Der verpasste Flug wegen Sicherheitskontrollen

Hat ein Flugreisender seinen Flug wegen Sicherheitskontrollen verpasst, die er nicht selbst zu verantworten hat, kann er eine Entschädigung nach aufopferungsrechtlichen Grundsätzen verlangen. Zwar muss ein Fluggast im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Kontrollmaßnahmen hinnehmen. Es ist ihm aber nicht zuzumuten, den infolge dieser Maßnahmen entstandenen zusätzlichen Nachteil – den Verfall des Flugtickets und den notwendigen Erwerb eines Ersatztickets – zu tragen.

Der verpasste Flug wegen Sicherheitskontrollen

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dem hier vorliegenden Fall die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt auf Anspruch einer Entschädigung für einen Reisenden, der aufgrund einer länger dauernden Sicherheitskontrolle am Flughafen Frankfurt seinen Flug nicht mehr erreichte, bestätigt. Gleichzeitig ist die Berufung der beklagten Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen worden.

Der Kläger wollte im Juli 2011 vom Flughafen Frankfurt aus einen Flug antreten, der um 4.20 Uhr starten sollte. Im Sicherheitskontrollbereich wurde der Kläger aufgehalten, weil der Verdacht entstanden war, in seinem als Handgepäck mitgeführten Rucksack könnten sich gefährliche Gegenstände befinden. Wie für diese – häufig vorkommenden – Fälle vorgesehen, wurde von der Bundespolizei der Entschärfertrupp informiert, der um diese Uhrzeit nur eine Rufbereitschaft unterhält, weshalb es rund drei Stunden dauerte, bis die Personen der Entschärfertruppe die erforderlichen Überprüfungsmaßnahmen vor Ort durchführen konnten. Hierbei konnte der Verdacht, dass sich im Rucksack des Klägers gefährliche Gegenstände befanden, entkräftet werden. Tatsächlich führte der Kläger darin lediglich eine Kamera, zwei Ladegeräte, ein Handy sowie Bekleidung und die später verfallenen Flugtickets mit. In der Zwischenzeit war allerdings das Flugzeug, das der Kläger erreichen wollte, abgeflogen. Der Kläger buchte deshalb für sich und seinen Reisebegleiter Tickets für einen anderen Flug. Die hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 911,98 € sind Gegenstand der Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin der Bundespolizei. Das in erster Instanz angerufene Landgericht1 gab der Klage statt, im Wesentlichen mit der Begründung, der Bundesrepublik sei ein Organisationsverschulden zur Last zu legen, denn sie hätte dafür Sorge tragen müssen, dass die Überprüfung verdächtigen Gepäcks auch in der Nachtzeit schneller vonstatten gehen könne. Hiergegen ist Berufung eingelegt worden.

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Nach Auffassung des Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist die Entscheidung des Landgerichts zwar im Ergebnis richtig, jedoch anders zu begründen: Der Kläger kann von der Beklagten wegen der Kontrollmaßnahmen eine Entschädigung nach aufopferungsrechtlichen Grundsätzen verlangen.

Die Annahme, in dem Rucksack befänden sich möglicherweise gefährliche Gegenstände, sei nicht dadurch entstanden, dass der Kläger gefährlich aussehende Gegenstände mitführte, sondern durch gewisse „Überlagerungen“ auf dem Röntgenbild des Kontrollgeräts. Deshalb habe der Kläger die Umstände, die den Verdacht be-gründeten, nicht selbst zu verantworten. Auch die zeitliche Verzögerung, die dazu führte, dass er und sein Reisebegleiter den gebuchten Flug versäumten, habe der Kläger nicht zu verantworten. Die Verzögerung beruhe vielmehr darauf, dass die Beklagte aus Haushaltserwägungen nachts ihren Entschärfertrupp nur in Rufbereitschaft vorhalte und die herbeigerufenen Beamten deshalb erst nach längerer Anfahrt am Flughafen eintrafen.

Der Kläger müsse zwar im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Kontrollmaßnahmen hinnehmen. Es sei ihm aber nicht zuzumuten, den infolge dieser Maßnahmen entstandenen zusätzlichen Nachteil – den Verfall der Flugtickets und den notwendigen Erwerb zweier Ersatztickets – zu tragen. Ein solcher Nachteil entstehe anderen Fluggästen bei Sicherheitskontrollen im regulären Tagesbetrieb in der Regel nicht und stelle deshalb – entgegen der Auffassung der Beklagten – kein allgemeines Lebensrisiko dar, sondern belaste den Kläger insoweit mit einem Sonderopfer, für das er Entschädigung verlangen könne.

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12. August 2013 – 1 U 276/12

  1. LG Frankfut a.M., Urteil vom 10.10.2012 – 2-04 O 32/12[]