Mit einem eingezogenen Erbschein kann der Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1 GBO nicht geführt werden.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war in bteilung – III des Grundbuchs eine Grundschuld über den Betrag von 219.000 € eingetragen. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 06.02.2018 bewilligten die beiden Töchter des Grundpfandrechtsgläubigers deren Löschung, beantragten gemeinsam mit den Grundstückseigentümern deren Löschung und legten hierzu die Kopie eines mit Beschluss vom 21.10.2016 eingezogenen Erbscheins des Amtsgerichts Düsseldorf vom 11.05.2016 vor, wonach ihr Vater von ihrer Mutter beerbt wurde und Testamentsvollstreckung angeordnet ist, sowie einen gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts Gießen vom 15.11.2016, wonach die beiden Töchter je zur Hälfte nach ihrer Mutter sind.
Das Amtsgericht Düsseldorf -Grundbuchamt- hat eine Zwischenverfügung erlassen mit dem Inhalt, dass zur Grundbuchberichtigung ein Erbnachweis nach dem Vater (Grundpfandrechtsgläubiger) erforderlich sei1. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen2. Die hiergegen gerichtete; vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof nun als unbegründet zurückgewiesen; das Grundbuchamt habe die Löschung der Grundschuld zu Recht verweigert.
Die Löschung eines Grundpfandrechts erfordert entweder die Bewilligung des von der Löschung Betroffenen (§ 19 GBO) und die Zustimmung des Eigentümers des Grundstücks (§ 27 Satz 1 GBO) oder den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1, § 27 Satz 2 GBO). An beidem fehlt es.
Mit den von den Beteiligten eingereichten Erbscheinen kann eine zur Löschung des Rechts führende Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht nachgewiesen werden. Eine solche läge nur vor, wenn die Grundschuld nicht entstanden oder zwischenzeitlich erloschen wäre. Dies steht nicht in Rede.
Auf der Grundlage der Löschungsbewilligung der Töchter des Grundschuldgläubigers und der von den Grundstückseigentümern erklärten Zustimmung könnte die Grundschuld nur gelöscht werden, wenn die Beteiligten mit den eingereichten Unterlagen den Übergang der Grundschuld auf die beiden Töchter im Wege der Erbfolge nach ihrem Vater als im Grundbuch eingetragenem Berechtigten nachgewiesen hätten. Dies ist nicht der Fall.
Der Nachweis der Erbfolge kann nach § 35 Abs. 1 GBO nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden oder, wenn sie auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, durch Vorlage der Verfügung und der Niederschrift über deren Eröffnung. Mit den von den Beteiligten eingereichten Erbscheinen ist die Erbfolge nach dem Vater als eingetragenen Grundschuldgläubiger nicht nachgewiesen.
Der Erbschein des Amtsgerichts Gießen bekundet nur die Erbfolge nach ihrer Mutter, und mit dem eingezogenen Erbschein des Amtsgerichts Düsseldorf, der die Erfolge nach dem Vater bekundet, kann der für § 35 GBO erforderliche Nachweis der Erbfolge nicht geführt werden.
Die von den Beteiligten eingereichte Kopie des von dem Amtsgericht Düsseldorf erteilten Erbscheins ist für einen solchen Nachweis von vornherein ungeeignet. Der Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist durch Vorlegung der Urschrift oder einer Ausfertigung des Erbscheins zu führen. Eine beglaubigte Abschrift des Erbscheins ist nicht ausreichend3. Dies gilt erst Recht für eine bloße Fotokopie.
Die Vorlage eines die Erbfolge nach dem Vater bekundenden Erbscheins konnte vorliegend auch nicht durch Verweisung auf die Nachlassakten ersetzt werden. Zwar hat der Bundesgerichtshof eine solche Möglichkeit grundsätzlich anerkannt, wenn die Nachlassakten bei demselben Amtsgericht geführt werden wie die Grundakten3. Dies gilt allerdings nur, wenn in den Nachlassakten ein den Anforderungen des § 35 GBO genügender Erbschein enthalten ist, woran es fehlt, wenn der Erbschein – wie hier – eingezogen oder für kraftlos erklärt wurde. Mit einem eingezogenen Erbschein kann der Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1 GBO nicht geführt werden.
Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass der Besitz einer Urschrift oder Ausfertigung des Erbscheins im Hinblick auf § 2361 BGB besondere Bedeutung hat4. Nach dieser Vorschrift hat das Nachlassgericht einen erteilten Erbschein, dessen Unrichtigkeit sich ergibt, einzuziehen. Mit seiner Einziehung wird der Erbschein nach § 2361 Satz 2 BGB kraftlos. Die Einziehung wird durch das Nachlassgericht beschlossen (§ 38 FamFG) und in der Weise durchgeführt, dass sämtliche erteilten Ausfertigungen und – sofern ausnahmsweise ausgehändigt – die Urschrift zurückgefordert und ggf. unbrauchbar gemacht werden5. Kann der Erbschein nicht sofort zurückerlangt werden, so hat ihn das Nachlassgericht gemäß § 353 Abs. 1 Satz 1 FamFG durch Beschluss für kraftlos zu erklären. Der Zweck dieser Regelungen besteht darin, die von einem unrichtigen Erbschein aufgrund des öffentlichen Glaubens (vgl. § 2366 BGB) für den Rechtsverkehr ausgehenden Gefahren in einem förmlich festgelegten Verfahren zu beseitigen6. Hiermit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn – noch dazu im besonders formalisierten Grundbuchverfahren – ein eingezogener Erbschein als tauglicher Nachweis für die darin bekundete Erbfolge angesehen würde. Vielmehr hat das Grundbuchamt, dem bekannt ist, dass der Erbschein eingezogen oder für kraftlos erklärt wurde, den gestellten Antrag zurückzuweisen oder – wie vorliegend geschehen – einen anderen Erbschein zu verlangen7.
Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grunde der Erbschein eingezogen wurde. Das folgt schon aus der funktionellen Aufgabenverteilung zwischen Nachlassgericht und Grundbuchamt. Dieses hat den Erbschein allein darauf zu prüfen, ob er von der sachlich zuständigen Behörde erteilt worden ist und ob er das Erbrecht formell und unzweideutig bezeugt; auf seine inhaltliche Richtigkeit ist der Erbschein – von eventuellen, hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – nicht zu überprüfen, die Verantwortung hierfür liegt allein bei dem Nachlassgericht8. Das Grundbuchamt hat daher auch nicht zu prüfen, aus welchen Gründen ein Erbschein von dem Nachlassgericht eingezogen wurde und ob er im Übrigen, namentlich hinsichtlich der bescheinigten Erbfolge, richtig war. Es ist deshalb ohne Bedeutung, dass der Erbschein vom 11.05.2016 mit der Begründung eingezogen worden ist, er sei infolge des Todes der Ehefrau im Hinblick auf die Testamentsvollstreckung unrichtig geworden.
Soweit sich die Antragsteller auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München9 berufen, von der sich das Beschwerdegericht ausdrücklich abgegrenzt hat, vermag dies der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Sollte diese Entscheidung dahin zu verstehen sein, dass ein dem Vorerben erteilter, nach dessen Ableben eingezogener Erbschein im Grundbuchverfahren über den Berichtigungsantrag des Nacherben herangezogen werden kann, um zu klären, welcher in dem neu erteilten Erbschein genannte Miterbe Nacherbe ist, wäre dies nicht richtig. Dies folgt zum einen aus dem zuvor Gesagten und zum anderen daraus, dass die Angaben über die Nacherbfolge in dem dem Vorerben erteilten Erbschein nur für die Verfügungsbefugnis des Vorerben von Bedeutung und daher zur bindenden Feststellung des Nacherben nicht geeignet sind10. Auch aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm11, die das Oberlandesgericht München in der genannten Entscheidung Bezug genommen und von der sich das Beschwerdegericht ebenfalls abgegrenzt hat, folgt nichts anderes, denn diese Entscheidung betrifft von vornherein nicht die Konstellation eines eingezogenen Erbscheins.
oweit die Antragsteller im Beschwerdeverfahren geltend gemacht haben, dass für die Erteilung eines neuen Erbscheins Kosten anfallen, vermag dies an dem sich aus § 35 GBO ergebenden Erfordernis der Vorlage eines solchen Erbscheins nichts zu ändern.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. September 2020 – V ZB 8/20
- AG Düsseldorf, Zwischenverfügung vom 04.09.2019 – KK-2034-19[↩]
- OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2020 – I-3 Wx 239/19, FGPrax 2020, 156[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.1981 – V ZB 25/79, NJW 1982, 170, 172[↩][↩]
- vgl. Meikel/Krause, GBO, 11. Aufl., § 35 Rn. 56; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 35 Rn. 23; Staudinger/Herzog, BGB [2016], § 2361 Rn. 42; MünchKomm-BGB/Grziwotz, 8. Aufl., § 2365 Rn. 8[↩]
- vgl. Staudinger/Herzog, BGB [2016], § 2361 Rn. 40 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 27.02.1992 – III ZR 199/89, BGHZ 117, 287, 302; Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl., § 2361 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Grziwotz, 8. Aufl., § 2361 Rn. 1[↩]
- zutreffend Meikel/Krause, GBO, 11. Aufl., § 35 Rn. 87; KEHE/Volmer, Grundbuchrecht, 8. Aufl., GBO § 35 Rn. 61; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 35 Rn. 26; Bauer/Schaub, GBO., 4. Aufl., § 35 Rn. 98[↩]
- vgl. BayObLG, FamRZ 1990, 669, 670; OLG Bremen, FamRZ 2012, 335; OLG Köln, FGPrax 2012, 57; OLG München, FGPrax 2017, 12, 13 f.; OLG Frankfurt, FGPrax 2019, 58; Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl., § 35 Rn. 84; Meikel/Krause, GBO, 11. Aufl., § 35 Rn. 62; KEHE/Volmer, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 35 GBO Rn. 47, 62; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 35 Rn. 26; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 784; BeckOK GBO/Wilsch, [1.06.2020], § 35 Rn. 60[↩]
- OLG München FamRZ 2014, 2027[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.05.1982 – V ZB 8/81, BGHZ 84, 196, 199 f.[↩]
- OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1518[↩]