Der vorläufig vollstreckbare Herausgabeanspruch des Eigentümers – und die Erledigung des Rechtsstreits

Der Besitzverlust, den der Besitzer einer Sache infolge einer (drohenden) Zwangsvollstreckung eines auf die Herausgabe der Sache gerichteten vorläufig vollstreckbaren Titels erleidet, lässt den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB nicht entfallen und hat daher nicht die Erledigung der Hauptsache zur Folge.

Der vorläufig vollstreckbare Herausgabeanspruch des Eigentümers – und die Erledigung des Rechtsstreits

Die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde1.

Wird aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, einem Arrestbefehl oder einer einstweiligen Verfügung vollstreckt, tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB2 und damit auch keine Erledigung ein. Dasselbe gilt für Leistungen, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel erbracht werden3. Die Leistung erfolgt in beiden Fällen unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts2, sofern der Schuldner nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt4. Daher stellt auch die Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung keine Erfüllung des Rückgewähranspruchs nach § 546 Abs. 1 ZPO5 und damit kein die Hauptsache erledigendes Ereignis dar6.

Für den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB gilt nichts anderes.

Allerdings wird vertreten, dass jeder Besitzverlust zum Wegfall der Vindikationslage führe und deshalb auch der auf einer (drohenden) Zwangsvollstreckung eines vorläufig vollstreckbaren, auf die Herausgabe einer Sache gerichteten Titels beruhende Besitzverlust die Erledigung der Hauptsache zur Folge habe7.

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Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Ein sachgerechter Grund, die Rechtsfolgen einer Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel bei einem Herausgabeanspruch nach § 985 BGB abweichend von anderen Ansprüchen zu behandeln, ist nicht erkennbar. Der Streitgegenstand des Verfahrens wird mit der zwangsweisen Herausgabe der Sache nicht beseitigt. Sie erfolgt, wie andere Erfüllungshandlungen, unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts und soll nur für diesen Fall materiellrechtliche Wirkungen entfalten. Das rechtfertigt es, bis zum Eintritt der Rechtskraft für den Herausgabeanspruch von einer fortbestehenden Vindikationslage zwischen den Parteien auszugehen8.

Nur so lassen sich zudem Wertungswidersprüche insbesondere zu dem Herausgabeanspruch nach § 546 Abs. 1 BGB vermeiden. Bei diesem hat die zwangsweise Räumung einer Wohnung keine Erledigung der Hauptsache zur Folge6. Konkurriert der Anspruch aus § 546 BGB, wie häufig, mit einem Anspruch aus § 985 BGB9, wäre es unverständlich, wenn die Vollstreckung aus einem stattgebenden Urteil den einen Anspruch unberührt, den anderen dagegen entfallen ließe.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. März 2014 – V ZR 115/13

  1. BGH, Urteil vom 17.07.2003 – IX ZR 268/02, BGHZ 155, 392, 395 mwN[]
  2. BGH, Urteil vom 19.01.1983 – VIII ZR 315/81, BGHZ 86, 267, 269[][]
  3. BGH, Urteil vom 08.05.1985 IVa ZR 38/83, BGHZ 94, 268, 274; Beschluss vom 21.09.2005 XII ZR 256/03, NJW-RR 2006, 16[]
  4. MünchKomm-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 362 Rn. 28; MünchKomm-ZPO/Götz, 4. Aufl., § 708 Rn. 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl., § 708 Rn. 4; Saenger/Kindl, ZPO, 5. Aufl., § 708 Rn. 2; Krüger, NJW 1990, 1208, 1210 f.[]
  5. BGH, Urteil vom 24.03.2004 – VIII ZR 188/03, NJW 2004, 1736, 1737[]
  6. BGH, Urteil vom 09.02.2011 – VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135 Rn. 11[][]
  7. BeckOK-BGB/Fritzsche, Edition 29, § 985 Rn. 10; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 985 Rn. 48, 55[]
  8. so im Ergebnis auch RG, HRR 1929 Nr. 104; OLG Düsseldorf, ZMR 2010, 677, 679; OLGR 2009, 341, 342; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 985 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Baldus, 6. Aufl., § 985 Rn. 153[]
  9. vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.11.1995 – VIII ZR 41/80, BGHZ 79, 232, 235[]
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