Bei der Beurteilung, ob ein Fehler für die Versäumung einer Frist ursächlich geworden ist, darf kein weiteres, nicht aufgetretenes Fehlverhalten hinzugedacht werden, sondern es ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen.

Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen1. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist ist deswegen im Gegensatz zur Berufungsfrist nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen2.
Die mangelhafte Organisation des Fristenwesens war für die Fristversäumung ursächlich. Wäre die Vorfrist im Fristenkalender eingetragen worden, so hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten die Berufungsbegründungsfrist gewahrt. Die Eintragung der Vorfrist bietet eine zusätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn, wie hier, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist versehentlich unterblieben ist3.
Es kann auch nicht unterstellt werden, dass die Kanzleiangestellte des Prozessbevollmächtigten des Beklagten bei bestehender Anweisung auch vergessen hätte, eine Vorfrist einzutragen. Für die Beurteilung, ob ein Organisationsfehler für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist, ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen und darf kein weiterer Fehler hinzugedacht werden. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs 25. Juni 19974 ergibt sich nichts anderes. Im dort entschiedenen Fall hatte die Kanzleiangestellte nicht nur vergessen, eine Vorfrist zu notieren, sondern sie hatte überhaupt keine Frist notiert und weitere zur Fristkontrolle angeordnete Schritte unterlassen. Dies ist mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen, bei dem mehrere Fristen (Berufungsfrist, Vorfrist und Berufungsbegründungsfrist) gleichzeitig zu vermerken gewesen wären und aus Unachtsamkeit die Notierung einer Frist unterblieben ist.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. Januar 2012 – II ZB 3/11
- BGH, Beschluss vom 08.02.2010 – II ZB 10/09, MDR 2010, 533 Rn. 7; Beschluss vom 22.03.2011 – II ZB 19/09, NJW 2011, 1598 Rn. 12, beide m.w.N.[↩]
- BGH, Beschluss vom 15.08.2007 XII ZB 82/07, NJW-RR 2008, 76 Rn. 14 m.w.N.[↩]
- vgl. zur Kausalität BGH, Beschluss vom 13.07.2010 VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 9 und 12; Beschluss vom 22.03.2011 II ZB 19/09, NJW 2011, 1598 Rn. 14[↩]
- BGH, Beschluss vom 25.06.1997 – XII ZB 61/97, NJW-RR 1997, 1289[↩]