Die in der Zwangsversteigerung stehen gebliebene Grundschuld – und die Sicherungsabrede

Ein Grundstückseigentümer, der eine Sicherungsgrundschuld bestellt, hat aus dem Sicherungsvertrag gegen den Sicherungsnehmer einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten schuldrechtlichen Anspruch auf Abtretung, auf Verzicht oder auf Aufhebung des nicht valutierten Teils der Grundschulden hat1.

Die in der Zwangsversteigerung stehen gebliebene Grundschuld – und die Sicherungsabrede

Richtigerweise ist der Sicherungsvertrag dahin auszulegen, dass der Sicherungszweck entfällt, wenn der Sicherungsgeber aus dem gesicherten Darlehen nichts mehr schuldet. Das durch die Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks bedingte Auseinanderfallen von dinglicher und (ehemaliger) persönlicher Haftung verändert die sich aus dem Sicherungsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten der Parteien nicht.

Bestünde der Sicherungszweck fort, könnte die Grundschuldgläubigerin die Grundschuld weiterhin verwerten, und sich aus dem Erlös befriedigen. Hieran ist sie durch die Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks nicht gehindert; die Ersteherin hat die Grundschuld übernommen und haftet der Grundschuldgläubigerin in voller Höhe des Nennbetrags2. Die Zwangsversteigerung ändert aber auch nichts an der durch den Sicherungsvertrag begründeten Pflicht der Grundschuldgläubigerin, die Grundschuld nach Wegfall des Sicherungszwecks der früheren Grundstückseigentümerin zurückzugewähren. Nach einer Zwangsversteigerung ist dies allerdings nur durch Abtretung der Grundschuld möglich; die entgegenstehende Vereinbarung im Darlehensvertrag ist nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB unwirksam3.

Diese Rechtsfolgen führen für den Bundesgerichtshof auch nicht zu interessenwidrigen Ergebnissen:

Die Ersteherin hat ein belastetes Grundstück erworben, dafür aber ein entsprechend geringeres Bargebot nach § 49 Abs. 1 ZVG entrichtet; ein Teil des nach den Versteigerungsbedingungen zu erbringenden Kaufpreises ist durch den nominalen Grundschuldbetrag ersetzt worden4. Die frühere Eigentümerin des Grundstücks hat dadurch im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens weniger erlöst. Dass sie im Falle der von ihr verlangten Abtretung der Grundschuld ein werthaltiges Recht erhielte, ist daher konsequent. Ist der Sicherungszweck entfallen, steht die Grundschuld wirtschaftlich gesehen nicht mehr der Grundschuldgläubigerin, sondern der früheren Grundstückseigentümerin zu.

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Zurückweisung eines Befangenheitsantrags - und die Gehörsrüge

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Oktober 2020 – V ZR 98/19

  1. vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2016 – IX ZR 259/13, NJW 2016, 3239 Rn. 8 mwN[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2016 – V ZR 285/14, BGHZ 209, 1 Rn. 9 f.[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2016 – V ZR 285/14, aaO Rn. 13; Urteil vom 18.07.2014 – V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 Rn. 7 und 18[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 21.05.2003 – IV ZR 452/02, BGHZ 155, 63, 65 f.[]