Welchen Gebührenstreitwert ein Vergleich hat, richtet sich nicht nach dem zugesagten Betrag, sondern nach der Bewertung der Gegenstände, über die die Parteien sich verglichen haben. Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 9 ZPO.

Schließen die Parteien in einem Prozess, dessen Gegenstand Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung waren, einen Vergleich, der auch die Aufhebung dieser Versicherung vorsieht, sind als Vergleichsmehrwert 20% des nach § 9 ZPO ermittelten, für die Leistungen maßgeblichen Betrages zusätzlich zu berücksichtigen.
Für die Vorstellung, als Mehrwert des Vergleichs die Differenz zwischen dem Streitwert des Rechtsstreits und dem vergleichsweise zugesagten Betrag anzusetzen, gibt es keine gesetzliche Grundlage; welchen Wert ein Vergleich hat, richtet sich nicht nach dem zugesagten Betrag, sondern nach der Bewertung der Gegenstände, über die die Parteien sich verglichen haben1. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden2, dass eine eingeschränkte Wertaddition stattfinden, wenn eine Klage auf Leistung aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit einem Feststellungsantrag auf Fortbestehen des Versicherungsvertrages kombiniert wird. In diesen Fällen hat er für den Feststellungsantrag 20% des 3-5-fachen Jahresbetrags von Rentenleistung und Versicherungsprämie zusätzlich berücksichtigt. Die dem zugrunde liegenden Erwägungen lassen sich auf den Fall des Vergleichsabschlusses übertragen3 . Selbst wenn – wie hier – die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages zum Zeitpunkt des Vergleichs zwischen den Parteien nicht streitig war, werden doch durch den Vergleich über die Beendigung des Vertrages ähnliche Unsicherheiten beseitigt wie diejenigen, auf deren Ausräumung die Feststellungsklage auf Bestehen eines Versicherungsvertrags abzielt; namentlich wird dem Versicherer das Risiko künftiger Versicherungsfälle während der Laufzeit des Vertrages abgenommen, dem Versicherungsnehmer das Risiko, dass der Versicherer von seinem Nachprüfungsrecht Gebrauch macht.
Der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln4, die vergleichsweise Aufhebung einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung habe keinen Mehrwert, wenn der Kläger von vornherein Leistungen für die gesamte Restlaufzeit des Versicherungsvertrages beansprucht habe, vermag nicht zu überzeugen. Sie lässt unberücksichtigt, dass eine stattgebende Entscheidung über die Klage weder für den Versicherer – dem ein Nachprüfungsrecht zustünde – noch für den Versicherungsnehmer – der auch künftige Versicherungsfälle geltend machen könnte – der vergleichsweise getroffenen Regelung gleichkäme.
Soweit Neuhaus5 abweichend vorschlägt, als Vergleichsmehrwert 50% der Abfindung anzusetzen und dies mit der nicht ratierlichen, sondern sofortigen Zahlung an den Versicherungsnehmer und dem Nachprüfungs- und Todesfallrisiko begründet, vermag sich das Oberlandesgericht dem nicht anzuschließen. Es besteht insoweit kein Anlass, von der Systematik des § 9 ZPO und dem Grundsatz abzuweichen, dass sich der Streitwert nicht nach den vereinbarten Zahlungen, sondern den verglichenen Ansprüchen richtet. § 9 ZPO schreibt im Interesse der Vereinheitlichung und Vereinfachung eine normative Streitwertbemessung vor, um eine am konkreten wirtschaftlichen Klägerinteresse ausgerichtete Bewertung zu vermeiden, die wegen der typischen Zukunftsgerichtsbarkeit der unter die Vorschrift fallenden Rechte mit erheblichen Unsicherheiten belastet wäre6.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 31. März 2015 – 12 W 7/15
- vgl. etwa OLG Nürnberg r+s 2014, 207 4[↩]
- BGH VersR 2012, 78[↩]
- im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.05.2011 – 12 W 29/11, unveröffentl.; ausführlich OLG Nürnberg AGS 2015, 79; OLG Hamm, Beschluss vom 16.01.2013 – 20 W 47/12[↩]
- OLG Köln, Beschluss vom 13.01.2012 – 20 W 75/11; fortgeführt in OLG Köln, Beschluss vom 09.04.2014 – 20 W 13/14, unveröffentl., zitiert nach OLG Nürnberg AGS 2015, 79 50[↩]
- Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Auflage, Rn. R 189[↩]
- MünchKomm-ZPO/Wöstmann, ZPO, 4. Auflage, § 9, Rn. 1[↩]