Mit dem Vorliegen eines Gehörsverstoßes in einem Schadensersatzprozess hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat. Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingegangen ist, sofern er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert gewesen ist1.
So liegt es hier. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe den Beklagten zu 2 auffordern müssen, von dem „gefährlichen Plan“ Abstand zu nehmen, setzt die Kenntnis des Beklagten zu 1 davon voraus, dass die Förderbänder der Kastenwendeanlage in der vom Berufungsgericht als grob fahrlässig angesehenen Art und Weise, die das Berufungsgericht gerade in dem Transportversuch mittels Handhubwagen gesehen hat, umgesetzt werden sollten. Insoweit verweist die Beschwerde zu Recht auf den Vortrag der Beklagten, wonach am Unfalltag zunächst versucht worden sei, mittels eines Gabelstaplers – vom Berufungsgericht selbst als sichere Transportmöglichkeit bezeichnet – die Anlagenteile umzusetzen, was jedoch nur hinsichtlich des eigentlichen Kastenwenders gelungen sei. Die anderen Teile seien für den zur Verfügung stehenden Stapler zu schwer gewesen. Man sei deshalb dazu übergegangen, die Förderbänder mittels zweier Hubwagen zu versetzen.
Aus den Erwägungen des Berufungsgerichts ergibt sich eindeutig, dass es dieses – nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts unstreitige – Vorbringen aus dem Blick verloren hat. Anders lässt sich die Auffassung des Berufungsgerichts nicht erklären, der – nicht vor Ort befindliche – Beklagte zu 1 habe den Beklagten zu 2 auffordern müssen, von dem gefährlichen Plan Abstand zu nehmen, obwohl dieser erst vor Ort in Reaktion auf das Fehlschlagen des ersten Transportversuchs gefasst wurde. Dass ein solches Vorgehen bereits vorab auch vom Beklagten zu 1 als mögliche Variante ins Auge gefasst oder am Tag des Unfalls dem Beklagten zu 1 vom Beklagten zu 2 vorgeschlagen worden wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe den Beklagten zu 2 in seinem Vorgehen bestärkt, findet daher in den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Stütze.
Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht ein grob fahrlässiges Handeln des Beklagten zu 1 bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens verneint hätte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Juli 2023 – VI ZR 256/22
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11.05.2021 – VI ZR 1206/20, VersR 2022, 267 Rn. 13 mwN[↩]