Der Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft, mit dem sie ihren vermeintlichen Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung von das Gemeinschaftseigentum betreffenden Gewährleistungsansprüchen ermächtigt, ist interessengerecht auszulegen. Handelt es sich bei dem vermeintlichen Verwalter um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nicht wirksam zum Verwalter bestellt werden kann1, ist der Beschluss dahin auszulegen, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ermächtigt wird.

Mit dieser Begründung korrigierte der Bundesgerichtshofs jetzt ein Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Naumburg, das ebenso wie das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Halle mit – nach Ansicht des BGH – nicht tragfähiger Begründung die gegenteilige, formalistische Auffassung vertreten hatte.
Im Ansatz richtig, so der BGH, geht das Berufungsgericht davon aus, dass die GbR nicht Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft war, da ihre zum 1. Februar 2002 erfolgte Bestellung unwirksam war. Denn eine GbR kann nicht Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft sein1.
Das OLG Naumburg legt in seinem Berufungsurteil den Beschluss vom 21. Juni 2002 dahin aus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht die GbR, sondern die nicht existente Verwalterin zur gerichtlichen Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche ermächtigt habe. Diese Auslegung hält der rechtlichen Nachprüfung unabhängig davon nicht stand, ob sie – wie die Auslegung von Sondernachfolger bindenden Beschlüssen2 – revisionsrechtlich uneingeschränkt oder lediglich insoweit überprüfbar ist, als gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze und Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist. Denn das OLG Naumburg weicht nach Ansicht des BGH von anerkannten Auslegungsgrundsätzen ab. Es hat insbesondere den Grundsatz der interessengerechten Auslegung verletzt3. Die vom BGH vorzunehmende Auslegung ergibt, dass die GbR ermächtigt worden ist, das selbständige Beweisverfahren durchzuführen.
Das Berufungsgericht entnimmt bereits zu Unrecht dem Wortlaut des Beschlusses, dass die Wohnungseigentümer nur einen Verwalter und nicht die GbR ermächtigen wollten. Dass in dem Beschluss mehrfach von „Verwalter“ und nicht von „GbR“ die Rede ist, erklärt sich ohne weiteres daraus, dass die Wohnungseigentümer einen Unterschied zwischen „Verwalter“ und „GbR“ nicht gesehen haben. Sie sind davon ausgegangen, dass die GbR ihre Verwalterin ist. Dementsprechend ist zu Beginn des Protokolls der Eigentümerversammlung die GbR als „HVW“ = Hausverwalter bezeichnet.
Das Berufungsgericht will offenbar den Beschluss der Wohnungseigentümer dahin verstehen, dass eine unlösbare Verknüpfung zwischen der Ermächtigung der GbR und ihrer wirksamen Funktion als Verwalterin gewollt sei. Das entspricht nicht der Interessenlage der Wohnungseigentümer. Diese waren in erster Linie daran interessiert, ihre Rechte aus den Mängeln zu wahren. Dazu wurde die GbR u.a. zur Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens ermächtigt. Die Beauftragung der GbR war zwar darauf zurückzuführen, dass sie als Verwalterin fungierte. Der Umstand, dass die GbR Verwalterin sein sollte, war jedoch keine Bedingung für die Ermächtigung der GbR, sondern lediglich damals vorausgesetzte Grundlage für den entsprechenden Beschluss. Die Ermächtigung der GbR behielt ihre Berechtigung und entsprach den Interessen der Wohnungseigentümer auch dann, wenn sie nicht Verwalterin war. Denn die Ermächtigung erfüllte den von den Wohnungseigentümern verfolgten Zweck, die Rechte aus den Mängeln zu wahren. Das vom Berufungsgericht dagegen vorgebrachte Argument, die Wohnungseigentümer hätten mit entsprechender Kostenfolge keine zwei Personen – die GbR und den Verwalter – beauftragen wollen, ist verfehlt. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat nur eine Person beauftragt. Sie hatte wirksam keinen Verwalter bestellt. Sobald ein Verwalter bestellt worden wäre, hätten die entsprechenden Maßnahmen getroffen werden können, um eine interessengerechte Lösung zu finden, wie es dann auch tatsächlich mit der Gründung der OHG geschehen ist. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung führt letztlich dazu, einen Willen der Wohnungseigentümer anzunehmen, eine unwirksame Ermächtigung eines nicht existenten Verwalters sei einer wirksamen Ermächtigung der GbR vorzuziehen. Das ist fernliegend und nicht interessengerecht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Mai 2009 – VII ZR 206/07
- BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 1989 – V ZB 4/89, BGHZ 107, 268, 271 f. und vom 26. Januar 2006 – V ZB 132/05, NJW 2006, 2189[↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 10. September
1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 289[↩] - vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1997
– V ZR 248/96, NJW 1998, 535, 536; Urteil vom 11. Mai 1995 – VII ZR 116/94, BauR 1995, 697 = ZfBR 1995, 259 m.w.N.[↩]
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