Die fehlerhafte Zahnprothese

Ist eine zahnprothetische Behandlung fehlerhaft, weil sie nicht dem fachärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entspricht, muss kein grober Behandlungsfehler vorliegen, der ein Schmerzensgeld von mehr als 4.000 € rechtfertigt.

Die fehlerhafte Zahnprothese

In einem jetzt vom Oberlandesgericht Hamm entschiedeneb Fall begab sich die Klägerin aus Bielefeld zur prothetischen Versorgung ihres Oberkiefers im Jahre 2002 in zahnärztliche Behandlung. Nachdem für 6 Zähne Implantate eingesetzt und zwei weitere Zähne überkront worden waren, suchte die Patientin die seinerzeit in der Praxis des beklagten Zahnarztes in Nijmwegen tätige, mitverklagte Zahnärztin auf. Die Zahnärztin versorgte die Patientin im Jahre 2003 mit einem festsitzenden Zahnersatz im Oberkiefer, in den sie die beiden überkronten Zähne einband. Dieser Zahnersatz musste im Jahre 2007 entfernt werden, nachdem sich einer der überkronten Zähne erheblich entzündet hatte. Die Patientin musste zunächst ein Langzeitprovisorium tragen, die prothetische Versorgung ihres Oberkiefers war unter Entfernung der beiden überkronten Zähne zu erneuern. Nunmehr verlangte sie von den Zahnärztin Schadensersatz, u.a. den Ersatz weiterer Behandlungskosten von ca. 4.000 € und ein Schmerzensgeld von 20.000 €, da dass die Planung und Ausführung ihrer prothetischen Versorgung durch die Beklagten grob fehlerhaft gewesen sei.

Ihre Schmerzensgeldforderung hat die Patientin vor dem Oberlandesgericht Hamm nur im Umfang von 4.000 € – sowie weitere 4.000 € Behandlungskosten – durchsetzen können:

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Nach der Anhörung eines zahnmedizinischen Sachverständigen hat das OLG Hamm zwar zahnärztliche Behandlungsfehler feststellen können, aber keine Fehler, die als grob zu bewerten waren und ein deutlich höheres Schmerzensgeld gerechtfertigt hätten. Zwar seien die Schraubenköpfe mehrerer Implantate beim Präparieren der Abutments (Stützpfeiler) beschädigt worden, was bereits eine neue Konstruktion der prothetischen Versorgung erforderlich gemacht habe. Außerdem hätten die überkronten Zähne nicht in eine langfristige Versorgung einbezogen werden dürfen, weil sie parodontal geschwächt gewesen sein. Darüber, dass die von den Beklagten gewählte Lösung eine zeitlich begrenzte Haltbarkeit gehabt habe, sei die Klägerin zudem nicht hinreichend aufgeklärt worden.

Mit dem zahnmedizinischen Sachverständigen stufe der Senat die Fehler aber nicht als grobe Behandlungsfehler ein. Ein grober Behandlungsfehler liege erst dann vor, wenn ein Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen habe und einen aus objektiv ärztlicher Sicht nicht mehr verständlichen Fehler gemacht habe, der einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. In diesem Sinne seien die vorliegenden Behandlungsfehler nicht zu bewerten. So seien die beiden überkronten Zähne bei der Behandlung durch die Beklagten erst leicht vorgeschädigt gewesen und hätten nicht in jedem Fall sofort entfernt werden müssen. Wenn ihre parodontale Nachbehandlung sichergestellt worden wäre, hätten sie sogar in eine prothetische Versorgung einbezogen werden können. Lediglich im Fall einer optimalen prothetischen Versorgung wären sie von Anfang an zu entfernen gewesen. Der spätere Verlust der beiden Zähne rechtfertige deswegen auch kein höheres Schmerzensgeld, ebenso nicht die von der Klägerin erlittenen Schmerzen, die bereits nach den Angaben der Klägerin nicht als für eine Zahnbehandlung außergewöhnlich einzustufen sein.

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