Der Schulfreund des Vaters des Richters

Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO kann vorliegen, handelt es sich bei der Partei eines Rechtsstreits um einen langjährigen Schulfreund des Vaters eines Richters des erkennenden Kollegialgerichts, den der Richter über viele Jahre hinweg bei regelmäßigen Besuchen der Partei im Haus seiner Eltern kennen gelernt hat und mit dem ihn ein freundschaftliches Verhältnis verbindet, auch wenn ein über diese Besuche hinausgehender persönlicher Kontakt zwischen dem Richter und der Partei nicht bestand oder besteht.

Der Schulfreund des Vaters des Richters

Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO) besteht bei Vorliegen objektiver Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus1. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter wirklich befangen ist. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln2. Es kommt auch nicht darauf an, ob sich der Richter selbst für befangen hält, wenn sich aus der Selbstablehnung auch die Besorgnis der Befangenheit ergeben kann3. Bei der Entscheidung, ob solche Besorgnis besteht, ist zwar zu berücksichtigen, dass es dem Richter aufgrund seiner Ausbildung und beruflichen Erfahrung im Regelfall ohne Schwierigkeiten möglich sein muss, sich der aus einer persönlichen Beziehung zu einer Partei resultierenden Gefahren bewusst zu sein und ihre Auswirkung auf das Verfahren zu vermeiden3. Gleichwohl ist nach dem Sinngehalt des § 42 Abs. 2 ZPO in Zweifelsfällen im Sinne einer Stattgabe des Ablehnungsgesuchs, nicht zu einer Zurückweisung zu entscheiden4.

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Nahe persönliche Beziehungen eines Richters zu einer Partei können die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich begründen. Dies gilt jedoch nicht generell. Ob die Besorgnis der Befangenheit mit Rücksicht auf freundschaftliche Beziehungen gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend ist, ob nach Art und Gegenstand des Verfahrens und der sich daraus ergebenden Interessenlage vernünftigerweise befürchtet werden muss, der Richter stehe aufgrund seiner persönlichen Beziehung zu einem Beteiligten der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber5. Im Regelfall wird etwa eine lockere Freundschaft mit Treffen bei dienstlichen Anlässen nicht ausreichen, um aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln6. Dagegen können über das übliche Maß persönlicher kollegialer Bekanntschaft hinausgehende freundschaftliche Beziehungen oder gar eine enge Freundschaft zwischen Richter und Partei Umstände darstellen, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen können7.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 4. Juni 2010 – 12 W 18/10

  1. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rdnr. 9 m.w.N.[]
  2. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr. 9 m.w.N.; Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 42 Rdnr. 5[]
  3. vgl. LG Leipzig, NJW-RR 2004, 1003[][]
  4. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.01.2007 – 11 WF 1/07 – Rdnr. 3; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr. 10; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rdnr. 9; einschränkend Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 42 Rdnr. 12 f.[]
  5. vgl. BayObLG, NJW-RR 1987, 127; LG Leipzig, NJW-RR 2004, 1003; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 42 Rdnr. 10[]
  6. vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 19.04.2010 – 2 B 55/10[]
  7. vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 01.10.2008 – 2 ZKO 165/08; Sächsisches OVG, Beschluss vom 19.04.2010 – 2 B 55/10 – Rdnr. 3; LG Leipzig, NJW-RR 2004, 1003[]
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