Der Fahrradfahrer als Geisterfahrer

Kollidiert ein rechtsabbiegender Autofahrer mit einem ihm entgegenkommenden, also auf der falschen Straßenseite fahrenden Radfahrer, den er allerdings vorher bemerken konnte, so haftet der Fahrradfahrer nicht für den vollen Schaden des Autofahrers. Nach Ansicht des Amtsgerichts München haftet der Fahrradfahrer in einem solchen Fall nur zu einem Drittel, der Autofahrer hat
seinen Schaden zu zwei Drittel selbst zu tragen.

Der Fahrradfahrer als Geisterfahrer

In dem vom Amtsgericht München entschiedenen Rechtsstreit wollte ein Autofahrer Ende August 2008 mit seinem PKW Mercedes Benz E 220 aus der Birkerstraße in München rechts in die Arnulfstraße abbiegen. Dabei kam ihm eine Radfahrerin entgegen, die auf dem Radweg in falscher Richtung unterwegs war. Der Autofahrer sah die Radfahrerin. Nachdem er aber noch 200 Meter entfernt war, ließ er sein Auto leicht anrollen und blickte nach hinten. Beim Abbiegen kam es dann zu einer Kollision. Dabei wurden beim PKW die Stoßstange, der Kotflügel und die Türe links verschrammt, was Reparaturkosten in Höhe von 2536 € verursachte.

Diese Kosten verlangte der Autofahrer von der Radfahrerin. Diese wollte allerdings nicht bezahlen, denn schließlich habe, so ihre Argumentation, der Autofahrer ihre Vorfahrt missachtet. Auf die Klage des Autofahrers gab ihm das Amtsgericht München nur zum Teil Recht:

Grundsätzlich sei bei einem Verkehrsunfall mit einem Kraftfahrzeug zulasten des Autofahrers die Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die von seinem Auto ausgehe. Auf der anderen Seite habe die Fahrradfahrerin aber unstreitig den Radweg in der falschen Richtung benutzt und dadurch zum Unfallgeschehen beigetragen.

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Weiter sei zu berücksichtigen, dass das Verkehrszeichen „Vorfahrt gewähren“ grundsätzlich allen Verkehrsteilnehmern auf der bevorrechtigten Straße den Vorrang gewähre, also auch Radfahrern, die aus der falschen Richtung kämen.
Hinzu käme noch, so das Amtsgericht in seinen Urteilsgründen, dass der Autofahrer die Radfahrerin schon kommen sah. Er hätte sie also im Auge behalten und vor dem Abbiegen noch einmal in ihre Richtung schauen müssen. Dann hätte er gesehen, dass sie schon näher war, als erwartet.

Allerdings hätte auch die Fahrradfahrerin nicht einfach weiterfahren dürfen, wenn sie das Auto abbiegen sieht.
Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte sei daher eine Haftung in Höhe von einem Drittel für die Radfahrerin angemessen. Zwei Drittel müsse der Autofahrer selber tragen. Er bekam daher vom Amtsgericht München 845 € zugesprochen.

Amtsgericht München, Urteil vom 5. Juni 2009 – 343 C 5058/09 (rechtskräftig)