Es gehört zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung innerhalb der laufenden Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht.

Aufgrund des verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) darf einem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Verfahrensbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – auch des Bundesgerichtshofs – gehört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht2. In einer Familienstreitsache ist die Begründung der Beschwerde beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung der Frist, über die der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet. Die schuldhafte Verkennung dieser eindeutigen Gesetzeslage ist dem Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
Selbst wenn sich die Akten mit der eingelegten Beschwerde noch beim Ausgangsgericht befinden, ist die Beschwerdebegründung oder ein entsprechender Verlängerungsantrag in Ehe- und Familienstreitsachen nach § 117 Abs. 1 FamFG beim Beschwerdegericht einzureichen. Auch darüber konnte bei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kein Zweifel bestehen3.
An einen mit der Beschwerdeeinlegung betrauten Rechtsanwalt sind hinsichtlich der Ermittlung des für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen4. Denn die Klärung der Zuständigkeit fällt in seinen Verantwortungsbereich. Er ist daher gehalten, die Rechtsmittelschrift und insbesondere die Empfangszuständigkeit des darin bezeichneten Adressaten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen5. Dieselben Maßstäbe gelten für die Einreichung der Rechtsmittelbegründung und eines darauf bezogenen Fristverlängerungsantrags. Bei der Unterzeichnung eines solchen Antrags hat der Rechtsanwalt den von der Kanzleiangestellten vorbereiteten Entwurf auf seine Richtigkeit, insbesondere auf korrekte Adressierung hin zu überprüfen.
Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten entfällt nicht dadurch, dass die Abteilungsrichterin des Familiengerichts eine Fristverlängerung bewilligt hat und dies der Kanzleiangestellten der Bevollmächtigten auf deren telefonische Nachfrage mitgeteilt worden ist. Der daraus bei der Kanzleiangestellten entstandene Irrtum, welcher sie letztlich zur Streichung der Frist im Fristenkalender veranlasst hat, lässt die Fristversäumung nicht als unverschuldet erscheinen, weil er eine schlichte Folgewirkung der von der Verfahrensbevollmächtigten persönlich zu vertretenden Fehladressierung ist.
Auch wenn die Verfahrensbevollmächtigte vor Fristablauf von der Fristverlängerung durch das Familiengericht erfahren hätte, hätte sie auf deren Wirksamkeit nicht vertrauen dürfen.
Anspruch auf ein faires Verfahren
Nach der auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsuchender allerdings darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird6. Das ist im vorliegenden Fall geschehen. Der am 15.01.2013 nach Dienstschluss eingegangene Verlängerungsantrag hat der Geschäftsstelle am 16.01.2013 vorgelegen. Dies bewegt sich im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs7.
Dass die Abteilungsrichterin irrtümlich verfügt hat, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8.02.2013 gewährt werde, hat den ansonsten ordentlichen Geschäftsgang nur um einen Tag verzögert. Ohne diese Verzögerung wäre die Aktenübersendung am Montag, den 21.01.2013, von der Geschäftsstelle veranlasst worden. Auch in diesem Fall wäre sie nicht mehr rechtzeitig am selben Tag, an dem auch die Frist ablief, beim Oberlandesgericht eingegangen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. August 2014 – XII ZB 155/13
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.06.2008 – XII ZB 184/07 , FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 29.06.2011 – XII ZB 691/10 6; und vom 19.09.2012 – XII ZB 221/12 7, 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.06.2011 – XII ZB 468/10 , FamRZ 2011, 1389 Rn. 10[↩]
- vgl. etwa BGH, Beschluss vom 03.11.2010 – XII ZB 197/10 , FamRZ 2011, 100 Rn.19 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 19.09.2012 – XII ZB 221/12 7, 9; BGH Beschlüsse vom 14.10.2010 – VIII ZB 20/09 , NJW 2011, 683 Rn. 16; und vom 12.04.2010 – V ZB 224/09 , NJW-RR 2010, 1096 Rn. 12 mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 23.05.2012 – XII ZB 375/11 , FamRZ 2012, 1205 Rn. 26; und vom 15.06.2011 – XII ZB 468/10 , FamRZ 2011, 1389 Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2013 – XII ZB 394/12 , FamRZ 2013, 1384 Rn. 23[↩]