Bei der Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht ergänzenden Vortrag der Parteien zu diesem Wert in Erwägung zu ziehen. Hat das Erstgericht die auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall gerichtete Klage hinsichtlich eines Feststellungsantrags abgewiesen, kann der Wert des Beschwerdegegenstandes auch durch ausreichend konkret dargelegte Schadenspositionen bestimmt sein, die erstinstanzlich nicht in Ansatz gebracht wurden oder im Raum standen, sofern im Fall einer Verurteilung die Haftung der Beklagten auch für diese Positionen festgestellt würde.

Hat das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen, die Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO zuzulassen, weil es den Streitwert auf über 600 € festgesetzt hat, und hält das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht, muss es die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind.
Fehlt es – wie in dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall – an einer Zulassung der Berufung durch das Erstgericht (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), ist eine Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt. Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes über dem für eine Wertberufung erforderlichen Betrag von 600 € liegt, ist das Berufungsgericht nicht an eine Streitwertfestsetzung durch das erstinstanzliche Gericht gebunden [1].
Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Klägers ist grundsätzlich von der „formellen Beschwer“ auszugehen. Danach ist der Kläger insoweit beschwert, als das angefochtene Urteil von seinen Anträgen abweicht [2].
Ein Feststellungsantrag erfasst den gesamten dem Kläger entstandenen Schaden, auch solche Positionen, die aus welchem Grund auch immer, nicht mit der Leistungsklage geltend gemacht und auch nicht zur Begründung des Feststellungsantrags konkretisiert werden. Trägt der Kläger nach Abschluss der ersten Instanz im Berufungsverfahren vor, dass Schäden in weiterem Umfang entstanden seien, als sie in erster Instanz vorgetragen wurden, darf dieser Vortrag bei der Wertfestsetzung durch das Berufungsgericht nach § 3 ZPO nicht deshalb unbeachtet bleiben, weil ein entsprechend konkreter Vortrag zum Schadensumfang in erster Instanz fehlte. Der Wert der Beschwer ist nach dem Umfang des gesamten Schadens zu bemessen, wie er sich dem Berufungsgericht aufgrund des Klägervortrags darstellt.
Hat das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen, die Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO zuzulassen, weil es den Streitwert auf über 600 € festgesetzt hat, und hält das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht, muss das Berufungsgericht die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind [3].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Oktober 2010 – VI ZB 74/08
- BGH, Beschluss vom 09.07.2004 – V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219[↩]
- BGH, Urteile vom 09.10.1990 – VI ZR 89/90, VersR 1991, 359, 360; und vom 21.06.1968 – IV ZR 594/68, BGHZ 50, 261, 263; Beschluss vom 19.03.2009 – IX ZB 152/08, NJW ‑RR 2009, 853 Rn. 6[↩]
- BGH, Urteil vom 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218, Rn. 12; Beschlüsse vom 03.06.2008 – VIII ZB 101/07, WuM 2008, 614, Rn. 4 f.; vom 16.06.2008 – VIII ZB 87/06, WuM 2008, 615, Rn. 13; vom 27.04.2010 – VIII ZB 91/09, WuM 2010, 437, Rn. 3[↩]
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