Der prozessunfähige Gegner

Der Kläger eines Rechtsstreits ist hinsichtlich der Entscheidung, mit der das Betreuungsgericht die von ihm angeregte Bestellung eines Betreuers für den prozessunfähigen Beklagten ablehnt, grundsätzlich beschwerdebefugt. Etwas anderes gilt wegen § 86 ZPO allerdings, wenn die Partei, bevor sie prozessunfähig geworden ist, ihrem Rechtsanwalt gemäß § 80 ZPO wirksam Prozessvollmacht erteilt hatte. Fehlt es indes an einer wirksamen Vollmachtserteilung oder bestehen hieran Zweifel, ist die klagende Partei beschwerdebefugt.

Der prozessunfähige Gegner

Gemäß § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift, wobei diese Beeinträchtigung auch in einer ungünstigen Beeinflussung oder Gefährdung des Rechts liegen kann1.

Ein Kläger ist hinsichtlich einer Entscheidung, mit der das Betreuungsgericht die von ihm angeregte Bestellung eines Betreuers für einen prozessunfähigen Beklagten ablehnt, grundsätzlich beschwerdebefugt. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gebietet es, der klagenden Partei die Möglichkeit einzuräumen, ihre Forderung auch gegen eine prozessunfähige Partei durchzusetzen. Um die ordnungsgemäße Vertretung der prozessunfähigen Partei im Prozess zu gewährleisten, bedarf es grundsätzlich der Bestellung eines Betreuers2. Deshalb ist in einem solchen Fall dem Betroffenen ausnahmsweise im Interesse eines Dritten, nämlich des Klägers bzw. Gläubigers, ein Betreuer zu bestellen, wenn die Voraussetzungen des § 1896 BGB vorliegen3. Demgegenüber handelt es sich bei dem Prozesspfleger, der nach § 57 Abs. 1 ZPO bei Gefahr in Verzug zu bestellen ist, lediglich um einen Notvertreter, der bis zur Bestellung des ordentlichen gesetzlichen Vertreters, hier also des Betreuers, einstweilen die Vertretung zu übernehmen hat4.

Hat der Kläger ein rechtlich geschütztes Interesse an der Bestellung eines Betreuers, geht damit im Falle einer abschlägigen Entscheidung des Betreuungsgerichts seine Beschwerdebefugnis einher5.

Etwas anderes gilt wegen § 86 ZPO allerdings, wenn die Partei, bevor sie prozessunfähig geworden ist, ihrem Rechtsanwalt gemäß § 80 ZPO wirksam Prozessvollmacht erteilt hatte. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, wird eine wirksam erteilte Prozessvollmacht gemäß § 86 ZPO durch den Verlust der Prozessfähigkeit des Vollmachtgebers nicht berührt. Der Rechtsstreit wird abweichend von § 241 ZPO nicht unterbrochen (§ 246 Abs. 1 ZPO). Vielmehr ist die prozessunfähig gewordene Partei auch nach Eintritt der Prozessunfähigkeit im Sinne des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO „nach Vorschrift der Gesetze vertreten“, weshalb gegen sie auch ein Sachurteil ergehen kann6. Mithin fehlt der klagenden Partei das Bedürfnis für eine Betreuerbestellung.

Fehlt es indes an einer wirksamen Vollmachtserteilung oder bestehen hieran Zweifel, ist die klagende Partei ebenfalls beschwerdebefugt.

Wenn der Vollmachtgeber bereits geschäftsunfähig war, als er die Prozessvollmacht erteilt hatte, ist diese unwirksam und der Vollmachtgeber nicht ordnungsgemäß vertreten. Erfolgt im weiteren Verlauf des Rechtsstreits keine Genehmigung der bisherigen Prozessführung, darf ein Sachurteil daher nicht ergehen7.

Entsprechendes gilt, wenn das Prozessgericht die Wirksamkeit der Prozessvollmacht nicht durch ein Zwischenurteil gemäß § 280 ZPO bindend festgestellt hat, obgleich hieran Zweifel bestehen.

Besteht Streit über das Vorliegen von Zulässigkeitsvoraussetzungen, sollen durch das Zwischenurteil zunächst die vorgreiflichen Zulässigkeitsfragen abschließend geklärt werden. Das Zwischenurteil ist gemäß § 280 Abs. 2 ZPO selbständig anfechtbar und unterliegt daher der formellen Rechtskraft gemäß § 705 ZPO. Ist es mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar, kann es daher im Wege des Rechtsmittels gegen das später ergehende Endurteil grundsätzlich nicht mehr überprüft werden; insoweit bindet es das Rechtsmittelgericht gemäß §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO8.

Fehlt es an einem solchen Zwischenurteil und bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der Prozessvollmacht, ist der Kläger auch dann in seiner Rechtssphäre beeinträchtigt, wenn das Prozessgericht dem Verfahren – wie hier – Fortgang gibt. Denn in einem solchen Fall besteht die Möglichkeit, dass das Gericht erst im weiteren Verlauf des Prozesses die Unwirksamkeit der Vollmacht feststellt und demzufolge ein Prozessurteil ergeht, wenn dem Betroffenen nicht zuvor ein Betreuer bestellt wird und dieser die bisherige Prozessführung genehmigt9.

Das Verfahren befindet sich mithin in einem für den Kläger nicht hinnehmbaren Schwebezustand; das gilt im Übrigen gleichermaßen für die prozessunfähige Partei. Weil es an der erforderlichen Rechtssicherheit fehlt, ist der Kläger in der Ausübung seiner Rechte empfindlich gestört; sein rechtlich geschütztes Interesse an einer wirksamen Vertretung der prozessunfähigen Partei wird durch die Ablehnung der Bestellung eines Betreuers zumindest gefährdet.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Januar 2011 – XII ZB 326/10

  1. zum früheren Recht: BGH, Beschlüsse vom 25.02.2004 – XII ZB 208/00, FamRZ 2004, 1024, 1025; und vom 17.03.1997 – II ZB 3/96, NJW 1997, 1855; BayObLG FamRZ 1998, 922, 923; 1996, 1369 f.; vgl. auch Keidel/Meyer-Holz FamFG 16. Aufl. § 59 Rn. 9[]
  2. BGH, Beschluss vom 09.11.2010 – VI ZR 249/09[]
  3. vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 117 f.; BayObLG FamRZ 1998, 922, 923; 1996, 1369, 1370; vgl. auch BGH, Beschluss in BGHZ 93, 1, 6 ff. = FamRZ 1985, 276 zur Gebrechlichkeitspflegschaft[]
  4. Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 57 Rn. 1 und 9[]
  5. BayObLG FamRZ 1996, 1369, 1370; 1991, 737[]
  6. vgl. BGHZ 121, 263, 265 f. = NJW 1993, 1654; BFH NJW-RR 2001, 244; BAG NZA 2000, 613, 614; Musielak/Weth ZPO 7. Aufl. § 86 Rn. 1, 10, 12; aA Musielak/Stadler aaO § 246 Rn. 5; Zöller/Vollkommer aaO § 86 Rn. 12[]
  7. vgl. BGHZ 86, 184, 185 ff. = NJW 1983, 996[]
  8. BGHZ 182, 10 = MDR 2009, 1239 Rn. 18 f. mwN[]
  9. MünchKommZPO/Lindacher 3. Aufl. § 52 Rn. 38[]