Die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens – und die zu geringe Ablösezahlung

Nach § 268 Abs. 1 BGB (i.V.m. §§ 1150, 1192 Abs. 1 BGB) kann derjenige, der durch eine Zwangsvollstreckung Gefahr läuft, ein Recht an einem Gegenstand zu verlieren, den die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger befriedigen mit der Folge, dass die Forderung, derentwegen vollstreckt wurde, auf ihn übergeht (§ 268 Abs. 3 Satz 1 BGB). Zur Befriedigung des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers ist auch der Pächter des Grundstücks berechtigt1. Die zur Befriedigung erforderliche Leistung bestimmt sich nach dem zur Abwendung der Vollstreckung des Gläubigers notwendigen Betrag und damit nach der Forderung, wegen der der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt2.

Die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens – und die zu geringe Ablösezahlung

Im Zwangsversteigerungsverfahren wird die Forderung, wegen der der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreibt, durch den Zwangsversteigerungsantrag, in welchem der Anspruch nach Hauptsache, Zinsen und anderen Nebenleistungen sowie den Kosten zu bezeichnen ist3, und den Anordnungsbeschluss konkretisiert. Sie bestimmen den von dem Ablösenden gemäß § 268 Abs. 1 BGB gegenüber dem Gläubiger zu leistenden Betrag. Entgegen einer in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung4 umfasst der Ablösungsbetrag auch die von dem Gläubiger verauslagten Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens5. Dies folgt zwar nicht wie das Beschwerdegericht meint aus § 75 ZVG. Die Vorschrift regelt nicht die direkte Befriedigung des Gläubigers durch den Schuldner oder die direkte Ablösung des betreibenden Gläubigers durch einen Dritten, sondern die Überweisung an die Gerichtskasse. Für diesen Fall bestimmt § 75 ZVG, dass neben der Begleichung des zur Befriedigung des Gläubigers erforderlichen Betrages auch die Zahlung der Gerichtskosten (§ 109 ZVG) notwendig ist, um eine Verfahrenseinstellung herbeizuführen. Erfolgt hingegen die Zahlung direkt an den Gläubiger, ist § 75 ZVG nicht anwendbar. Aus § 10 Abs. 2 ZVG ergibt sich aber, dass das Recht des Gläubigers auf Befriedigung aus dem Grundstück auch für die Kosten der die Befriedigung aus dem Grundstück bezweckenden Rechtsverfolgung besteht. Hierzu gehören die dem Gläubiger durch das Zwangsversteigerungsverfahren entstandenen Kosten6. Beantragt der Gläubiger daher – wie hier – auch wegen der Kosten der gegenwärtigen Rechtsverfolgung die Zwangsversteigerung des Grundstücks, umfasst der zu seiner Befriedigung erforderliche Betrag im Sinne des § 268 Abs. 1 BGB die von ihm verauslagten Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens.

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Enthält in einem solchen Fall der von dem Dritten gezahlte Ablösungsbetrag diese Kosten nicht, liegt eine – regelmäßig unzulässige – Teilleistung gemäß § 266 BGB vor, die der Gläubiger nicht annehmen muss7. Zwar bilden Zins- und Kostenansprüche im Verhältnis zur Hauptforderung grundsätzlich selbständige Ansprüche (§ 367 Abs. 1 BGB), auf die § 266 BGB nicht anzuwenden ist8. Anders verhält es sich aber, wenn sie nach ihrem Zweck als Gesamtheit geschuldet sind9. So liegt es hier. Durch den nach Maßgabe des Antrags gefassten Anordnungsbeschluss wird der Umfang der Zwangsvollstreckung festgelegt und die jeweilige Forderung, wegen der der Gläubiger das Zwangsversteigerungsverfahren betreibt, einschließlich der Zinsen, Nebenleistungen und Kosten zu einer einheitlichen Forderung zusammengefasst.

Betreibt der Gläubiger – wie im hier entschiedenen Fall – die Zwangsversteigerung aus verschiedenen Rangklassen des § 10 Abs. 1 ZVG, liegen mehrere selbständige unabhängige Einzelverfahren und damit voneinander unabhängige Vollstreckungen in dasselbe Grundstück vor. Auch für eine Ablösung nach § 268 Abs. 1 BGB ist jedes dieser Verfahren gesondert zu behandeln10. Durch die Zahlung des Ablöseberechtigten (hier: des Mieters) wurde vorliegend hinsichtlich dieser Ansprüche zwar die Hauptsumme samt Zinsen beglichen, nicht aber die von der Gläubigerin verauslagten Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens. Die Zahlung des Ablöseberechtigten führte daher nicht zu einer Ablösung der Forderung.

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Die Teilleistung des Ablöseberechtigten kann auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als ausreichend angesehen werden, um die Rechtsfolgen aus § 268 Abs. 3, §§ 412, 401 BGB i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 ZVG herbeizuführen.

Zwar gilt der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben auch im Verfahrensrecht, und zwar sowohl im Erkenntnis- als auch im Vollstreckungsverfahren11. So kann im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens ein verhältnismäßig geringfügiger Fehlbetrag bei der Befriedigung des Gläubigers – insbesondere an Zinsen und Kosten – mit Rücksicht auf Treu und Glauben unschädlich sein12. Dabei ist nicht von festen Prozentsätzen auszugehen; vielmehr kommt es darauf an, ob im konkreten Einzelfall der Fehlbetrag sowohl absolut als auch relativ geringfügig ist. Bei einem Fehlbetrag von 3.916,39 €, mithin 16% des Anspruchs der Gläubigerin, ist beides zu verneinen.

Das Vollstreckungsgericht muss das Verfahren nicht einstweilen einstellen oder den Verkündungstermin verschieben, um dem Ablöseberechtigten unter Mitteilung des Fehlbetrages Gelegenheit zur Nachzahlung zu geben. Will ein Ablösungsberechtigter die Forderung eines Vollstreckungsgläubigers ablösen, obliegt es ihm, den erforderlichen Ablösungsbetrag – sei es durch Nachfrage beim Gläubiger, sei es durch eine Anfrage bei dem Vollstreckungsgericht – in Erfahrung zu bringen. Der Gläubiger ist gegenüber dem Ablösungsberechtigten hinsichtlich der Höhe seines Anspruchs grundsätzlich auskunftspflichtig, damit dieser in die Lage versetzt wird, von seinem Ablösungsrecht Gebrauch zu machen13. Es kann offen bleiben, ob das Vollstreckungsgericht zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens grundsätzlich verpflichtet ist, einem Ablösenden vor dem Termin einen Hinweis zu erteilen, wenn der gezahlte Ablösungsbetrag zur Befriedigung der Vollstreckungsforderung nicht ausreicht, um ihm so die Möglichkeit zu eröffnen, die Forderung vollständig zum Ausgleich zu bringen. Denn jedenfalls dann, wenn der Ablösende – wie hier – es unterlassen hat, bei dem Gläubiger oder dem Vollstreckungsgericht eine Auskunft über die Höhe des erforderlichen Ablösungsbetrages einzuholen und er das Gericht nur wenige Stunden vor dem Verkündungstermin über die Ablösung in Kenntnis setzt, besteht keine Pflicht des Vollstreckungsgerichts, den Ablösenden innerhalb des verbleibenden kurzen Zeitraums auf den Fehlbetrag hinzuweisen und ihm – unter Terminsverlegung – die Möglichkeit der Nachzahlung einzuräumen.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. September 2013 – V ZB 161/12

  1. RGZ 91, 297, 302; MünchKomm-BGB/Krüger, 6. Aufl., § 268 Rn. 8[]
  2. BGH, Beschluss vom 06.10.2011 – V ZB 18/11, NJW-RR 2012, 87 Rn. 12[]
  3. vgl. Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 15 Anm.04.6, § 16 Anm.03.4[]
  4. MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl., § 1150 Rn. 29; Storz/Kiderlen, Die Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., B 7.03.3.; Storz, ZIP 1980, 159, 160[]
  5. Hock/Klein/Hilbert/Deimann, Immobiliarvollstreckung, 5. Aufl., Rn. 500; offengelassen in BGH, Beschluss vom 05.10.2006 V ZB 2/06, NJW-RR 2007, 165, 168[]
  6. Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 10 Anm. 15.4[]
  7. vgl. Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2009], § 1150 Rn. 27[]
  8. vgl. MünchKomm-BGB/Krüger, 6. Aufl., § 266 Rn. 5, 6; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 266 Rn. 4[]
  9. MünchKomm-BGB/Krüger, 6. Aufl., § 266 Rn. 6[]
  10. BGH, Beschluss vom 06.10.2011 – V ZB 18/11, NJW-RR 2012, 87, 88[]
  11. BGH, Beschluss vom 10.05.2007 – V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 222 m.w.N.[]
  12. OLG Hamburg, OLG 35, 195, 197; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 75 Anm.02.5; Löhnig/Steffen, ZVG, § 75 Rn. 10; Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 75 Rn. 3[]
  13. vgl. RGZ 91, 341, 343; OLG Karlsruhe, Rpfleger 1981, 407; Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 75 Rn. 32; Hintzen in Hintzen/Wolf, Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Rn. 11.580[]
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