Begründet der Zeuge im Zwischenstreit das Recht zur Zeugnisverweigerung einerseits mit der Verwandt- oder Schwägerschaft zur Partei und andererseits mit der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung, handelt es sich um zwei unterschiedliche Verfahrensgegenstände. Erklärt das erstinstanzliche Gericht die Zeugnisverweigerung nur aus einem der beiden Weigerungsgründe für rechtmäßig, fällt der andere Weigerungsgrund in der Beschwerdeinstanz nur an, wenn der Zeuge insoweit Beschwerde oder Anschlussbeschwerde einlegt.

Dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lag eine Klage des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Zeugen zugrunde. Er macht gegen den Ehemann der Tante des Zeugen einen Zahlungsanspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung geltend. Die Tante des Zeugen ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Ehemanns der Tante als Streithelferin beigetreten. Der Zeuge veräußerte zwie Jahre vor Insolvenzeröffnung seinen Miteigentumsanteil an einem Grundstück und wies die Erwerberin über den beurkundenden Notar an, einen Teil des Kaufpreises in Höhe von 80.000 € auf ein Gemeinschaftskonto seiner Tante und ihres Ehemanns zu überweisen. Im Insolvenzverfahren verschwieg der Zeuge gegenüber dem Insolvenzverwalter zunächst den Verbleib des Kaufpreises. Der Insolvenzverwalter geht von der Zahlungsunfähigkeit des Zeugen bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags aus und hat die Zahlung auf das Gemeinschaftskonto gegenüber dem Beklagten insolvenzrechtlich nach § 133 Abs. 1 InsO mit der Behauptung angefochten, der Zeuge habe einen Zugriff seiner Gläubiger auf die Kaufpreiszahlung durch die Umleitung auf ein fremdes Konto verhindern wollen; zu diesem Zweck habe ihm der Beklagte das Konto zur Verfügung gestellt. Zum Beweis für diese Behauptung hat sich der Insolvenzverwalter auf das Zeugnis des Rechtsbeschwerdeführers berufen. Das Landgericht hat den Zeugen unter Angabe des Beweisthemas „Inhalt der Vereinbarungen zwischen dem Schuldner und dem Beklagten betreffend die Überweisung von 80.000 € an den Beklagten“ geladen. Dieser hat das Zeugnis in einer schriftlich eingereichten Erklärung mit der Begründung verweigert, dass er durch eine Aussage sich sowie den Beklagten und die Streithelferin als seine Angehörigen belasten könne.
Das Landgericht Oldenburg hat daraufhin von einer Ladung und Befragung des Zeugen Abstand genommen und dessen Zeugnisverweigerung für rechtmäßig erklärt1. In den Gründen seines Zwischenurteils hat das Landgericht ein Verweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO bejaht, die Voraussetzungen des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO indes verneint. Im Tenor des Zwischenurteils hat das Landgericht kein Teilunterliegen des Zeugen ausgesprochen; die Kosten hat es vollständig dem Insolvenzverwalter auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters hat das Oberlandesgericht Oldenburg das Zwischenurteil abgeändert und die Zeugnisverweigerung – und zwar sowohl nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als auch nach § 384 Nr. 2 ZPO – für unrechtmäßig erklärt2. Auf die vom Oberlandesgericht Oldenburg zugelassenen Rechtsbeschwerde des Zeugen hob der Bundesgerichtshof den Beschluss des Oberlandesgerichts insoweit auf, als das Oberlandesgericht Oldenburg ein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für unberechtigt erklärt hat, und wies die auf diesen Weigerungsgrund bezogene weitergehende Rechtsbeschwerde zurück; im Übrigen verwarf der Bundesgerichtshof die Rechtsbeschwerde als unzulässig.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat ausgeführt, der Zeuge sei weder nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO noch nach § 384 Nr. 2 ZPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Zwischen dem Zeugen und dem Beklagten bestehe keine Verwandt- oder Schwägerschaft im Sinne des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Die Streithelferin sei zwar mit dem Zeugen im Sinne der Norm verwandt. Die Eigenschaft als naher Angehöriger eines (beigetretenen) Streithelfers begründe allerdings kein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, weil der Streithelfer nicht Partei sei und seine Stellung auch für eine Analogie nicht ausreiche. Für den Zeugen bestehe auch nicht (mehr) die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung im Sinne des § 384 Nr. 2 ZPO, denn der in Betracht kommende Straftatbestand des Bankrotts in der Form des Beiseiteschaffens (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 StGB) sei jedenfalls mit Ablauf des 15.07.2021 verjährt. Dass der Zeuge möglicherweise auch eine Bankrottstraftat in der Form des Verheimlichens (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 StGB) begangen habe, wirke sich im Streitfall nicht auf den Lauf der Verjährungsfrist aus.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Zeuge mit ihr seinen Antrag auf Feststellung der Rechtmäßigkeit seiner Zeugnisverweigerung nach § 384 Nr. 2 Fall 2 ZPO weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Rechtsbeschwerde nur beschränkt auf den Weigerungsgrund des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zugelassen. Die wirksame Beschränkung der Zulassung hat zur Folge, dass der Streitstoff, soweit er von der Zulassung nicht erfasst wird, nicht der Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegt3.
Zunächst ist von einer auf die Frage des Bestehens eines Zeugnisverweigerungsrechts nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beschränkten Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht Oldenburg auszugehen.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass sich eine Beschränkung der Zulassung bei einer – wie im Streitfall – im Tenor der Beschwerdeentscheidung unbegrenzt ausgesprochenen Zulassung auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann. Der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit, wonach für die Parteien zweifelsfrei erkennbar sein muss, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, verlangt jedoch, dass eine Beschränkung der Zulassung zweifelsfrei geschehen muss. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen. Von einer beschränkten Zulassung ist aber regelmäßig dann auszugehen, wenn sich die vom Oberlandesgericht Oldenburg als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt4.
So liegt es hier. Im Streitfall ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des angegriffenen Beschlusses, dass sich die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bezieht. Die vom Oberlandesgericht Oldenburg als klärungsbedürftig angeführte Frage, ob eine Verwandt- oder Schwägerschaft zu einem Streithelfer zur Zeugnisverweigerung berechtigt, betrifft allein den Weigerungsgrund des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Nur § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stellt für die Zeugnisverweigerung darauf ab, ob die Angehörigen des Zeugen zugleich Partei des Rechtsstreits sind. Demgegenüber kommt es für den Weigerungsgrund nach § 384 Nr. 2 ZPO nicht darauf an, ob der nahe Angehörige des Zeugen zugleich Partei ist5.
Umstände, die für ein anderes Verständnis der Ausführungen des Oberlandesgerichts Oldenburg zur Zulassung der Rechtsbeschwerde als das der Teilzulassung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Begründung der Zulassung sowie der Umstand, dass die Ausführungen des Oberlandesgerichts Oldenburg zu § 384 Nr. 2 ZPO nicht über eine Einzelfallentscheidung hinausgehen, lässt darauf schließen, dass das Oberlandesgericht Oldenburg hinsichtlich der Voraussetzungen des § 384 Nr. 2 ZPO keine Notwendigkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) gesehen und deshalb auch keine umfassende Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgesprochen hat.
Die Beschränkung der Zulassung auf den Weigerungsgrund des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist wirksam. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden, wohl aber auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst ihre Rechtsbeschwerde beschränken könnte. Dafür ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann6. Nach diesem Maßstab ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Streitfall wirksam beschränkt worden. Bei dem Weigerungsgrund nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO handelt es sich um einen gegenüber dem Weigerungsgrund nach § 384 Nr. 2 ZPO rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs, auf den der Zeuge selbst seine Rechtsbeschwerde hätte beschränken können.
Die einzelnen Weigerungsgründe der §§ 383, 384 ZPO bilden grundsätzlich jeweils unterschiedliche Verfahrensgegenstände. Der Gesetzgeber hat die erfassten Konfliktlagen erkennbar unterschiedlich ausgestaltet. Mit dieser gesetzlichen Differenzierung sind zudem die Regelungen über die Erklärung der Zeugnisverweigerung (§ 386 ZPO) und den Zwischenstreit (§ 387 ZPO) eng verbunden7. So wird der Inhalt des vom Zeugen geltend gemachten Weigerungsgrundes – und damit auch der Verfahrensgegenstand des Zwischenstreits – durch § 386 ZPO bestimmt und begrenzt. Nach dieser Vorschrift hat der Zeuge die Tatsachen anzugeben, auf die er sein Zeugnisverweigerungsrecht stützt. In allen Fällen der Zeugnisverweigerung müssen die Angaben zumindest so weit ins Einzelne gehen, dass das Gericht aufgrund der Sachverhaltsangaben des Zeugen beurteilen kann, ob das Zeugnisverweigerungsrecht zu Recht in Anspruch genommen wird8. Über diesen Sachverhalt hat das Gericht im Zwischenstreit nach § 387 ZPO durch Bestätigung oder Ablehnung der Weigerung des Zeugen zu entscheiden9. Verfahrensgegenstand des durch Zwischenurteil gemäß § 387 ZPO entschiedenen Streits sind demgemäß die in erster Instanz geltend gemachten Weigerungsgründe. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens können entsprechend nur die im Zwischenurteil behandelten Weigerungsgründe sein10. Allein auf diese Gründe erstreckt sich die Rechtskraftwirkung des Zwischenurteils11. Bei rechtskräftiger Verwerfung eines geltend gemachten Weigerungsgrundes tritt nur eine Bindung hinsichtlich dieses einzelnen Weigerungsgrundes ein, so dass es dem Zeugen nicht verwehrt ist, nach Rechtskraft der Weigerungsentscheidung nunmehr einen anderen im Gesetz enthaltenen Weigerungsgrund vorzutragen12.
Ob diese Grundsätze ausnahmslos auf sämtliche Weigerungsgründe nach §§ 383, 384 ZPO übertragbar sind, bedarf keiner Entscheidung. Sie gelten jedenfalls für die Weigerungsgründe nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und § 384 Nr. 2 ZPO, die zwei unterschiedliche Verfahrensgegenstände darstellen. Die Voraussetzungen des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einerseits und diejenigen des § 384 Nr. 2 ZPO andererseits beziehen sich auf unterschiedliche Lebenssachverhalte und sind einer gesonderten rechtlichen und tatsächlichen Beurteilung zugänglich.
Das Gesetz unterscheidet insoweit klar zwischen Angehörigen eines Zeugen, die Partei sind (§ 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), und solchen, die nicht Partei sind (§ 384 Nr. 2 ZPO). Dies beruht auf der bereits vom historischen Gesetzgeber für maßgeblich erachteten Differenzierung nach den von den Konfliktlagen Betroffenen. So beruhen die Weigerungsgründe des § 383 ZPO auf dem persönlichen Verhältnis zwischen dem Zeugen und einer Partei, während die Weigerungsgründe des § 384 ZPO durch die mögliche Rückwirkung der Aussage des Zeugen auf seine Verhältnisse und die seiner Angehörigen motiviert sind13. Sind die Angehörigen des Zeugen nicht zugleich Partei des Rechtsstreits und ist demgemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht anwendbar, schützt das Gesetz den Zeugen nicht generell, sondern bewahrt ihn gemäß § 384 Nr. 2 ZPO nur vor ausgewählten Konfliktsituationen und gewährt ihm insoweit auch grundsätzlich kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht demgemäß nicht, weil die Entscheidung über den Weigerungsgrund des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vom Ausgang des Streits über die Voraussetzungen des § 384 Nr. 2 ZPO unabhängig ist.
Eine andere Bewertung ist nicht deshalb veranlasst, weil das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO unter besonderen Umständen dazu führen kann, dass ein Zeuge – wie auch im Streitfall beantragt – zur Sache gar nicht auszusagen braucht und dies den Wirkungen des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entspricht14. Allein die bei § 383 Abs. 1 Nr. 3, § 384 Nr. 2 ZPO (im Ausnahmefall) mögliche sachliche Übereinstimmung des Rechtsschutzziels genügt nicht, um einen einheitlichen Verfahrensgegenstand anzunehmen, zumal die Weigerungsgründe – ungeachtet ihres Umfangs im Einzelfall – unterschiedlichen Auswirkungen auf die Beweiswürdigung haben. So dürfen aus der Verweigerung des Zeugnisses gemäß § 383 ZPO, da die Entscheidung über die Zeugnisverweigerung allein dem Zeugen obliegt, im Rahmen der Beweiswürdigung keine Schlussfolgerungen zum Nachteil einer Partei gezogen werden15. Hingegen kann es in den Fällen des § 384 Nr. 1 bis Nr. 3 ZPO für die Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zulässig sein, aus der Weigerung, bestimmte Fragen zu beantworten, Schlüsse zu ziehen, wenn besondere, konkret festgestellte Indizien dies rechtfertigen16.
Soweit sich der Zeuge gegen die Versagung des Zeugnisverweigerungsrechts aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wendet, ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Sie führt insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Oberlandesgericht Oldenburg durfte über den Weigerungsgrund keine Entscheidung treffen, weil dieser in der Beschwerdeinstanz nicht angefallen ist. Mangels einer Erstbeschwerde ist eine Sachentscheidung des Bundesgerichtshofs über diesen Weigerungsgrund ausgeschlossen.
Der Weigerungsgrund nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO war nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Das Landgericht hat ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verneint und nur ein solches nach § 384 Nr. 2 ZPO bejaht. Gegen diese Entscheidung hat allein der Insolvenzverwalter sofortige Beschwerde eingelegt und eine Abänderung des Zwischenurteils nur insoweit beantragt, als dem Zeugen erstinstanzlich ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO zuerkannt worden ist. Der Zeuge hat das Zwischenurteil hingegen bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg am 6.12.2021 nicht (wirksam) angegriffen.
Bei dem Zwischenurteil handelt sich um eine auch für den Zeugen beschwerdefähige Entscheidung. Dies gilt ungeachtet dessen, dass das Landgericht im Tenor des Zwischenurteils die von dem Zeugen beantragte Rechtsfolge – nämlich die Berechtigung zu einer umfassenden Zeugnisverweigerung – ausgesprochen und den Zeugen nicht mit Kosten belastet hat. Es mangelt dem Zeugen gleichwohl nicht an der erforderlichen Beschwer.
Eine – für den Zeugen als Antragsteller des Zwischenstreits maßgebliche – formelle Beschwer liegt regelmäßig (nur) dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag des Rechtsmittelführers inhaltlich oder der Form nach abweicht17. Eine Beschwerde wegen Feststellungen und Aussagen in den Entscheidungsgründen scheidet hingegen aus, weil die Begründung nicht in Rechtskraft erwächst18. Demgemäß ist der Antragsteller grundsätzlich nicht beschwert, wenn seinem Antrag aufgrund einer anderen als der von ihm genannten oder gewünschten Begründung entsprochen wird19. Das gilt jedenfalls dann, wenn der vom Gericht angenommene Anspruchsgrund nicht zu einer quantitativen Teilabweisung führt20.
Nach diesen Maßstäben liegt die Beschwer des Zeugen durch das Zwischenurteil in der Versagung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Die Versagung ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor, jedoch eindeutig aus den Entscheidungsgründen. Insoweit ist das Landgericht inhaltlich von dem Antrag des Zeugen abgewichen, der sich nicht nur auf § 384 Nr. 2 ZPO, sondern auch auf § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestützt und damit zwei Verfahrensgegenstände zum Gegenstand des Zwischenstreits gemacht hat. Nach dem Inhalt des Zwischenurteils sah sich das Landgericht dazu berufen, über den Antrag des Zeugen auch für den Weigerungsgrund des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu entscheiden, wollte eine solche Entscheidung treffen und hat ein Zeugnisverweigerungsrecht insoweit abgelehnt. Die Versagung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO enthält demgemäß eine Teilabweisung, die im Tenor des Zwischenurteils hätte berücksichtigt werden müssen21 und auf die sich die Rechtskraftwirkung des Zwischenurteils erstreckt. Unter diesen Voraussetzungen ist der Zeuge auch dann beschwert, wenn das Landgericht es versäumt, den Antrag des Zeugen hinsichtlich des Weigerungsgrundes aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausdrücklich im Tenor zu bescheiden.
Die Einlegung der sofortigen Beschwerde durch den Zeugen hätte sich nicht als unnötige und rechtsmissbräuchliche Beschreitung des Rechtsmittelweges dargestellt. Zwar hat das Landgericht dem Zeugen im Ergebnis – gestützt auf § 384 Nr. 2 ZPO – im Streitfall das von ihm begehrte umfassende Weigerungsrecht zuerkannt. Jedoch konnte sich die Ablehnung des Weigerungsgrundes nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf das weitere Verfahren zum Nachteil des Zeugen auswirken. Das gilt namentlich dann, wenn der Zeuge im weiteren Verlauf zu einer anderen Beweisfrage benannt werden sollte, aus der sich gegebenenfalls eine neue, andere Konfliktlage im Sinne des § 384 Nr. 2 ZPO ergibt. Der Zeuge wäre dann gehalten, erneut einen Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit seiner Weigerung durchzuführen. Dieses Erfordernis besteht hingegen nicht, wenn rechtskräftig feststeht, dass dem Zeugen ein Weigerungsgrund nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zusteht. Denn anders als § 384 Nr. 2 ZPO ist § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mit dem Inhalt der Beweisfrage, sondern mit einer gegenwärtig oder in der Vergangenheit bestehenden Verwandt- oder Schwägerschaft zur Partei verbunden; demgemäß wirkt § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich für die Dauer des Verfahrens.
In jedem Fall war der Zeuge aufgrund der vom Insolvenzverwalter seinerseits gegen das Zwischenurteil und den darin bejahten Weigerungsgrund nach § 384 Nr. 2 ZPO eingelegten sofortigen Beschwerde befugt, eine Anschlussbeschwerde (§ 576 Abs. 3 Satz 1 ZPO) hinsichtlich des Weigerungsgrundes nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einzulegen. Dies war dem Zeugen auch zumutbar. Ohnehin hätte das Oberlandesgericht Oldenburg zu prüfen, ob eine etwaige Stellungnahme des Zeugen zu einer sofortigen Beschwerde einer Partei als – keinem Anwaltszwang unterliegende (§ 569 Abs. 3 Nr. 3 ZPO) – Anschlussbeschwerde des Zeugen auszulegen wäre. Damit bedarf es keiner Entscheidung, ob dem Zeugen im umgekehrten Fall – bei Zuerkennung eines Weigerungsgrundes nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und Ablehnung eines solchen nach § 384 Nr. 2 ZPO – ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen das Zwischenurteil gefehlt hätte.
Der Zeuge hat bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg keine Beschwerde gegen das Zwischenurteil eingelegt, obwohl ihm dies möglich und zumutbar war. Eine sofortige (Erst)Beschwerde (§ 567 Abs. 1 ZPO) hat der Zeuge nicht eingelegt. Die Voraussetzungen einer wirksamen Anschlussbeschwerde (§ 567 Abs. 3 Satz 1 ZPO) sind nicht erfüllt. Zwar hat der Zeuge mit E-Mail vom 11.08.2021 um Aufrechterhaltung des Zwischenurteils gebeten. Selbst wenn darin der Sache nach eine Anschlussbeschwerde zu sehen sein sollte, war diese mangels formgerechter Prozesserklärung nicht wirksam eingelegt. Die gemäß § 569 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderliche Beschwerdeschrift ist ein bestimmender Schriftsatz, für den die allgemeinen Vorschriften der §§ 130, 130a ZPO gelten. Eine E-Mail als elektronisches Dokument fällt in den Anwendungsbereich des § 130a ZPO22. Wegen der Flüchtigkeit und der Gefahr einer möglichen, später nicht mehr nachvollziehbaren Manipulation eines elektronischen Dokuments hat der Gesetzgeber die qualifizierte elektronische Signatur des Absenders vorgeschrieben (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO), um so dem Dokument eine dem Papierdokument vergleichbare dauerhafte Fassung zu verleihen. Eine einfache E-Mail, die – wie im Streitfall – keine qualifizierte elektronische Signatur aufweist, genügt diesen Anforderungen nicht23.
Mangels (wirksamer) Beschwerde des Zeugen kommt eine Sachentscheidung des Bundesgerichtshofs über das Weigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Juli 2023 – IX ZB 7/22
- LG Oldenburg, Zwischenurteil vom 11.03.2021 – 4 O 3407/19[↩]
- OLG Oldenburg, Beschluss vom 06.12.2021 – 1 W 25/21[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 17.04.2012 – VI ZR 140/11, VersR 2012, 1140 Rn. 2 mwN[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 30.03.2007 – V ZR 179/06, NJW 2007, 2182 Rn. 7; vom 11.03.2022 – V ZR 35/21, NJW 2022, 2685 Rn. 7; Beschluss vom 05.10.2022 – XII ZB 74/20, FamRZ 2023, 117 Rn. 14[↩]
- vgl. MünchKomm-ZPO/Damrau/Weinland, 6. Aufl., § 384 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 384 Rn. 21; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 20. Aufl., § 384 Rn. 1[↩]
- st. Rspr., vgl. statt aller BGH, Urteil vom 27.09.2011 – II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; vom 11.11.2022 – V ZR 213/21, NJW 2023, 217 Rn. 8 mwN[↩]
- vgl. Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 386 Rn. 4[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2018 – IX ZR 243/17, WM 2018, 1318 Rn.19; MünchKomm-ZPO/Damrau/Weinland, 6. Aufl., § 386 Rn. 2; Stein/Jonas/Berger, aaO § 386 Rn. 1[↩]
- vgl. Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 387 Rn. 21[↩]
- vgl. OLG Hamm, FamRZ 1999, 939, 940; MünchKomm-ZPO/Damrau/Weinland, aaO § 387 Rn. 11; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 387 Rn. 6[↩]
- vgl. Musielak/Voit/Huber, ZPO, 20. Aufl., § 387 Rn. 3[↩]
- vgl. bereits RG, JW 1889, 169 unter 9; MünchKomm-ZPO/Damrau/Weinland, aaO § 387 Rn. 3 und Rn. 17; Stein/Jonas/Berger, aaO § 386 Rn. 4 und § 387 Rn. 11; Wieczorek/Schütze/Ahrens, aaO; Musielak/Voit/Huber, aaO; Anders/Gehle/Gehle, ZPO, 81. Aufl., § 387 Rn. 23[↩]
- vgl. Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, ZPO, Band 2, Neudruck 1983, S. 312[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1993 – II ZR 255/92, NJW 1994, 197 f; Beschluss vom 08.04.2008 – VIII ZB 20/06, NJW 2008, 2038 Rn. 17[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 27.07.2017 – I ZR 68/16, NJW 2018, 68 Rn. 28 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1993, aaO S.198; MünchKomm-ZPO/Damrau/Weinland, 6. Aufl., § 384 Rn. 4 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.03.1993 – VIII ZR 85/92, NJW 1993, 2052, 2053; vom 17.11.2004 – XII ZR 19/03, NJOZ 2005, 3594; vom 19.10.2021 – VI ZR 1173/20, VersR 2022, 394 Rn. 10 mwN; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 20. Aufl., § 567 Rn.19 und vor § 511 Rn.20; Zöller/Heßler ZPO, 34. Aufl., Vorb. zu §§ 511541 Rn. 13[↩]
- vgl. Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 23. Aufl., § 567 Rn. 32; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl., Vor § 511 Rn. 15 und Rn. 69[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.03.1993 – VIII ZR 85/92, ZIP 1993, 926, 927 f[↩]
- vgl. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO Vor § 511 Rn. 69[↩]
- vgl. auch Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 387 Rn. 25[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 04.12.2008 – IX ZB 41/08, WM 2009, 331 Rn. 6; vom 11.06.2015 – I ZB 64/14, AfP 2016, 48 Rn. 13 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.06.2015, aaO; vom 08.05.2019 – XII ZB 8/19, NJW 2019, 2096 Rn. 16 f; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 20. Aufl., § 569 Rn. 7; MünchKomm-ZPO/Hamdorf, 6. Aufl., § 569 Rn. 14; siehe auch Ulrich/Schmieder, NJW 2019, 113, 116[↩]
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