Die Gefahrenabwendungspflicht des Produktherstellers

Die Sicherungspflichten des Warenherstellers enden nicht mit dem Inverkehrbringen des Produkts. Er ist vielmehr verpflichtet, auch nach diesem Zeitpunkt alles zu tun, was ihm nach den Umständen zumutbar ist, um Gefahren abzuwenden, die sein Produkt erzeugen kann. Er muss es auf noch nicht bekannte schädliche Eigenschaften hin beobachten und sich über seine sonstigen, eine Gefahrenlage schaffenden Verwendungsfolgen informieren. Hieraus können sich insbesondere Reaktionspflichten zur Warnung vor etwaigen Produktgefahren ergeben, wobei Inhalt und Umfang einer Warnung und auch ihr Zeitpunkt wesentlich durch das jeweils gefährdete Rechtsgut bestimmt werden und vor allem von der Größe der Gefahr abhängig sind. Erst recht treffen den Hersteller solche Pflichten, sobald er erkennt oder für möglich hält, dass sein Produkt einen ihm anzulastenden Konstruktionsfehler aufweist.

Die Gefahrenabwendungspflicht des Produktherstellers

Die Sicherungspflichten des Herstellers nach Inverkehrbringen seines Produkts sind nicht notwendig auf die Warnung vor etwaigen Gefahren beschränkt. Sie können etwa dann weiter gehen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Warnung, selbst wenn sie hinreichend deutlich und detailliert erfolgt, den Benutzern des Produkts nicht ausreichend ermöglicht, die Gefahren einzuschätzen und ihr Verhalten darauf einzurichten. Ferner kommen weiter gehende Sicherungspflichten dann in Betracht, wenn die Warnung zwar ausreichende Gefahrkenntnis bei den Benutzern eines Produkts herstellt, aber Grund zu der Annahme besteht, diese würden sich – auch bewusst – über die Warnung hinwegsetzen und dadurch Dritte gefährden. In solchen Fällen kann der Hersteller aufgrund seiner Sicherungspflichten aus § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet sein, dafür Sorge zu tragen, dass bereits ausgelieferte gefährliche Produkte möglichst effektiv aus dem Verkehr gezogen oder nicht mehr benutzt werden.

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Aus deliktischer Sicht würde eine weiter gehende Pflicht des Herstellers, bereits im Verkehr befindliche fehlerhafte Produkte nicht nur zurückzurufen, sondern das Sicherheitsrisiko durch Nachrüstung oder Reparatur auf seine Kosten zu beseitigen, jedenfalls voraussetzen, dass eine solche Maßnahme im konkreten Fall erforderlich ist, um Produktgefahren, die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern der Benutzer oder unbeteiligter Dritter drohen, effektiv abzuwehren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der deliktsrechtliche Schutz nicht deren Äquivalenzinteresse, sondern allein ihr Integritätsinteresse erfasst.

Wie weit die Gefahrabwendungspflichten des Herstellers gehen, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entscheiden. Zur Abwendung von Gefahren, die Dritten durch die Nutzung von Produkten bekannter oder zumindest ermittelbarer Abnehmer drohen, kann es auch in Fällen erheblicher Gefahren vielfach genügen, dass der Hersteller die betreffenden Abnehmer über die Notwendigkeit einer Nachrüstung oder Reparatur umfassend informiert und ihnen, soweit erforderlich, seine Hilfe anbietet, um sie in die Lage zu versetzen, die erforderlichen Maßnahmen in geeigneter Weise auf ihre Kosten durchzuführen. Je nach Lage des Falles kann auch eine Aufforderung zur Nichtbenutzung oder Stilllegung gefährlicher Produkte, gegebenenfalls in Verbindung mit öffentlichen Warnungen und der Einschaltung der zuständigen Behörden, als geeignete Maßnahme zum Schutz vor drohenden Gefahren in Betracht kommen und ausreichend sein.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2008 – VI ZR 170/07

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