Die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag – vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist

Das (Berufungs)Gericht darf nicht vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist über einen Wiedereinsetzungsantrag entscheiden.

Die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag – vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist

103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung jedes Schriftsatzes, der innerhalb einer gesetzlichen oder richterlich bestimmten Frist bei Gericht eingeht.

Danach darf das Gericht über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist entscheiden. Es ist unerheblich, ob es die Sache für entscheidungsreif hält, weil der Antragssteller innerhalb der Frist zu den Wiedereinsetzungsgründen ergänzend vortragen kann und darf1.

Die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung beträgt nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Sie beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO).

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör setzt indes außerdem voraus, dass die Partei, die die Frist versäumt hat, vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist noch weiter zu den Wiedereinsetzungsgründen vorgetragen hätte, so dass das Gericht den ergänzenden Vortrag bei seiner Entscheidung hätte berücksichtigen können. Ist dagegen ausgeschlossen, dass die Partei ihren Vortrag zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hinreichend ergänzt hätte, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt2.

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Rechtliches Gehör in der Berufungsinstanz

Dabei ist im hier entschiedenen Fall unerheblich, dass der Kläger die innerhalb der Antragsfrist ebenfalls erforderliche Einreichung einer Berufungsbegründung (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) unterlassen hat. Insoweit ist davon auszugehen, dass dies auf die verfrühte Verwerfungsentscheidung zurückzuführen ist3.

  1. vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 17.02.2011 – V ZB 310/10, NJW 2011, 1363 Rn. 4; BGH, Beschluss vom 29.11.2016 – VI ZB 27/15, NJW 2017, 1111 Rn. 5; Beschluss vom 24.04.2018 – VI ZB 48/17, NJW-RR 2018, 1149 Rn. 6, jeweils mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 17.04.2012 – VI ZB 44/11, NJW 2012, 2201 Rn. 17; siehe zum Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit auch Beschluss vom 29.11.2016 – VI ZB 27/15, NJW 2017, 1111 Rn. 7[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 24.04.2018 – VI ZB 48/17, NJW-RR 2018, 1149 Rn. 8[]