Die Beseitigung einer Einfriedigung, deren Beschaffenheit den Vorschriften des Landesnachbarrechts entspricht, kann selbst dann nicht verlangt werden, wenn die Art der Einfriedigung ästhetisch unschön und sonst nirgends vertreten ist (hier: eine 2 Meter hohe Leitplankenkonstruktion).

Nach § 1004 BGB i.V.m. §§ 35, 50 NachbG NRW kann der Eigentümer des Nachbargrundstücks Beseitigung einer Einfriedigung verlangen, wenn Vorschriften des nordrheinwestfälischen Nachbarrechtsgesetzes über deren Beschaffenheit verletzt werden.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 NachbG NRW muss eine Einfriedigung ortsüblich sein. Die Bestimmung greift nur ein, wenn der eine von dem anderen Nachbarn die Einfriedigung an der gemeinsamen Grenze verlangt (§ 32 Abs. 1 Satz 1 NachbG NRW). Dieses Verlangen hat die Beklagte gestellt. Sie hat mit Schriftsatz vom 27.01.2012 von den Klägern die Einfriedigung mit einem – nach ihrer Ansicht ortsüblichen Gitterzaun oder, falls sich eine ortsübliche Einfriedigung nicht feststellen lässt, mit einer anderen 1,20 m hohen Einfriedigung gefordert.
Maßgeblich für die Ortsüblichkeit sind die tatsächlich bestehenden Verhältnisse in dem zum Vergleich heranzuziehenden Gebiet im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, dass ein Grundstückseigentümer gemäß § 32 Abs. 1, § 35 Abs. 1 NachbG NRW von seinem Nachbarn die Errichtung einer ortsüblichen Einfriedigung verlangt, somit auch dann, wenn – wie hier – in einem Rechtsstreit darüber zu entscheiden ist, ob die Beseitigung einer auf dem Nachbargrundstück bereits vorhandenen Einfriedigung verlangt werden kann1.
Dabei sind Feststellungen zu dem hier maßgeblichen Vergleichsgebiet sowie dazu, welche Beschaffenheit von Einfriedigungen dort üblich ist sind unerlässlich für die Beantwortung der Frage, ob die Leitplankenkonstruktion ortsüblich ist oder nicht. Der bloße Hinweis, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im Wohnumfeld der Parteien derartige Einfriedigungen zu finden seien, reicht nicht aus. Denn die Verneinung der Ortsüblichkeit setzt zwingend voraus, dass es eine ortsübliche Einfriedigung gibt. Lässt sich eine solche nicht feststellen, kann es keine Einfriedigung geben, die nicht ortsüblich ist. Ein Anspruch der Beklagten gegen die Kläger auf Beseitigung der Leitplankenkonstruktion wegen deren Ortsunüblichkeit scheidet aus. Vielmehr kommt dann die Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 2 NachbG NRW zur Anwendung, nach der eine etwa 1,20 m hohe Einfriedigung zu errichten ist. Nur auf Einhaltung dieser Bestimmung hat die Beklagte einen Anspruch. Denn der Beseitigungsanspruch ist in einem solchen Fall selbst dann ausgeschlossen, wenn die Art der Einfriedigung ästhetisch unschön und sonst nirgends vertreten ist2.
Das Gericht muss daher aufklären, welches das für die Beurteilung der Ortsüblichkeit maßgebliche Vergleichsgebiet ist, und ob dort Einfriedigungen mit einer bestimmten Beschaffenheit üblich sind.
Lässt sich letzteres feststellen, muss das Gericht prüfen, ob die Leitplankenkonstruktion dieser Beschaffenheit entspricht. Ist dies der Fall, scheidet ein Beseitigungsanspruch der Grundstücksnachbarn aus. Ist dies nicht der Fall, begründet das allein noch keinen Beseitigungsanspruch. Hinzu kommen muss, dass die Konstruktion das Erscheinungsbild einer ortsüblichen Einfriedigung wesentlich stört1. Ob das so ist, muss das Gericht ebenfalls aufklären.
Lässt sich eine ortsübliche Einfriedigung nicht feststellen, kommt die Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 2 NachbG NRW zur Anwendung. Danach ist eine etwa 1,20 m hohe Einfriedigung zu errichten. Das lässt das Beibehalten der Leitplankenkonstruktion zu. Jedoch kann der Grundstücksnachbar die Änderung der Höhe der Konstruktion auf die im Gesetz vorgegebene Höhe verlangen, allerdings nur – ähnlich wie bei dem Beseitigungsanspruch – wenn die derzeitige Höhe von ca. 2 m wesentlich von der im Vergleichsgebiet üblichen Höhe von Einfriedigungen abweicht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Januar 2014 – V ZR 292/12