Erspart im Sinne von § 648 Satz 2 BGB sind diejenigen Aufwendungen, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und die er infolge der Kündigung nicht mehr tätigen muss1. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer die in Rede stehenden Aufwendungen in seine Preiskalkulation einbezogen und ob er die Kalkulation gegenüber dem Besteller offengelegt hat. Aus den unionsrechtlichen Regeln über die Festlegung und Angaben von Flugpreisen für innergemeinschaftliche Flugdienste ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag ein Fall aus dem bayerischen Memmingen zugrunde: Der Kunde war am 23.09.2020 auf einen von der Fluggesellschaft durchzuführenden Flug von Memmingen nach Chania (Kreta) gebucht. Für das Flugticket bezahlte er 27, 30 €. Den Flug trat er nicht an. Nach der Stornierung verlangte er von der Fluggesellschaft erfolglos die Erstattung des auf Steuern, Gebühren und Entgelte entfallenden Anteils des Buchungspreises in Höhe von 18, 41 €.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Memmingen hat die Fluggesellschaft antragsgemäß zur Zahlung von 18, 41 € nebst Zinsen verurteilt2. Die dagegen gerichtete Berufung der Fluggesellschaft ist vor dem Landgericht Memmingen erfolglos geblieben3. Der Bundesgerichtshof wies nun auch die hiergegen gerichtete; vom Landgericht Memmingen zugelassenen Revision als unbegründet zurück:
Ein Personenbeförderungsvertrag unterliegt den Vorschriften über den Werkvertrag4. Soweit nichts anderes vereinbart ist5, kann ein Fluggast daher nach § 648 Satz 1 BGB den Beförderungsvertrag jederzeit kündigen. Die Kündigung hat nach § 648 Satz 2 BGB zur Folge, dass das Luftverkehrsunternehmen als Werkunternehmer zwar berechtigt bleibt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, sich aber dasjenige anrechnen lassen muss, was es infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kunde den Beförderungsvertrag durch Nichtantritt des Fluges konkludent gekündigt. Diese Beurteilung lässt für den Bundesgerichtshof keinen Rechtsfehler erkennen.
Zu Recht hat das Landgericht Memmingen entschieden, dass sich ein Luftverkehrsunternehmen ersparte Aufwendungen gemäß § 648 Satz 2 BGB auch dann anrechnen lassen muss, wenn es sie nicht in die Kalkulation des Endpreises einbezogen hat.
Erspart im Sinne von § 648 Satz 2 BGB sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und die er infolge der Kündigung nicht mehr tätigen muss6.
Der Wortlaut des Gesetzes differenziert nicht danach, ob der Unternehmer die in Rede stehenden Aufwendungen in seine Preiskalkulation einbezogen und ob er die Kalkulation gegenüber dem Besteller offengelegt hat.
Eine solche Differenzierung ist auch nach dem Sinn und Zweck von § 648 Satz 2 BGB nicht geboten.
Die Regelung in § 648 Satz 2 BGB dient dem Zweck, einen ausgewogenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Falle einer Kündigung ohne besonderen Grund zu gewährleisten. Zu diesem Interessenausgleich gehört es, den Unternehmer vor Nachteilen aufgrund der Kündigung zu bewahren7. Umgekehrt erschiene es inkonsequent, wenn der Unternehmer aufgrund der Kündigung einen Vorteil erlangen könnte, der ihm bei Erfüllung des Vertrags nicht entstanden wäre8.
Vor diesem Hintergrund muss sich der Unternehmer Aufwendungen, die ihm bei Erfüllung des Vertrags entstanden wären, aufgrund der Kündigung aber nicht angefallen sind, anrechnen lassen, und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Weise er sie in seine Preiskalkulation einbezogen hat.
Aufwendungen, die bei Erbringung der Leistung anfallen, führen auch dann zu einer Vermögenseinbuße des Unternehmers, wenn sie nicht in die Kalkulation eingeflossen sind. Unabhängig von der konkreten Kalkulationsweise steht dem Unternehmer bei Erfüllung des Vertrags nur die vereinbarte Vergütung zu. Der hieraus erzielbare Gewinn wird durch die tatsächlich anfallenden Aufwendungen bestimmt. Ob und inwieweit diese in die Kalkulation eingeflossen sind, hat hierauf keinen Einfluss. Wenn der Unternehmer nach der Kündigung die gesamte vereinbarte Vergütung behalten dürfte, obwohl er Aufwendungen erspart hat, stünde er mithin besser als bei Durchführung des Vertrags. Dies widerspricht der Zielsetzung von § 648 Abs. 2 BGB.
Entgegen der Auffassung der Fluggesellschaft führt ihr Vortrag, sie kalkuliere ihre Flugpreise in der Erwartung, zusätzliche Umsätze mit dem Verkauf von Speisen und Getränken während des Fluges oder der Vermittlung eines Mietwagens oder einer Unterkunft am Zielort zu erzielen, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Wie auch die Fluggesellschaft im Ansatz nicht verkennt, hat das Luftfahrtunternehmen aufgrund der Flugbuchung keinen gesicherten Anspruch auf Abschluss solcher Zusatzgeschäfte. Daraus erzielte Umsätze und Gewinne lassen sich deshalb – anders als Aufwendungen der im Streitfall in Rede stehenden Art – nicht einem konkreten Vertrag oder einem konkreten Fluggast zuordnen. Deshalb besteht kein Raum für eine Schätzung der aufgrund der Kündigung möglicherweise entgangenen zusätzlichen Einnahmen.
Aus den unionsrechtlichen Regeln über die Festlegung und Angaben von Flugpreisen für innergemeinschaftliche Flugdienste ergibt sich ebenfalls keine abweichende Beurteilung.
Nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 vom 24.09.2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft9 können Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft ihre Flugpreise und Frachtraten für innergemeinschaftliche Flugdienste grundsätzlich frei festlegen.
Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung muss bei der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreisen stets der zu zahlende Endpreis ausgewiesen werden. Nach Satz 3 sind ferner die einzelnen Teilbeträge anzugeben, aus denen sich der Endpreis zusammensetzt, und zwar aufgeschlüsselt nach dem Flugpreis, den Steuern, den Flughafengebühren und den sonstigen Gebühren, Zuschlägen und Entgelten. Das Luftfahrtunternehmen darf die genannten Nebenkosten nicht in den Flugpreis einbeziehen. Soweit es sie an den Fluggast weitergibt, muss es sie vielmehr separat als Bestandteil des Endpreises ausweisen10.
Diese Vorschriften betreffen lediglich die Preiskalkulation und deren Offenlegung gegenüber dem Fluggast. Sie regeln nicht die Frage, welche beiderseitigen Rechte und Pflichten bestehen, wenn der Fluggast von einem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch macht.
Auf den von der Fluggesellschaft in den Vorinstanzen geltend gemachten Gegenanspruch auf Zahlung einer Verwaltungsgebühr11 stützt sie sich im Revisionsverfahren nicht mehr.
Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV besteht aus Sicht des Bundesgerichtshofs kein Anlass. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bereits entschieden, dass die Regelung in Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 allein Informations- und Transparenzpflichten statuiert12. Daraus folgt, dass die Frage, welche Rechte und Pflichten den Vertragsparteien nach einer wirksamen Kündigung zustehen, nach nationalem Recht zu beurteilen ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. August 2023 – X ZR 118/22
- Bestätigung von BGH, Urteil vom 24.03.2016 – VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 = NJW 2016, 2944 Rn. 26[↩]
- AG Memmingen, Urteil vom 28.01.2022 – 11 C 781/21[↩]
- LG Memmingen, Urteil vom 28.09.2022 – 13 S 249/22[↩]
- BGH, Urteil vom 20.03.2018 – X ZR 25/17, NJW 2018, 2039 Rn. 18; Urteil vom 16.02.2016 – X ZR 97/14, NJW 2016, 2404 Rn. 14[↩]
- dazu BGH, Urteil vom 20.03.2018 – X ZR 25/17, NJW 2018, 2039 Rn. 23 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2016 – VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278 = NJW 2016, 2944 Rn. 26[↩]
- BGH, Urteil vom 12.07.2007 – VII ZR 154/06, NJW 2007, 3423 Rn. 18[↩]
- vgl. nur Staudinger/Peters (2019), BGB, § 648 Rn. 32[↩]
- ABl. L 293, S. 3[↩]
- EuGH, Urteil vom 06.07.2017 – C290/16, GRUR 2018, 305 = RRa 2017, 225 Rn. 27 ff.[↩]
- zu solchen Gebühren vgl. BGH, Beschluss vom 21.04.2016 – I ZR 220/14, GRUR 2016, 716 – Flugpreise; EuGH, Urteil vom 06.07.2017 – C290/16, GRUR 2018, 305 Rn. 37 ff.[↩]
- EuGH, Urteil vom 06.07.2017 – C290/16, GRUR 2018, 305 Rn. 30[↩]
Bildnachweis:
- Flugzeug: Fabian Wüst