Befindet sich bei der Regulierung eines Verkehrsunfallschadens der Haftpflichtversicherer des Schädigers mit der Ersatzleistung in Verzug, sind Rechtsanwaltskosten, die der Geschädigte im Zusammenhang mit der Einholung einer Deckungszusage seines Rechtsschutzversicherers verursacht hat, nur zu erstatten, soweit sie aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.

Allerdings werden zu der Frage, ob für die Herbeiführung der Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers durch den Rechtsanwalt des Geschädigten im Innenverhältnis Anwaltskosten entstehen und ob diese vom Schädiger bzw. seinem Haftpflichtversicherer im Außenverhältnis zu ersetzen sind, in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Teilweise wird bereits auf das Innenverhältnis zwischen dem geschädigten Mandanten und seinem Rechtsanwalt abgestellt.
Insoweit wird nicht „dieselbe“, sondern eine besondere Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG überwiegend angenommen, sofern der Anwalt hinsichtlich der Einholung der Deckungszusage gesondert beauftragt wird1.
Von anderen wird „dieselbe“ Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG bejaht2. Dies wird überwiegend damit begründet, die Einholung der Deckungszusage sei als Annex zur Hauptsache anzusehen und deshalb nicht gesondert zu vergüten. Die weit verbreitete Praxis kostenloser Deckungsanfragen soll wettbewerbsrechtlich nicht als unzulässige Gebührenunterschreitung verfolgbar sein3.
Nach Ansicht des erkennenden Bundesgerichtshofs spricht viel dafür, dass das Vorliegen einer eigenen Angelegenheit zu verneinen ist, wenn sich – wie es das Berufungsgericht für den Streitfall feststellt – die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Anforderung der Deckungszusage bei dem Rechtsschutzversicherer unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift erschöpft und der Deckungsschutz umstandslos bewilligt wird. Denn die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht, so dass eine Angelegenheit mehrere Gegenstände umfassen kann4.
Erwägenswert ist auch die Ansicht, nach der der Anwalt den Mandanten darüber zu belehren hat, dass für die Einholung der Deckungszusage eine besondere Gebühr entsteht, wenn er diese Leistung abrechnen will5. Greift – wie dies im Streitfall möglicherweise der Fall ist – der Einwand des Geschädigten, nicht belehrt worden und daher in dem Gebührenanspruch freizustellen zu sein, gegenüber seinem Anwalt durch, so ist der Geschädigte schon im Innenverhältnis nicht zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet mit der Folge, dass ein Erstattungsanspruch gegen den Schädiger nicht besteht6.
Die aufgeworfenen Rechtsfragen musste der Bundesgerichtshof indes im vorliegend entschiedenen Fall nicht abschließend beantworten, da der geltend gemachte Anspruch jedenfalls bereits aus den nachfolgend erörterten Gründen zu verneinen war:
Von denjenigen, die einen Gebührenanspruch des Anwalts bejahen oder dahinstehen lassen7, wird ein Ersatzanspruch im Außenverhältnis mit unterschiedlichen Argumenten bejaht oder verneint.
Teilweise wird ein Anspruch ohne nähere Begründung bejaht8, teilweise werden die Aufwendungen als erforderlich und zweckmäßig angesehen9. Einige Gerichte – wie hier das Berufungsgericht – bejahen einen entsprechenden Anspruch jedenfalls bei Verzug des Haftpflichtversicherers10.
Verneint wird ein Ersatzanspruch unter zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten:
Teilweise wird darauf abgestellt, ob im konkreten Einzelfall die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bei der Einholung der Deckungszusage zur Wahrung und Durchsetzung der Rechte unter den Umständen des Falles erforderlich und zweckmäßig ist11, was nach teilweise vertretener Ansicht nur äußerst selten der Fall sein soll12.
Andere verneinen den Ersatzanspruch aus der grundsätzlichen Erwägung, dass Rechtsanwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage nicht vom Schutzzweck der Haftungsnormen erfasst seien13.03. Nach Ansicht des erkennenden Bundesgerichtshofs ist hinsichtlich der Haftung im Außenverhältnis zu differenzieren. a)) Auf Schutzzweckerwägungen kann nicht abgestellt werden, soweit sich der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer in Verzug befindet. Dann kann sich der Anspruch aus § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286 BGB ergeben. Insoweit ist ohne Bedeutung, ob der Vermögensschaden, den der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte infolge der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bei der Einholung der Deckungszusage erleidet, vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 StVG erfasst wird. Kosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung sind Rechtsverfolgungskosten, die unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens ersetzt werden können14.
Nach den Feststellungen befand sich im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der beklagte Haftpflichtversicherer bereits in Verzug mit dem Ersatz der verlangten Mietwagenkosten, als der Anwalt der Klägerin mit der Vorbereitung der Klage und der Einholung der Deckungszusage für die damit verbundenen Kosten betraut wurde.
Allerdings hat der Schädiger auch unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren15.
Dies ist hier nicht der Fall. Der Anwalt der Klägerin hat bei seiner informatorischen Anhörung durch das Berufungsgericht erklärt, er habe die Übernahme des Deckungsschutzes abklären sollen, habe dann die Rechtsschutzversicherung am 28.08.2009 mit einem Klageentwurf angeschrieben, woraufhin der Deckungsschutz am 14.09.2009 bewilligt worden sei. Das ist das übliche Verfahren, wenn der Deckungsschutz ohne weiteres gewährt werden kann16. Bei einer solchen Sachlage ist aber die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für die Einholung der Deckungszusage nicht erforderlich; vielmehr ist es dem Geschädigten in der Regel zuzumuten, sie selbst anzufordern. Die Überlegungen des Berufungsgerichts zur Komplexität der Mietwagenfälle haben im Streitfall für die Anforderung der Deckungszusage ersichtlich keine Rolle gespielt. Die für den Rechtsschutzversicherer für die Gewährung von Deckungsschutz maßgeblichen Gesichtspunkte ergaben sich insoweit auch nicht aus der Anfrage, sondern aus dem Klageentwurf, dessen Fertigung bereits mit der Geschäftsgebühr bzw. der Verfahrensgebühr abgegolten ist. Dass die Klägerin aufgrund bestimmter Umstände nicht in der Lage gewesen sein könnte, eine einfache Anfrage unter Beifügung des vom Anwalt gefertigten Klageentwurfs an den Versicherer zu senden, ist nicht ersichtlich.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Dezember 2011 – VI ZR 274/10
- vgl. OLG Celle, Urteil vom 12.01.2011 – 14 U 78/10, Schaden-Praxis 2011, 265, 226; LG Duisburg, Urteil vom 03.05.2010 – 2 O 229/09, zfs 2010, 520; LG München I, Urteil vom 06.05.2008 – 30 O 16917/07, zfs 2010, 521; LG Ulm, Urteil vom 08.04.2010 – 6 O 244/09, zfs 2010, 521; LG Wuppertal, Urteil vom 07.04.2010 – 8 S 92/09, zfs 2010, 519; N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 5. Aufl., § 15 Rn. 65; Winkler in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 4. Aufl., § 15 Rn. 56; Bierschenk, zfs 2011, 603; Hansens, RVGreport 2010, 241; 321, 323; Lensing, AnwBl 2010, 688; Meinel, zfs 2010, 312 f.; Niehren, AnwBl 2011, 135; dahingestellt bei KG, Urteil vom 19.03.2010 – 5 U 42/08, AnwBl 2010, 445, 447; ablehnend Tomson, VersR 2010, 1428[↩]
- vgl. etwa OLG München, Urteil vom 04.12.1990 – 13 U 3085/90, JurBüro 1993, 163 noch zu § 118 BRAGO; LG Koblenz, Urteil vom 02.02.2010 – 6 S 236/09, VersR 2010, 1331, 1332; LG Schweinfurt, Urteil vom 20.03.2009 – 23 O 313/08, NJW-RR 2009, 1251, 1252; AG Schwäbisch Hall, Urteil vom 06.05.2010 – 6 C 20/10, juris Rn.20; zweifelnd auch Geigel/Freymann, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 41 Rn. 30[↩]
- KG, Urteil vom 19.03.2010 – 5 U 42/08, AnwBl 2010, 445, 447 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 26.05.2009 – VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269 Rn. 23 ff.; vom 21.06.2011 – VI ZR 73/10, NJW 2011, 3167 Rn. 9 ff.[↩]
- dafür etwa OLG Celle, Urteil vom 12.01.2011 – 14 U 78/10, Schaden-Praxis 2011, 265, 266; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 09.09.2010 – 8 O 1617/10, juris Rn. 37 f. m. Anm. von Schöller, jurisPR-VerkR 21/2010 Anm. 3; AG Brühl, Urteil vom 14.10.2010 – 28 C 539/09, AGS 2011, 361; Meinel, zfs 2010, 312, 313; Niehren, AnwBl 2011, 135; Schöller, jurisPR-VerkR 21/2010 Anm. 3; dagegen etwa Hansens, RVGreport 2010, 241, 243; Lensing, AnwBl 2010, 688, 689[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.05.2009 aaO Rn.20[↩]
- etwa BGH, Urteil vom 09.03.2011 – VIII ZR 132/10, NJW 2011, 1222 Rn. 21 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2011 – 1 U 105/11, juris Rn. 16[↩]
- etwa OLG Köln, Beschluss vom 12.01.2011 – I11 U 209/10; LG Ulm, Urteil vom 08.04.2010 – 6 O 244/09, zfs 2010, 521; LG Amberg, Urteil vom 26.05.1993 – 24 S 1492/92, AGS 1993, 58[↩]
- etwa LG Duisburg, Urteil vom 03.05.2010 – 2 O 229/09, zfs 2010, 520 f.; LG Amberg, Urteil vom 19.02.2009 – 24 O 826/08; AG Hersbruck, Urteil vom 26.11.2009 – 2 C 474/09, AGS 2010, 257 f.; AG Karlsruhe Urteil vom 09.04.2009 – 1 C 36/09, AGS 2009, 355, 356[↩]
- LG Berlin, Urteil vom 09.12.2009 – 42 O 162/09; LG Duisburg, aaO; AG Oberndorf, Urteil vom 12.11.2009 – 3 C 698/08; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.09.2009 – 2 O 9658/08, AGS 2010, 257; AG Schwandorf, Urteil vom 11.06.2008 – 2 C 189/08, zfs 2010, 524[↩]
- etwa BGH, Urteil vom 09.03.2011 – VIII ZR 132/10, aaO, Rn. 23; LG Münster, Urteil vom 04.05.2010 – 3 S 12/10, VersR 2011, 411 f. mit Anm. von Nugel, jurisPR-VerkR 8/2011 Anm. 3[↩]
- vgl. Geigel/Freymann, aaO; auch Meinel, aaO, S. 314 f.[↩]
- vgl. etwa KG, Urteil vom 19.04.2004 – 12 U 325/02, VersR 2004, 1571, 1572; OLG Celle, Urteil vom 12.01.2011 – 14 U 78/10, aaO; OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.10.2011 – 1 U 105/11, aaO Rn. 15 f.; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 09.09.2010 – 8 O 1617/10, mit zust. Anm. von Schöller, jurisPR-VerkR 21/2010 Anm. 3; Tomson, VersR 2010, 1428[↩]
- BGH, Urteil vom 09.03.2011 – VIII ZR 132/10, aaO, Rn. 23[↩]
- vgl. etwa BGH, Urteile vom 08.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350 ff.; vom 10.01.2006 – VI ZR 43/05, VersR 2006, 521 f.; BGH, Urteil vom 09.03.2011 – VIII ZR 132/10, aaO, Rn. 23[↩]
- vgl. z.B. Tomson, VersR 2010, 1428, 1429[↩]