Die für eine Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Verbindlichkeit

Ein Wohnungseigentümer, der Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer getilgt hat, kann von den anderen Eigentümern auch dann keine unmittelbare (anteilige) Erstattung seiner Aufwendungen verlangen, wenn er später aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist; das gilt auch bei einer zerstrittenen Zweiergemeinschaft1.

Die für eine Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Verbindlichkeit

Insoweit fehlt es trotz des Ausscheidens des zahlenden Wohnungseigentümers aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) an einer Anspruchsgrundlage für einen unmittelbaren Aufwendungsersatzanspruch gegen den anderen Wohnungseigentümer.

Ob in einer Zweiergemeinschaft einem Wohnungseigentümer gegen den anderen Wohnungseigentümer ein Ausgleichsanspruch zusteht, beurteilt sich im hier entschiedenen Fall  mangels abweichender Übergangsvorschriften nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung, da der maßgebliche Sachverhalt, nämlich die Tilgung von Verbindlichkeiten der GdWE, bereits abgeschlossen ist2.

Im Ausgangspunkt nimmt das Landgericht Saarbrücken in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend an, dass dem einzelnen Wohnungseigentümer, der eine Verbindlichkeit der GdWE tilgt, nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften – ungeachtet der Meinungsunterschiede über die zutreffende Anspruchsgrundlage – nur gegenüber der GdWE ein Aufwendungsersatzanspruch zusteht. Da der in Vorlage tretende Wohnungseigentümer für die Gemeinschaft tätig wird und sie von ihrer Schuld (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 2 WEG aF) befreit, ergibt sich ein Erstattungsanspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer weder aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus Bereicherungsrecht3.

Weiterlesen:
Facebook - und der Zugang der Erben

Wie das Landgericht Saarbrücken weiter richtig ausführt, scheidet auch die Haftung eines Wohnungseigentümers nach § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG aF (entsprechend § 9a Abs. 4 Satz 1 WEG) für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft gegenüber einem anderen Wohnungseigentümer aus, wenn es sich – wie hier – um Ansprüche handelt, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrühren (sog. Sozialverbindlichkeiten), zu denen Aufwendungsersatzansprüche wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit der Gemeinschaft gehören. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Befriedigung aus dem Gemeinschaftsvermögen zu erwarten ist oder nicht. Andernfalls würden die im Wohnungseigentumsgesetz für das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer getroffenen Regelungen und das im Gesetz vorgesehene Finanzsystem der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unterlaufen4. Nichts Anderes gilt in einer (zerstrittenen) Zweiergemeinschaft, in der ein Verwalter nicht bestellt ist und in der wegen des Kopfstimmrechts keine Mehrheitsbeschlüsse möglich sind, oder wenn der zwischenzeitlich aus der GdWE ausgeschiedene Wohnungseigentümer für die während seiner Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft entstandenen oder während dieses Zeitraums fällig gewordenen Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Anspruch genommen werden soll5.

Nach diesen Maßstäben kann der zahlende Wohnungseigentümer allein die GdWE auf Ersatz der für sie getätigten Aufwendungen in Anspruch nehmen. Anders als das Landgericht Saarbrücken meint, haftet der eine Wohnungseigentümer dem anderen nicht deshalb ausnahmsweise unmittelbar, weil er infolge der Veräußerung seiner Einheit nicht mehr Mitglied der Gemeinschaft ist. Ein Wohnungseigentümer, der Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer getilgt hat, kann von den anderen Eigentümern auch dann keine unmittelbare (anteilige) Erstattung seiner Aufwendungen verlangen, wenn er später aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist; das gilt auch bei einer zerstrittenen Zweiergemeinschaft.

Weiterlesen:
Wasserrohrbruch in der Eigentumswohnung

Zwar nimmt ein ausgeschiedener Wohnungseigentümer nach der Veräußerung seiner Einheit die Stellung eines außenstehenden Dritten ein. Es ist ihm nicht mehr möglich, unmittelbar auf die Beschlussfassung der Gemeinschaft Einfluss zu nehmen und eine Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG anzustrengen.

Das Ausscheiden ändert aber nichts daran, dass es sich bei dem noch während seiner Mitgliedschaft entstandenen Erstattungsanspruch gegen die Gemeinschaft um eine Sozialverbindlichkeit handelt, auf die § 10 Abs. 8 WEG aF nicht anwendbar ist6. Ob der Haftungstatbestand des § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG aF nach Sinn und Zweck der Vorschrift eingreift, bestimmt sich nach der Art des gegen die Gemeinschaft begründeten Anspruchs in dem Zeitpunkt seines Entstehens. Forderungen eines Wohnungseigentümers auf Aufwendungserstattung wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit der GdWE haben ihre Grundlage ausschließlich in dem Gemeinschaftsverhältnis und sind untrennbar mit der Stellung des Ausgleichsberechtigten als (früherem) Wohnungseigentümer verbunden7. Ansprüche dieser Art werden deshalb auch nicht durch die spätere Beendigung der Mitgliedschaft zu „normalen“ Drittgläubigerforderungen, auf welche die Außenhaftung nach § 10 Abs. 8 WEG aF entsprechend ihrer gesetzgeberischen Zielrichtung8 jedoch beschränkt ist.

Der ausgeschiedene Wohnungseigentümer muss sich daher an die Gemeinschaft als Schuldnerin seiner Ersatzforderung halten und ggf. die Vollstreckung gegen diese betreiben. Die Durchsetzung von Ansprüchen gegen die GdWE ist trotz des damit – insbesondere bei fehlender Finanzausstattung der Gemeinschaft – einhergehenden Aufwands weder aussichtlos noch unzumutbar.

Weiterlesen:
Prozesskostenhilfe für die Wohnungseigentümergemeinschaft

Ist die Gemeinschaft nicht mit Finanzmitteln ausgestattet und fehlen Beschlüsse über Wirtschaftspläne, Jahresabrechnungen oder die Erhebung einer Sonderumlage, kann der Gläubiger den Anspruch der Gemeinschaft gegen ihre Mitglieder auf ordnungsmäßige Verwaltung, insbesondere durch Beschlussfassungen über die Zuführung von Mitteln an die Gemeinschaft, oder aber deren Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Pflichten der Mitglieder im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Finanzausstattung der Gemeinschaft pfänden9.

Die mit einer solchen Vorgehensweise verbundenen Schwierigkeiten, die den Gesetzgeber 2007 bewogen haben, die anteilsmäßige Außenhaftung in § 10 Abs. 8 WEG aF zugunsten externer Gläubiger der GdWE einzuführen10, treffen den ausgeschiedenen Wohnungseigentümer überdies nicht derart unvermeidbar wie einen unbeteiligten Dritten. Der frühere Eigentümer kann die Innenverhältnisse der Gemeinschaft erheblich besser überblicken und die Vollstreckung deshalb von vornherein zielgerichteter angehen. Außerdem hat es jeder Wohnungseigentümer in der Hand, noch vor der Veräußerung seiner Einheit – ggf. anwaltlich beraten – die Erstattung seiner Aufwendungen in der für die Mitglieder der Gemeinschaft vorgegebenen Weise zu verfolgen, also durch Beschlussanträge und ggf. Beschlussersetzungsklagen für eine ordnungsgemäße Finanzausstattung der Gemeinschaft zu sorgen. Zudem steht es ihm offen, geeignete Vereinbarungen mit seinem Erwerber zu treffen, um letztlich den von ihm erstrebten Ausgleich zu erreichen.

Bestätigt wird dieses Ergebnis dadurch, dass sich der Gesetzgeber durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.10.201811 nicht veranlasst gesehen hat, eine anderweitige Regelung in Bezug auf die Haftung einzelner Wohnungseigentümer für Sozialverbindlichkeiten zu treffen. Vielmehr hat er die Vorschrift des § 10 Abs. 8 Satz 1 bis 3 WEG aF in der Sache unverändert in § 9a Abs. 4 WEG übernommen12 und Ergänzungen auch an anderer Stelle nicht vorgenommen. Bereits in seiner Entscheidung vom 26.10.2018 hatte der Bundesgerichtshof jedoch die Haftung nach § 10 Abs. 8 WEG aF maßgeblich davon abhängig gemacht, dass die Forderungen nicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrühren, und eine Haftung eines Wohnungseigentümers gegenüber einem anderen auf Fälle beschränkt, in denen die geltend gemachten Ansprüche in keinerlei Zusammenhang mit dessen Stellung als Wohnungseigentümer stehen13.

Weiterlesen:
Aufrechnung nach Schlagabtausch

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. März 2022 – V ZR 92/21

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 25.09.2020 – V ZR 288/19, NZM 2021, 146[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2021 – V ZR 32/21, Rn. 6 mwN, zur Veröffentlichung bestimmt[]
  3. BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 279/17, NZM 2019, 415 Rn. 5 ff.; Urteil vom 07.05.2021 – V ZR 254/19, NJW-RR 2021, 945 Rn. 4[]
  4. vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 279/17, NZM 2019, 415 Rn. 5 ff.[]
  5. BGH, Urteil vom 25.09.2020 – V ZR 288/19, NZM 2021, 146 Rn. 7 ff., 22 ff.[]
  6. a.A. Abramenko in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 9a Rn. 120; jurisPK-BGB/Lafontaine, 9. Aufl., § 9a WEG Rn. 263[]
  7. BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 279/17, NZM 2019, 415 Rn. 15 ff.[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 279/17, NZM 2019, 415 Rn. 18, 20[]
  9. vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 174 ff.; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 3 Rn. 107 f.[]
  10. vgl. BT-Drs. 16/887 S. 63 ff.[]
  11. BGH, Beschluss vom 26.10.2018 – V ZR 279/17, NZM 2019, 415[]
  12. vgl. BT-Drs.19/18791 S. 48[]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 279/17, NZM 2019, 415 Rn. 15 ff.[]
Weiterlesen:
Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes