Als werdender Wohnungseigentümer ist nur anzusehen, wer (neben einem durch Vormerkung gesicherten Eigentumserwerbsanspruch) den Besitz an der erworbenen Wohnung durch Übergabe erlangt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in der Entstehungsphase einer Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls im Innenverhältnis zwischen dem teilenden Eigentümer und den Ersterwerbern eine vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes geboten, sobald die Käufer eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition besitzen und infolge des vertraglich vereinbarten Übergangs der Lasten und Nutzungen der Wohnung ein berechtigtes Interesse daran haben, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Wohnungsanlage vorzeitig auszuüben.
Beides ist anzunehmen, wenn ein wirksamer, auf die Übereignung von Wohnungseigentum gerichteter Erwerbsvertrag vorliegt, der Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist.
Im hier entschiedenen Fall sind zwar vordergründig die bereits genannten Voraussetzungen erfüllt, unter denen der Bundesgerichtshof einen Erwerber als werdenden Wohnungseigentümer angesehen hat1. Es bestanden nämlich wirksame, durch Vormerkung gesicherte Übereignungsansprüche und die Erwerberinnen hatten schon vor dem Jahr 2013 jeweils Alleinbesitz an den erworbenen Einheiten begründet, indem sie jeweils einzelne Gegenstände in den erworbenen Wohnungen unterbrachten und dem veräußernden Bauträger, durch die Auswechslung der Haustür den Zutritt zu dem Haus verwehrten. Den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs lagen aber Sachverhalte zugrunde, in denen die Wohnungen zuvor übergeben worden waren. Die Frage, ob der Bauträger dem Erwerber den Besitz verschaffen muss, stellte sich daher nicht. Hiervon ist der Bundesgerichtshof aber ausgegangen; denn er hat das Bedürfnis für die Anerkennung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft maßgeblich daraus abgeleitet, dass die Wohnanlage schon ab Bezugsfertigkeit und Übergabe der verkauften Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden muss, was sinnvollerweise unter Mitwirkung der Erwerber erfolgen sollte2.
Auch in Rechtsprechung und Literatur wird die verbotene Eigenmacht zwar nicht erörtert, eine Übergabe aber meist stillschweigend vorausgesetzt. Die Maßgeblichkeit der Besitzerlangung als solche wird nämlich häufig mit der Vorschrift des § 446 BGB begründet3; diese Bestimmung regelt den Übergang der Kosten und Lasten infolge der kaufvertraglich geschuldeten Übergabe der verkauften Sache. Teils wird auch ausdrücklich eine Einigung zwischen Bauträger und Erwerber über den Besitzübergang gefordert, die mit der Verschaffung unmittelbaren Besitzes – etwa der Aushändigung der Wohnungsschlüssel – einhergehen soll4. Als ausreichend ist es aber auch angesehen worden, dass der Erwerber die Wohnung durch eigenen Bezug oder willentliche Nutzungsüberlassung an dritte Personen tatsächlich in Besitz nimmt; es komme weder auf die Abnahme in der vertraglich vorgesehenen Form5 noch auf die Einhaltung der vertraglichen Voraussetzungen für die tatsächlich erfolgte Besitzeinräumung an6.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist als werdender Wohnungseigentümer nur anzusehen, wer (neben einem durch Vormerkung gesicherten Eigentumserwerbsanspruch) den Besitz an der erworbenen Wohnung durch Übergabe erlangt hat. Daran fehlt es hier.
Geklärt hat der Bundesgerichtshof bereits, dass die mitgliedschaftliche Stellung – anders als es die Revision für richtig hält – nur insgesamt übergehen kann. Wird der Bauträger von den Kosten und Lasten des Wohnungseigentums befreit, verliert er zugleich das Stimm- und Anfechtungsrecht7. Dass die Willensbildung in der Gemeinschaft auf die Erwerber übergeht, ist erklärtes Ziel der Anerkennung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft, die dem Demokratisierungsinteresse der Erwerber Rechnung tragen soll8. Infolgedessen bedarf es der Übergabe der Wohneinheit, die der Bauträger als Verkäufer gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB schuldet; um diese vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, muss er dem Erwerber den unmittelbaren Besitz verschaffen9. Wie das Berufungsgericht zu Recht hervorhebt, kann der Bauträger seine mitgliedschaftliche Stellung nicht ohne oder gegen seinen Willen verlieren und auf diese Weise aus der Gemeinschaft gedrängt werden. Ist die Übergabe erfolgt, ist es unerheblich, ob die vertraglichen Voraussetzungen hierfür vorlagen10 und ob darin im Hinblick auf die werkvertraglichen Pflichten eine Abnahme zu sehen ist11.
Die Belange der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen dem nicht entgegen. Insbesondere wird es dem Verband durch das Erfordernis der Übergabe nicht über Gebühr erschwert, zu ermitteln, wer die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten innehat, also zu Eigentümerversammlungen eingeladen werden muss, dort das Stimmrecht ausüben darf und die Kosten und Lasten zu tragen hat12.
Hat der Erwerber die Wohnung bereits bezogen, kann der Verband grundsätzlich von einer erfolgten Übergabe ausgehen, da eine solche dem Einzug (zumindest stillschweigend) in aller Regel vorausgeht. In diesem Fall kann der Käufer die Erfüllung seiner mitgliedschaftlichen Pflichten im Verhältnis zu dem Verband nicht unter Hinweis auf eine unterbliebene Übergabe verweigern, weil dies im Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten – nämlich dem Einzug in die Wohnung – stünde. Nur wenn der Bauträger seinerseits plausible Gründe dafür mitteilt, dass der Einzug ohne vorherige Übergabe erfolgt ist, ist im Zweifel die Grundbucheintragung maßgeblich und infolgedessen der Bauträger weiterhin als Wohnungseigentümer anzusehen.
Ist die Wohnung – wie hier – noch nicht bezogen, ist schon die Besitzbegründung durch den Erwerber als solche nach außen nicht ohne weiteres erkennbar. Es obliegt den Parteien des Bauträgervertrags, dem Verband eine schon im Vorfeld des Einzugs erfolgte einvernehmliche Übergabe mitzuteilen. Im Zweifel ist auch hier die Grundbucheintragung maßgeblich und der Bauträger als Wohnungseigentümer anzusehen. Bei einer gegen ihn gerichteten Zahlungsklage hat der Bauträger darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein Übergang der mitgliedschaftlichen Stellung auf den Erwerber anzunehmen ist.
Allerdings ist der veräußernde Bauträger im Falle einer verbotenen Eigenmacht durch die fortbestehende Haftung im Außenverhältnis nicht schutzlos. Ihm stehen seine Rechte als eingetragener Eigentümer und Besitzstörungsansprüche zu sowie ggf. Regressansprüche im Innenverhältnis zu seinen Vertragspartnern.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Dezember 2015 – V ZR 80/15
- vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 Rn. 14; Urteil vom 11.05.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 5, 18; Urteil vom 24.07.2015 – V ZR 275/14, NJW 2015, 2877 Rn. 5, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ[↩]
- BGH, Beschluss vom 05.06.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 Rn. 12 aE u. Rn.20; vgl. auch Urteil vom 11.05.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 6 aE: Besitzeinräumung[↩]
- Timme/Dötsch, WEG, 2. Aufl., § 10 Rn. 53; Bärmann/Suilmann, WEG, 13. Aufl., § 10 Rn. 17; BeckOGK/Falkner, § 10 WEG Rn. 68.4; Wenzel, NZM 2008, 625, 626[↩]
- OLG Hamm, FGPrax 2003, 111, 112; so auch Brandau/Hesse, ZfIR 2015, 322, 323, allerdings unter unzutreffender Heranziehung von § 854 Abs. 2 BGB[↩]
- so BayObLGZ 2003, 182, 186[↩]
- so OLG Düsseldorf, NZM 1998, 517[↩]
- BGH, Urteil vom 11.05.2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 18[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 Rn.20; Urteil vom 24.07.2015 – V ZR 275/14, NJW 2015, 2877 Rn. 15[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.11.1995 – V ZR 234/94, NJW 1996, 586, 587[↩]
- insoweit zutreffend OLG Düsseldorf, NZM 1998, 517[↩]
- vgl. BayObLGZ 2003, 181, 186[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24.07.2015 – V ZR 275/14, NJW 2015, 2877 Rn. 16, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ[↩]