Die Berufung der Streithelferin

Da eine Berufung nur von Prozessbeteiligten eingelegt werden kann, hängt ihre Zulässigkeit im Falle der Einlegung durch eine Streithelferin davon ab, ob diese rechtzeitig spätestens mit Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 2 ZPO) und wirksam dem Rechtsstreit beigetreten ist1.

Die Berufung der Streithelferin

Der Beitritt kann mit der Einlegung der Berufung verbunden werden (§ 66 Abs. 2, § 70 Abs. 1 Satz 1 ZPO), muss dann jedoch den inhaltlichen Anforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO genügen. Beitritt und Berufung sind zwei selbständige Prozesshandlungen, deren Wirksamkeit je für sich gesondert zu beurteilen ist2.

Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 ZPO muss ein Beitrittsschriftsatz

  • die Bezeichnung der Parteien insbesondere derjenigen, auf deren Seite der Beitritt erfolgen soll und des Rechtsstreits, an dem der oder die Beitretende sich beteiligen will (Nr. 1),
  • die bestimmte Angabe des Interesses, das dem Beitritt zugrunde liegt (Nr. 2)

  • sowie die Erklärung des Beitritts enthalten (Nr. 3).

Dabei dürfen die Anforderungen an die „bestimmte Angabe des Interesses“ im Sinne von § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht überspannt werden, da anderenflls die Rechtsschutzgarantie verletzt wäre.

Sehen prozessrechtliche Vorschriften wie § 66 Abs. 2, § 70 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Möglichkeit vor, ein Rechtsmittel einzulegen, so verbietet die für zivilgerichtliche Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG abzuleitende Rechtsschutzgarantie eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtsweges in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert3. Mit Blick auf diese verfassungsrechtliche Vorgabe hat sich die Auslegung von Prozesshandlungen an dem Grundsatz auszurichten, dass im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht4.

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Danach sind bei der (bloßen) formellen Prüfung des § 70 Abs. 1 Satz 2 ZPO unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift, den Parteien den Beitrittsgrund klarzumachen5, keine überzogenen Anforderungen an die Darlegung des rechtlichen Interesses am Beitritt zum Rechtsstreit zu stellen. So ist beispielsweise der Hinweis auf eine vorausgegangene Streitverkündung regelmäßig ausreichend6. Das Interesse einer Streithelferin am Ausgang des Rechtsstreits kann auch bereits aus den Feststellungen des Berufungsgerichts folgen, wenn die Streithelferin danach gewärtigen muss, dass die Klägerin sie in Regress nimmt, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts rechtskräftig wird7. Ergibt sich das Interesse an einem Beitritt schon aus der mit dem Rechtsmittel angegriffenen Entscheidung, ist eine nähere Darlegung des Interesses im Sinne von § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht erforderlich8.

Nach diesen Maßstäben waren im hier entschiedenen Streitfall die formellen Voraussetzungen von § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO erfüllt: Das rechtliche Interesse der Berufungsführerin ergab sich insbesondere auch für die Beklagte aus den Feststellungen im landgerichtlichen Urteil und den dort in Bezug genommenen Schriftsätzen. Danach war die Berufungsführerin als Empfängerin des Frachtguts neben der Klägerin gegenüber der Beklagten weitere Anspruchsberechtigte im Sinne von § 428 BGB9. Der Zweck der Regelung des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO war damit erfüllt und eine nähere Darlegung des Interesses nicht erforderlich.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. September 2018 – I ZB 100/17

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 04.10.1990 – IX ZB 78/90, NJW 1991, 229, 230; Urteil vom 10.03.1994 – IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537; Urteil vom 16.01.1997 – I ZR 208/94, NJW 1997, 2385; Beschluss vom 11.05.2000 – I ZB 26/99[]
  2. BGH, NJW 1994, 1537; NJW 1997, 2385; BGH, Beschluss vom 11.05.2000 – I ZB 26/99[]
  3. vgl. BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NVwZ 1994, Beilage 9, 65, 66[]
  4. vgl. BGH, NJW 1994, 1537 mwN[]
  5. vgl. RG, Urteil vom 14.06.1921 – II ZR 567/20, RGZ 102, 276, 278; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 70 Rn. 6[]
  6. vgl. RGZ 102, 276, 278; BGH, NJW 1994, 1537 f.; NJW 1997, 2358[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2000 – I ZB 26/99[]
  8. vgl. OLG Hamm, FamRZ 1984, 810, 811[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2006 – I ZR 226/03, TranspR 2006, 363, 365; Versäumnisurteil vom 14.06.2007 – I ZR 50/05, BGHZ 172, 330 Rn. 30[]