Die abgewiesene Klage der Darlehensnehmerin – und die Höhe der Beschwer

Für den Wert der mit dem Rechtsmittel geltend zu machenden Beschwer ist maximal der Betrag maßgeblich, dessen Zahlung die Klägerin vorinstanzlich erfolglos verlangt hat.

Die abgewiesene Klage der Darlehensnehmerin – und die Höhe der Beschwer

Begehrt ein Darlehensnehmer die Feststellung, dass ein Darlehensvertrag, der im Fall eines wirksamen Widerrufs gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung nach den §§ 346 ff. BGB rückabzuwickeln ist, aufgrund eines Widerrufs „beendet“ ist bzw. sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat, so sind für Streitwert und Beschwer die bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen maßgeblich1.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat die Klägerin aber keine derartige Feststellungsklage erhoben. Sie hat sowohl in der ersten Instanz als auch mit der Berufungsbegründung in der Hauptsache nur die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 9.813, 13 € beantragt. Zur Ermittlung dieses Betrags ist die Klägerin zum einen davon ausgegangen, dass die Beklagte Rückzahlung der Darlehensvaluta in Höhe von 170.000 € und Wertersatz für die von der Klägerin aus dem jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta gezogenen Nutzungen in Höhe von 38.525, 68 € verlangen könne. Zum anderen könne die Klägerin ihrerseits Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 216.542, 60 € sowie Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der vermuteten Nutzung der Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 1.796, 22 € verlangen. Aus diesen wechselseitigen Ansprüchen hat die Klägerin einen „Rückabwicklungssaldo“ zu ihren Gunsten in Höhe von 9.813, 13 € errechnet. Mit dieser Saldierung der sich aus §§ 346 ff. BGB ergebenden wechselseitigen Rückgewähr- und Herausgabeansprüche hat die Klägerin jedenfalls in der Klageschrift konkludent die Aufrechnung erklärt2.

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Verlangt der Darlehensnehmer nur die Zahlung des sich nach Aufrechnung zu seinen Gunsten ergebenden Saldos, ist nach §§ 3, 4 Abs. 1 ZPO für Streitwert und Beschwer nur der geforderte Betrag, der hier angesichts der in die Saldierung einbezogenen Beträge auch keine Nebenforderungen nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO enthält, maßgeblich.

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts anderes3. Gegenstand der vom OLG München angeführten Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 04.03.20164; und vom 25.10.20165 waren jeweils nur Anträge auf Feststellung, dass der streitgegenständliche Darlehensvertrag „durch den Widerruf beendet worden ist“ bzw. „wirksam widerrufen wurde“ und die Klägerseite der Beklagten nur noch bzw. nicht mehr als einen bestimmten Betrag schuldet, nicht aber ein Leistungsantrag auf Zahlung eines sich zu Gunsten der Klägerseite ergebenden bestimmten Saldos. In dem Verfahren, das dem von Lechner6 angeführten BGH, Beschluss vom 25.10.20167 zugrunde lag, war der bezifferte Zahlungsantrag gerade auf die Rückzahlung der erbrachten Tilgungs- und Zinsleistungen gerichtet8 und nicht auf die Zahlung eines Saldos aus sämtlichen wechselseitigen Rückgewähr- und Herausgabeansprüchen.

Ohne Bedeutung für den Wert der Beschwer der Klägerin gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO ist im vorliegenden Fall der schriftsätzlich erweiterte Antrag auf Zahlung von 29.859, 90 €. Denn diese im Laufe der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung hat wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO dadurch ihre Wirkung verloren, dass die den erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffende Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden ist9.

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Die von der Klägerin begehrte Abänderung der Streitwertfestsetzung für die Berufungsinstanz hat durch das Berufungsgericht gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG zu erfolgen. Der Bundesgerichtshof ist zu einer Änderung von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG nicht befugt, weil die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu dem Anfall der „Hauptsache“ führt10. Wegen des Suspensiveffekts der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 Abs. 5 ZPO) hat der Lauf der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG für die Änderung von Amts wegen vorgesehenen Frist von sechs Monaten bisher noch nicht begonnen11.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Juli 2018 – XI ZR 149/18

  1. BGH, Beschlüsse vom 12.01.2016 – XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 1, 6 ff.; vom 04.03.2016 – XI ZR 39/15, BKR 2016, 204 Rn. 2; vom 25.10.2016 – XI ZR 6/16, WM 2016, 2299 Rn. 5; vom 10.01.2017 – XI ZB 17/16; und vom 21.02.2017 – XI ZR 398/16 2[]
  2. vgl. BGH, Urteile vom 25.04.2017 – XI ZR 108/16, WM 2017, 1008 Rn.20; und vom 04.07.2017 – XI ZR 470/15, WM 2017, 1705 Rn. 3, 13; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 388 Rn. 1 f.[]
  3. a.A. OLG München, Beschluss vom 01.02.2017 19 W 2119/16 15, das sich in Rn. 16 ff. allerdings nur mit Feststellungsanträgen befasst; Lechner, WM 2017, 737, 744[]
  4. BGH, Beschlüsse vom 04.03.2016 – XI ZR 39/15, BKR 2016, 204[]
  5. BGH, Beschluss vom 25.10.2016 – XI ZR 6/16, WM 2016, 2299[]
  6. Lechner, aaO Fn. 174[]
  7. BGH, Beschluss vom 25.10.2016 – XI ZR 33/15[]
  8. BGH, Beschluss vom 25.10.2016, aaO Rn. 2[]
  9. BGH, Urteil vom 03.11.2016 – III ZR 84/15, WM 2016, 2342 Rn. 14 ff.; BGH, Beschluss vom 17.01.2017 – XI ZR 170/16, BKR 2017, 152 Rn. 9, Urteil vom 19.09.2017 – XI ZR 523/15 15 und Beschluss vom 07.11.2017 – XI ZR 529/17 8[]
  10. BGH, Beschlüsse vom 02.06.2016 – V ZR 273/15, juris; und vom 17.08.2017 – V ZR 277/16, NJW-RR 2017, 1471 Rn. 4; Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl., § 63 GKG Rn. 50 „Nichtzulassungsbeschwerde“[]
  11. vgl. dazu GmS-OGB, Beschluss vom 24.10.1983 – GmS-OGB 1/83, BGHZ 88, 353, 358 f.; BGH, Urteil vom 19.10.2005 – VIII ZR 217/04, BGHZ 164, 347, 350 ff. und Beschluss vom 06.12 2016 – VIII ZR 13/16 3[]
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