nach § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 BGB, § 577 Abs. 2 BGB dienen – wie bereits ausgeführt – dazu, das Erfüllungsinteresse des Vorkaufsberechtigten zu sichern; dieser wird erst durch die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalls (und durch die Belehrung über seine Vorkaufsberechtigung) in die Lage versetzt, sein Vorkaufsrecht auszuüben und damit seinen Erfüllungsanspruch zu begründen18. Er kann daher auch in diesen Fällen Anspruch auf Ersatz der Differenz zwischen Kaufpreis und Wert der Wohnung haben19. Ob eine andere Beurteilung in den Fällen geboten ist, in denen der Mieter die Wohnung nicht zur Eigennutzung, sondern von vornherein zur Weiterveräußerung erwerben will20 kann hier dahinstehen. Denn eine solche Konstellation ist vorliegend nicht gegeben.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Januar 2015 – VIII ZR 51/14

  1. abzüglich im Falle des Erwerbs der Wohnung angefallener Kosten[]
  2. Fortführung von BGH, Urteil vom 15.06.2005 – VIII ZR 271/04, NJW-RR 2005, 1534[]
  3. LG Hamburg, Urteil vom 16.01.2014 – 334 S 37/13[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 14.12 2001 – V ZR 212/00 16 [zu § 510 Abs. 1 BGB aF, heute § 469 Abs. 1 BGB] mwN[]
  5. BGH, Urteil vom 14.12 2001 – V ZR 212/00, aaO[]
  6. vgl. OLG Celle, ZMR 2008, 119[]
  7. BGH, Urteile vom 26.03.1999 – V ZR 368/97, BGHZ 141, 179, 181 f.; vom 15.06.2005 – VIII ZR 271/04, NJW-RR 2005, 1534 unter – II 3[]
  8. BGH, Urteile vom 26.03.1999 – V ZR 368/97, aaO S. 182 f. mwN; vom 15.06.2005 – VIII ZR 271/04, aaO[]
  9. vgl. BGH, Urteile vom 17.01.2003 – V ZR 137/02, WuM 2003, 281 unter – II 2 a aa, und – V ZR 127/02 21 f. [jeweils zur Haftung aus pVV][]
  10. vgl. BGH, Urteile vom 14.12 2001 – V ZR 212/00, aaO Rn. 16; vom 15.06.2005 – VIII ZR 271/04, aaO unter – II 4 [zur Vorgängerregelung des § 325 BGB aF][]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 14.12 2001 – V ZR 212/00, aaO[]
  12. BGH, Urteil vom 15.06.2005 – VIII ZR 271/04, aaO[][]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2003 – V ZR 137/02, aaO unter – II 2 b bb[]
  14. BGH, Urteile vom 17.01.2003 – V ZR 137/02, aaO, und – V ZR 127/02, aaO Rn. 28; jeweils mwN[]
  15. LG Hamburg, a.a.O.[]
  16. BT-Drs. 12/3013, S. 18; 12/3254, S. 40[]
  17. BT-Drs. 12/3013, aaO; 12/3254, aaO[]
  18. vgl. BGH, Urteil vom 14.12 2001 – V ZR 212/00, aaO mwN [zu § 510 BGB aF, heute § 469 BGB][]
  19. so auch Kinne in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 7. Aufl., § 577 BGB Rn. 24; wohl auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. – XI 283 f.[]
  20. so AG Hamburg, WuM 1996, 477; Münch-KommBGB/Häublein, 6. Aufl., § 577 Rn. 22; Staudinger/Rolfs, Neubearb.2014, § 577 Rn. 58; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 577 BGB Rn. 45[]

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