Der Aufhebungsgrund des § 4c Nr. 4 InsO reicht so weit wie der Versagungsgrund des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Entsprechend § 296 Abs. 1 S. 1 InsO kann die Stundung nach § 4c Nr. 4 InsO nur aufgehoben werden, wenn der Schuldner es schuldhaft unterlassen hat, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der „angemessenen Erwerbstätigkeit“ und der „zumutbaren Tätigkeit“ sind nicht in Anlehnung an das Unterhaltsrecht und das Sozialrecht auszulegen.

Nach § 4c Nr. 4 Fall 2 InsO kann das Insolvenzgericht die zuvor gemäß § 4a InsO gewährte Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens aufheben, wenn der Schuldner, der ohne Beschäftigung ist, sich nicht um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht, es sei denn, es trifft ihn hieran kein Verschulden. Dieser Aufhebungsgrund ist der Regelung des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachgebildet. Er reicht soweit wie dieser Versagungsgrund1.
Zu den objektiven Anforderungen an die Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit gemäß § 4c Nr. 4, § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass von einem Schuldner nicht gefordert werden kann, er müsse sich, um seinen Obliegenheiten aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO gerecht zu werden, 20 bis 30mal im Monat bewerben, wie es teilweise die Familiengerichte von den Unterhaltspflichtigen minderjähriger unverheirateter und ihnen gleichgestellter volljähriger Kinder verlangen2. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der „angemessenen Erwerbstätigkeit“ oder der „zumutbaren Tätigkeit“ werden nicht vom Sozialrecht her bestimmt. Anders als bei der Auslegung des Begriffs der zumutbaren Beschäftigung im Sozialrecht geht es bei der Prüfung des Versagungsgrundes nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO – und damit auch bei der Prüfung des Aufhebungsgrundes nach § 4c Nr. 4 InsO – nicht um die Abwägung der Interessen des Erwerbslosen mit denen der Gesamtheit der Beitrags- oder Steuerzahler, sondern um die Abwägung der Schuldnerinteressen mit denen einer vergleichsweisen geringen Zahl privater Gläubiger, die in ungleich höherem Maße auf die aus der Erwerbstätigkeit fließenden Einkünfte gerade des Schuldners angewiesen sein können3.
Deswegen ist die Eingliederungsvereinbarung des Schuldners mit der Stadt Jena vom 01.09.2010 und die dort vereinbarten vier Bewerbungsbemühungen je Monat nicht als ausreichend anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat in der bereits zitierten Entscheidung vom 19.05.20114 im Rahmen des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO vom Schuldner verlangt, dass er im Regelfall bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet ist und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern hält. Weiter muss er sich selbst aktiv und ernsthaft um eine Arbeitsstelle bemühen, etwa durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen. Als ungefähre Richtgröße hat der Bundesgerichtshof zwei bis drei Bewerbungen in der Woche angegeben, sofern entsprechende Stellen angeboten werden. Auch diesen Anforderungen kam der Schuldner mit seinen monatlich nur vier Bewerbungen nicht nach.
Allerdings ist innerhalb von § 4c Nr. 4 InsO für die Aufhebung einer Stundungsbewilligung wegen Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO entsprechend anzuwenden ist5. Hierzu hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass der Schuldner in der Lage gewesen wäre, eine Stelle zu finden, die es ihm ermöglicht hätte, Einkünfte oberhalb der Pfändungsfreigrenze zu erzielen, so dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt ist6. Jedoch hat es nicht geprüft, ob der Schuldner die ihm obliegenden Bemühungen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit schuldhaft unterlassen hat. Dazu bestand jedoch Anlass, nachdem der Schuldner die Eingliederungsvereinbarung mit der Stadt Jena vom 01.09.2010 vorgelegt hatte, wonach er gegenüber der Stadt nur vier Bewerbungsbemühungen pro Monat nachweisen musste. Im Hinblick auf den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Stundungsentscheidung durch das Insolvenzgericht und der Eingliederungsvereinbarung des Schuldners mit der Stadt Jena musste es sich dem Schuldner nicht aufdrängen, dass die Bewerbungsbemühungen, zu denen er sich gegenüber der Stadt Jena zum Erhalt der Sozialleistungen verpflichtet hatte, im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens und damit auch im Rahmen des Stundungsverfahrens nicht ausreichten. Deshalb hätte die Stundung nicht aufgehoben werden dürfen, ohne dem Schuldner Gelegenheit zu geben, seine Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit entsprechend zu verstärken.
Ebenso hat die Rechtsbeschwerde Erfolg, soweit der Insolvenzantrag des Schuldners mangels Masse abgewiesen worden ist (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO). Bleibt es bei der Stundung der Verfahrenskosten, hat dies zur Folge, dass die Kosten des Verfahrens gedeckt sind und das Insolvenzverfahren durchzuführen ist, wenn ein Eröffnungsgrund vorliegt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. September 2012 – IX ZB 191/11
- vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2009 – IX ZB 160/09, ZInsO 2009, 2210 Rn. 13; vom 22.04.2010 – IX ZB 253/07, ZInsO 2010, 1153 Rn. 8; vom 02.12.2010 – IX ZB 160/10, ZInsO 2011, 147 Rn. 7[↩]
- BGH, Beschluss vom 19.05.2011 – IX ZB 224/09, ZInsO 2011, 1301 Rn. 17[↩]
- vgl. Jaeger/Eckardt, InsO, § 4c Rn. 49 ff[↩]
- BGH, aaO Rn. 17[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.10.2009 – IX ZB 160/09, ZInsO 2009, 2210 Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2009, aaO Rn. 14; vom 22.04.2010 – IX ZB 253/07, ZInsO 2010, 1153 Rn. 8; vom 02.12.2010 – IX ZB 160/10, ZInsO 2011, 147 Rn. 7[↩]