Der vorsorglich für den Fall des Einspruchs bestimmte Verhandlungstermin

Die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil und die Hauptsache darf erst nach Eingang des Einspruchs erfolgen. In einem vorsorglich für den Fall des Einspruchs bestimmten Termin kann mangels ordnungsgemäßer Terminsbestimmung und deshalb fehlender Säumnis kein zweites Versäumnisurteil gegen die im Termin nicht erschienene Partei ergehen1.

Der vorsorglich für den Fall des Einspruchs bestimmte Verhandlungstermin

Ein zweites Versäumnisurteil darf nach § 345 ZPO erlassen werden, wenn die Partei, die Einspruch gegen ein erstes Versäumnisurteil eingelegt hat, in dem Termin zur Verhandlung über ihren Einspruch erneut säumig ist.

Die Säumnis einer Partei setzt ihre ordnungsgemäße Ladung zu einem ordnungsgemäß angeordneten Termin voraus2.

An einem ordnungsgemäß anberaumten Termin fehlt es hier. Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs3, der sich die herrschende Meinung im Schrifttum angeschlossen hat4, ist es unzulässig, nach Erlass eines (ersten) Versäumnisurteils vorsorglich einen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache zu bestimmen, bevor der Einspruch eingegangen ist, wie es vorliegend der Fall war.

Der VII. Zivilsenat hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Bestimmung eines Termins erfolge nach § 216 Abs. 1 ZPO, wenn Anträge oder Erklärungen eingereicht würden, über die nur nach mündlicher Verhandlung entschieden werden könne oder über die mündliche Verhandlung von dem Gericht angeordnet sei. Die Bestimmung des Termins setze voraus, dass die entsprechenden Anträge eingegangen seien. Eine vorsorgliche Terminierung für den Fall des noch eingehenden Antrags sehe das Gesetz dagegen nicht vor. Das ergebe sich aus dem Regelungszusammenhang von § 341 Abs. 1 und § 341a ZPO, wonach das Gericht einen unzulässigen Einspruch ohne erneute mündliche Verhandlung durch Urteil verwerfen könne und Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache gemäß § 341a ZPO nur dann bestimmen müsse, wenn der Einspruch nicht als unzulässig verworfen werde. Daraus ergebe sich der gesetzgeberische Wille, dass die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil erst dann erfolgen solle, wenn das Gericht die Zulässigkeit des Einspruchs geprüft und diese entweder bejaht oder nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entschieden habe, über den unzulässigen Einspruch mündlich zu verhandeln. Die Anberaumung eines Termins habe gemäß § 216 Abs. 1 ZPO zu unterbleiben, solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Bestimmung eines Termins zur Verhandlung über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil nach § 341a ZPO setze mithin jedenfalls voraus, dass der Einspruch bei Gericht eingegangen ist.

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Dem schließt sich der hier III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs an.

Zwar ist zutreffend, dass es im Ermessen des Gerichts steht, bei unzulässigem Einspruch erst nach mündlicher Verhandlung oder ohne eine solche zu entscheiden5, wie sich aus § 341 Abs. 2 ZPO ergibt. Dies steht jedoch der Würdigung des VII. Zivilsenats nicht entgegen, bestätigt diese vielmehr. Das Ermessen, ob von einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 341 Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht werden oder ein Einspruchstermin gemäß § 341a ZPO stattfinden soll, kann sachgerecht erst ausgeübt werden, wenn die Einspruchsschrift eingegangen ist.

Unbehelflich für den gegenteiligen Rechtsstandpunkt ist der Hinweis auf § 218 ZPO6. Diese Vorschrift betrifft lediglich die Entbehrlichkeit einer Ladung, wenn Termine in verkündeten Entscheidungen bestimmt sind, mithin die Bekanntmachung von anberaumten Terminen. Vorliegend geht es indessen um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Termin bestimmt werden darf.

Schließlich überzeugt den Bundesgerichtshof auch der Hinweis auf die Prozessökonomie7 nicht. Die vorsorgliche Anberaumung eines Verhandlungstermins gemäß § 341a ZPO über einen noch nicht eingegangenen Einspruch führt nicht notwendig zu einer Beschleunigung des Verfahrens. Vielmehr kann es je nach Terminstand des Gerichts zu einer zügigeren Verfahrensbeendigung führen, einen unzulässigen Einspruch ohne mündliche Verhandlung gemäß § 341 Abs. 2 ZPO zu verwerfen, statt dies aufgrund eines „auf Vorrat“ anberaumten, jedoch zeitlich weiter entfernt liegenden Termins zur mündlichen Verhandlung vorzunehmen.

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Demgegenüber spricht für die Auffassung des VII. Zivilsenats die folgende, an seine Ausführungen anknüpfende, ergänzende Erwägung. Nach § 341a ZPO ist, wenn der Einspruch nicht als unzulässig verworfen wird, Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache zu bestimmen. Die Verhandlung kann, wenn das Gericht nicht von § 341 Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht hat, aber gleichwohl die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs in Zweifel steht, entsprechend § 146 ZPO auf den Einspruch beschränkt werden8. Wird eine solche Beschränkung nicht vorgenommen und soll die anberaumte mündliche Verhandlung, wie im vorliegenden Fall, auch über die Hauptsache erfolgen, setzt dies voraus, dass die Zulässigkeit des Einspruchs zumindest möglich erscheint. Anderenfalls ergäbe die Terminsbestimmung zur Verhandlung über die Hauptsache keinen Sinn. Die Beurteilung, ob der Einspruch, wenn auch nur möglicherweise, zulässig ist, lässt sich jedoch erst vornehmen, wenn dieser Rechtsbehelf auch tatsächlich eingelegt ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Oktober 2015 – III ZR (Ü) 1/15

  1. Fortführung von BGH, Beschluss vom 20.12 2010 – VII ZB 72/09, NJW 2011, 928[]
  2. BGH, Beschluss vom 20.12 2010 – VII ZB 72/09, NJW 2011, 928 Rn. 11 und 14; MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 330 Rn. 10 f; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., Vorbem. vor § 330 Rn. 6[]
  3. BGH, Beschluss vom 20.12 2010 – VII ZB 72/09, NJW 2011, 928 Rn. 12 f[]
  4. MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO Rn. 12 und § 341a Rn. 2.; Musielak aaO; HK-ZPO/Pukall, 6. Aufl., § 341a Rn. 2; a.A. Stamm, LMK 2011, 314722[]
  5. BGH aaO; Toussaint in BeckOK ZPO, Stand 1.06.2015, § 341 Rn. 5[]
  6. vgl. Stamm, LMK 2011, 314722[]
  7. vgl. hierzu auch Stamm aaO[]
  8. MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 341a Rn.1; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 341a Rn. 1; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 341a Rn. 3[]
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