Die doch nicht unstreitige Schadenshöhe

Überspannt das Gericht die Anforderungen an ein wirksames Bestreiten und behandelt es deswegen einen Vortrag fehlerhaft als unstreitig, liegt ein materiellrechtlicher Fehler vor, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist1.

Die doch nicht unstreitige Schadenshöhe

Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei allerdings grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht2. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei3. Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab4.

Etwas anderes gilt hingegen dann, wenn eine Partei einen Vortrag mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten kann. Nach dieser Vorschrift ist die Erklärung einer Partei mit Nichtwissen über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Weitere Voraussetzung ist, dass die Partei für die jeweiligen Tatsachen nicht darlegungs- und beweisbelastet ist5. Die Zulässigkeit einer solchen Erklärung schließt die Verpflichtung der Partei zu substantiiertem Bestreiten aus6. Dies gilt unabhängig von der Substantiierung des gegnerischen Vortrags. Auch ein detaillierter Vortrag, der sich etwa auf ein Privatgutachten oder andere Unterlagen stützt, kann wenn die Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO vorliegen mit bloßem Nichtwissen bestritten werden. Eine Pflicht, eigene Ermittlungen anzustellen, um im Einzelnen auf den gegnerischen Vortrag eingehen zu können, besteht nicht. Ebenso darf ein Vortrag, welcher plausibel und naheliegend erscheint, mit Nichtwissen bestritten werden, ohne dass die bestreitende Partei Anhaltspunkte dafür aufzeigen muss, dass der Vortrag falsch sein könnte7. Eine Grenze besteht nur insoweit, als für das Gericht und den Gegner der Umfang des Bestreitens erkennbar sein muss8.

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Nach diesen Grundsätzen durften die Beklagten den klägerischen Vortrag zur Kausalität und zur Höhe der Sanierungskosten gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten. Der derzeitige Zustand des veräußerten Mietshauses, die aufgrund des Schwammbefalls bereits durchgeführten und noch erforderlichen Arbeiten sowie die behaupteten Mietausfälle, Einlagerungskosten sowie Gutachter- und Architektenkosten unterliegen nicht der eigenen Wahrnehmung der Beklagten. Dies gilt auch für die in den von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten wiedergegebenen Tatsachen. Es besteht keine Verpflichtung der Beklagten, sich mit den Privatgutachten auseinanderzusetzen und deren Fehlerhaftigkeit aufzuzeigen9. Dass der Umfang ihres Bestreitens unklar geblieben wäre, hat das Berufungsgericht gerade nicht festgestellt. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Berufungsurteil, dass die Beklagten umfassend die Erforderlichkeit der von der Klägerin behaupteten Arbeiten aufgrund des Schwammbefalls ebenso bestritten haben wie die hierfür anzusetzenden Beseitigungskosten. Weiterhin haben sie auch die geltend gemachten Folgeschäden in Abrede gestellt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. April 2014 – V ZR 275/12

  1. Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 557 Rn. 30; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl. § 557 Rn. 18; vgl. auch BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, NJW 1995, 130, 131[]
  2. vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 8a[]
  3. BGH, Urteil vom 13.01.2011 – III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn.20; Urteil vom 15.06.2000 – I ZR 55/98, NJW-RR 2000, 1635, 1638; Urteil vom 03.02.1999 – VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404 f. jeweils mwN[]
  4. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 8a[]
  5. BGH, Urteil vom 02.07.2009 – III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rn. 14 mwN[]
  6. BGH, Urteil vom 07.07.1988 – III ZR 111/87, NJW-RR 1989, 41, 43[]
  7. BGH, Urteil vom 08.07.2009 – VIII ZR 314/07, NJW 2009, 2894 Rn. 23; Urteil vom 14.07.2010 – VIII ZR 327/07, RdE 2010, 384 Rn.20; anders nur bei einem rechtsmissbräuchlichen Bestreiten „ins Blaue hinein“, vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2000 – I ZR 55/98, NJW-RR 2000, 1635, 1638[]
  8. BGH, Urteil vom 11.07.1972 – VI ZR 21/71, VersR 1972, 945, 948; vgl. auch BGH, Urteil vom 18.07.2003 – V ZR 275/02, WM 2004, 193, 195 mwN[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2009 – VIII ZR 314/07, NJW 2009, 2894 Rn. 23; vom 14.07.2010 – VIII ZR 327/07, RdE 2010, 384 Rn.20[]
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