Die Auskunftspflicht nach § 840 Abs. 1 ZPO hängt nicht davon ab, ob dem Hauptschuldner die gepfändeten Forderungen tatsächlich zustehen. Die Auskunftspflicht besteht auch dann, wenn die Pfändung ins Leere geht.

Der Drittschuldner hat gemäß § 840 Abs. 1 ZPO binnen zwei Wochen, von der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an gerechnet, dem Gläubiger zu erklären: 1. ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei; 2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen; 3. ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei. Die Aufforderung zur Abgabe dieser Erklärungen muss in die Zustellungsurkunde aufgenommen werden (§ 840 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Im hier entschiedenen Fall enthielt die Zustellungsurkunde die Aufforderung an die Arbeitgeberin, sich binnen zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu den oben genannten Fragen zu erklären. Diese Verpflichtung hat die Arbeitgeberin selbst nach zwei nochmaligen schriftlichen Aufforderungen nicht erfüllt. Dadurch sind der Arbeitgeberin Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 2.738, 45 entstanden.
Die Auskunftspflicht nach § 840 Abs. 1 ZPO hängt nicht davon ab, ob dem Hauptschuldner die gepfändeten Forderungen tatsächlich zustehen. Die Auskunftspflicht besteht auch dann, wenn die Pfändung ins Leere geht1.
Das Vollstreckungsgericht prüft bei der Pfändung nicht, ob die gepfändete Forderung tatsächlich besteht. Gegenstand der Pfändung ist nur eine „angebliche“ Forderung. Der Auskunftsanspruch bezweckt, dem Gläubiger so schnell wie möglich Klarheit über seine Befriedigungsaussichten zu verschaffen. Dazu muss er insbesondere wissen, ob dem Schuldner gegenüber dem Drittschuldner überhaupt ein der Pfändung unterliegender Anspruch zusteht. Gerade deshalb hat der Gesetzgeber die Frage nach dem Ob in den Katalog der zu erteilenden Auskünfte aufgenommen. Der Drittschuldner hat zunächst zu erklären, ob er die Forderung als begründet anerkennt. Unterlässt der Drittschuldner die nach § 840 Abs. 1 ZPO geforderten Angaben, so kann der Gläubiger von der Beitreibbarkeit des gepfändeten Anspruchs ausgehen und diesen einklagen2. Eine weitere – zusätzliche Kosten auslösende – Aufforderung des Gläubigers ist nicht erforderlich, weshalb die hiermit ggf. verbundenen Anwaltskosten nicht zu erstatten sind3.
Die Erklärungspflicht des Drittschuldners dient nicht nur dem Gläubigerinteresse, sondern ist auch Ausdruck staatlicher Ordnungsinteressen, die eine Belastung der Gerichte durch unnötige Prozesse verhindern soll. Der Gläubiger soll eben nicht gezwungen werden, auf einen bloßen Verdacht hin den vermuteten Drittschuldner mit einer Klage zu überziehen4. Der Drittschuldner ist demgegenüber nicht schutzbedürftig, da er die erbetenen Auskünfte regelmäßig ohne größeren Zeit- und Kostenaufwand erteilen kann. Es gibt kein schützenswertes Interesse, die Angabe, dass eine Forderung nicht besteht, also nicht als begründet anerkannt wird, zu verweigern.
Die Arbeitgeberin hätte die verlangte Auskunft ohne weiteres rechtzeitig erteilen und damit die Zahlungsklage vermeiden können. Es gab keinen Anlass, die erst im Laufe des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 04.03.2015 vorgelegte Erklärung nicht schon vor der Klageerhebung abzugeben. Die verspätete Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis mit dem Streitverkündeten hat unnötige Prozesskosten verursacht und zu einer unnötigen Inanspruchnahme der Gerichte geführt.
Der Schadensersatzanspruch aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO setzt Verschulden voraus5. Der Schuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Nichterteilung bzw. die nicht rechtzeitige Erteilung der Auskunft nicht auf einem Verschulden seinerseits beruht6.
Der Schuldner hat, wenn nichts anderes bestimmt ist oder sich ergibt, Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Zur im Geschäftsverkehr üblichen Sorgfalt gehört es u. a., durch entsprechende organisatorische Maßnahmen und Einweisung der Mitarbeiter die Bearbeitung der eingehenden Geschäftspost sicherzustellen. Abgesehen davon hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden (§ 278 Satz 1 BGB).
Im vorliegenden Fall hat die Arbeitgeberin nicht dargelegt, dass die verspätete Erteilung der Auskunft eben nicht auf mangelnder Sorgfalt im Geschäftsverkehr beruht. Sollte der Geschäftsführer, wie er behauptet hat, erst später von der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfahren haben, kann das durchaus auf eine unzureichende Organisation des Betriebs oder auf eine unzureichende Unterweisung von Beschäftigten zurückgehen. Einzelheiten zum Verbleib oder Verlust der zugestellten Unterlagen sind nicht vorgetragen. Die Arbeitgeberin hat nicht weiter aufgeklärt, weshalb der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht zur Geschäftsführung gelangt und wo er verblieben ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterlagen trotz Beachtung der im Geschäftsverkehr gebotenen Sorgfalt aus anderen Gründen (z. B. aufgrund eines Brand- oder Wasserschadens) verloren gegangen sind und nicht rechtzeitig bearbeitet werden konnten.
Keinesfalls entsprach es mehr der im Geschäftsverkehr gebotenen Sorgfalt, die späteren Schreiben der Pfändungsgläubigerin unbeachtet zu lassen. Die letztlich unnötige Klage hätte sich auch zu diesem Zeitpunkt noch mit geringem Aufwand vermeiden lassen.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg ‑Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2017 – 5 Sa 110/16
- OLG Schleswig, Urteil vom 24.11.1989 – 11 U 51/89 – NJW-RR 1990, 448; LG Mönchengladbach, Urteil vom 20.11.2008 – 10 O 97/08, Rn. 16, JurBüro 2009, 273; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl.2016, § 840, Rn. 2[↩]
- BGH, Urteil vom 04.05.2006 – IX ZR 189/04, Rn. 11, NJW-RR 2006, 1566[↩]
- BGH, Urteil vom 04.05.2006 – IX ZR 189/04, Rn. 14, NJW-RR 2006, 1566[↩]
- OLG Schleswig, Urteil vom 24.11.1989 – 11 U 51/89 – NJW-RR 1990, 448; LG Mönchen-gladbach, Urteil vom 20.11.2008 – 10 O 97/08, Rn. 16, JurBüro 2009, 273; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl.2016, § 840, Rn. 2[↩]
- BAG, Urteil vom 16.05.1990 – 4 AZR 56/90, Rn. 16, NJW 1990, 2643; BGH, Urteil vom 28.01.1981 – VIII ZR 1/80, Rn. 13, NJW 1981, 990; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl.2016, § 840, Rn. 12[↩]
- BAG, Urteil vom 16.05.1990 – 4 AZR 56/90, Rn. 16, NJW 1990, 2643; BGH, Urteil vom 28.01.1981 – VIII ZR 1/80, Rn. 14, NJW 1981, 990; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl.2016, § 840, Rn. 12[↩]