Ein nachbarrechtlicher Abwehranspruch gegen die nächtliche Beleuchtung benachbarter Gebäude besteht nicht, wenn die Lichtimmissionen die Benutzung des eigenen Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen.

Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit können die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Bund/Länder – Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI)“ als Orientierungshilfe herangezogen werden.
Das Maß der Schutzbedürftigkeit des von einer Immission betroffenen Nachbarn kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit er ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann.
Gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich i.S.d. § 906 BGB ist, richtet sich nach dem Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ und danach, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist1. Dabei muss der Emittent darlegen und beweisen, dass die Einwirkung nicht wesentlich ist2.
Auf Grundlage der Hinweise der LAI lag im hier entschiedenen Fall eine wesentliche Beeinträchtigung der Wohnung der Nachbarin fern. Zwar haben diese Hinweise weder normativen noch quasi-normativen Charakter3. Insbesondere enthalten sie keine Grenz- oder Richtwerte i.S.v. § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Sie können indes als von Sachverständigen ausgearbeitete und von allen Ländern mitgetragene Hinweise gleichwohl als Entscheidungshilfe herangezogen werden4. Die in ihnen enthaltenen Grenz- und Richtwerte binden dementsprechend im Streitfall nicht, bieten aber eine Orientierung5, zumal sie gerade Lichtimmissionen durch künstliche Beleuchtung zum Gegenstand haben6.
Die Gesamtabwägung aller Umstände, die die Lichtimmissionen im Streitfall charakterisieren, rechtfertigt in Anbetracht dieser Orientierungshilfe nicht die Annahme einer mehr als nur unwesentlichen Beeinträchtigung.
Die Bestrahlung des Kirchturms führt – anders als die Nachbarin behauptet – nicht dazu, dass die Schlaf- und Ruheräume nächtlich ununterbrochen mit einer mehrfachen Lichtstärke einer hellen Vollmondnacht ausgeleuchtet werden. Nachdem die Fensterflächen des Schlafzimmers auf die Dachterrasse und damit im rechten Winkel zum angeleuchteten Turm ausgerichtet sind, tendieren bereits die dort gemessenen Beleuchtungswerte gegen Null. Insofern ist die im Rahmen des Augenscheins gewonnene Feststellung des Landgerichts überzeugend, dass im Schlafzimmer der Nachbarin bei zugezogenen Vorhängen nachts ein Grad an Dunkelheit herrscht, der es einer mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertrauten Person nicht erlaubt, sich ohne Hilfsmittel gefahrlos im Raum zu bewegen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Maß der Schutzbedürftigkeit des von einer Immission betroffenen Nachbarn im Einzelfall davon abhängen kann, ob und inwieweit er ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann. Dabei ist anerkannt, dass Eigenschutz gegen Lichtimmissionen innerhalb der Gebäude ohne Einbußen der Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge und Jalousien bewerkstelligt werden kann7.
Das ist auch hier der Fall. Denn ein höherer Grad an Dunkelheit könnte im Schlafraum der Nachbarin ohne weiteres durch Verwendung blickdichter, anstatt lichtdurchlässiger Vorhänge und durch das Einhängen der Verbindungstür zum Bad erreicht werden, aus dem – ausweislich der insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts – mehr Licht in den Schlafraum dringt, als durch die auf die Dachterrasse hin ausgerichteten Fensterflächen.
Unerheblich ist insoweit die Gebrauchsüblichkeit entsprechender Vorrichtungen bei Erbauung des fraglichen Anwesens, nachdem die damaligen Wohnverhältnisse auch in denkmalgeschützten Wohngebäuden heute nicht mehr als sozialadäquat anzusehen sind. Ebenso ohne Belang ist das geltend gemachte Lüftungsbedürfnis der Nachbarin in den Sommermonaten, weil selbst bei geöffneten Fenstern Vorhänge zugezogen und Badezimmertüren geschlossen werden können. Im Übrigen ist einem verständigen Durchschnittsmenschen beim nächtlichen Lüften einer Wohnung in Innenstadtlage durch geöffnete Fenster ein gewisser Grad an Helligkeit zuzumuten.
Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der Ausleuchtung der Dachterrasse. Zwar sind dort die Lichtimmissionen deutlich höher als im Schlafzimmer der Nachbarin. Indes stellt es im Innenstadtbereich keine wesentliche Beeinträchtigung dar, wenn auf einem Freisitz nicht das Maß an Dunkelheit herrscht wie in ländlichen Gebieten.
Die Behauptung der Nachbarin, die Dachterrasse sei aufgrund der Ausleuchtung den Blicken der Nachbarschaft ausgesetzt, hat sich bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Augenscheins nicht bestätigt. Im Übrigen könnte die Nachbarin auch hier durch zumutbare Sichtschutzmaßnahmen im Außenwohnbereich für ein Gefühl größerer Privatheit auf ihrer Dachterrasse sorgen.
Ein Unterbindungsanspruch der Nachbarin ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses.
Aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) folgt für Grundstücksnachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Deren Auswirkungen auf den konkreten Fall fasst man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammen8.
Die Rücksichtnahmepflicht wirkt sich dabei hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus. Sie kann indes im Einzelfall auch eine positive Handlungspflicht begründen, wenn dies – über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend – für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint9.
So liegt der Fall hier nicht. Die von der Nachbarin begehrte Unterbindung der Kirchturmbeleuchtung führte nicht zu einem notwendigen Interessenausgleich, sondern vielmehr zu einer der gesetzlichen Wertung des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB widersprechenden, alleinigen Durchsetzung des Interesses der Nachbarin. Eine solche ist nach § 242 BGB nicht geboten.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 20. Februar 2018 – 12 U 40/17
- BGH, Urteil vom 14.11.2003 – V ZR 102/03, BGHZ 157, 33 27][↩]
- BGH, Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 49][↩]
- OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.12.2013 – 9 U 184/11 25; VGH Mannheim, Urteil vom 29.03.2012 – 3 S 2658/10 39[↩]
- Vgl. BGH, Urteil vom 23.03.1990 – V ZR 58/89, BGHZ 111, 63 10] zu den LAI-Hinweisen zum Freizeitlärm[↩]
- BGH, Urteil vom 10.12.2004 – V ZR 72/04, BGHZ 161, 323 25][↩]
- vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.12.2013 aaO Rn. 25[↩]
- vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 29.03.2012 – 3 S 2658/10 40[↩]
- BGH, Urteil vom 24.01.2008 – IX ZR 216/06, NJW-RR 2008, 610 Rn.19[↩]
- BGH, Urteil vom 08.0.2013 – V ZR 56/12; NJW-RR 2013, 650 Rn. 6[↩]