Die nicht erfüllte Auflage im Insolvenzeröffnungsverfahren – und die Sperrfrist für den neuen Insolvenzantrag

Gilt ein Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und auf Restschuldbefreiung wegen Nichterfüllung einer zulässigen Auflage als zurückgenommen, kann ein neuer Antrag erst nach Ablauf von drei Jahren gestellt werden.

Die nicht erfüllte Auflage im Insolvenzeröffnungsverfahren – und die Sperrfrist für den neuen Insolvenzantrag

Sperrfrist in Altfällen

Für den – hier vorliegenden – Fall, in dem das Insolvenzverfahren vor dem 1.07.2014 beantragt worden ist, findet die Insolvenzordnung gemäß Art. 103h Satz 1 EGInsO in der vor dem 1.07.2014 geltenden Fassung Anwendung. Das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte findet noch keine Anwendung. Für das hier anwendbare Recht ergibt sich für den Fall der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO eine Sperrfrist von drei Jahren.

Die Frage ist allerdings streitig. Nach einer Auffassung gibt es hier keine Sperrfrist1. Nach anderer Auffassung ist eine Sperrfrist jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation einzuhalten, in der die Rücknahmefiktion eintritt, weil der Schuldner solche Mängel nicht beseitigt hat, die er in der Monatsfrist des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO hätte beheben können2.

Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.

Der Bundesgerichtshof hat die im Beschluss vom 16.07.20093 entwickelte Rechtsprechung auch auf Fälle erstreckt, in denen der Schuldner auf den ihm im Anschluss an den Antrag eines Gläubigers erteilten gerichtlichen Hinweis, er könne einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung stellen, bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag des Gläubigers nicht mit eigenen Anträgen reagiert hat4. Ebenso gilt die Sperrfrist, wenn der Schuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung zurückgenommen hat5. Sie gilt auch für den Fall, dass der Schuldner seinen Antrag auf Verfahrenseröffnung und Kostenstundung zurücknimmt, bevor ein die Kostenstundung versagender Beschluss rechtskräftig wird6. Schließlich gilt die Sperrfrist auch in Fällen, in denen der Schuldner den Antrag auf Restschuldbefreiung erst in der Wohlverhaltensperiode zurücknimmt, nachdem er neue Schulden begründet hat, um sofort einen neuen Antrag zu stellen7.

Weiterlesen:
Stufenklage und bjektive Klagehäufung - und die teilweise Zurückverweisung durch das Berufungsgericht

Die dort entwickelten Grundsätze gelten auch im Falle der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO, jedenfalls wenn der Schuldner – wie hier – Nachbesserungsverlangen des Insolvenzgerichts fristgerecht hätte erfüllen können.

Die Pflicht des Insolvenzgerichts, den Schuldner auf Mängel der Anträge hinzuweisen, würde ebenso wie die Pflicht, ihn auf die Möglichkeit der Eigenantragstellung mit Antrag auf Restschuldbefreiung hinzuweisen und eine richterliche Frist zu setzen8, ihrer verfahrensfördernden und beschleunigenden Funktion beraubt, wenn die Nichtbefolgung des Hinweises wegen der Befugnis zur sofortigen Einleitung eines weiteren Insolvenzverfahrens ohne verfahrensrechtliche Konsequenzen bliebe. Im Falle der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO käme dieser keine praktische Wirkung zu, wenn der Schuldner die Gerichte schon am nächsten Tag mit einem neuen Verfahren belasten könnte, obwohl er die Möglichkeit und Gelegenheit hatte, die fehlenden Erklärungen und Unterlagen beizubringen und damit mehrere, innerhalb kurzer Fristen nacheinander durchzuführende Verfahren zu vermeiden. Letzteres wäre weder mit Sinn und Zweck der entsprechenden Belehrungspflichten noch mit derjenigen der Rücknahmefiktion vereinbar. Diese sollen gerade verhindern, dass Verfahren innerhalb kurzer Zeiträume wiederholt durchgeführt werden müssen9. Es kann nicht im Belieben des Schuldners stehen, neue Verfahren einzuleiten, um ihm gesetzte zeitliche Fristen zu entgehen10.

Zwar ist im Falle des § 305 Abs. 3 InsO, anders als bei Rücknahme des Antrags auf Restschuldbefreiung im schon eröffneten Verfahren oder in der Wohlverhaltensperiode, noch kein aufwendiges und kostenintensives Verfahren durchgeführt worden. Gleichwohl muss bei einem neuen Antrag erneut eine vollständige Prüfung durchgeführt werden, die weit aufwendiger ist als die Prüfung lediglich der fehlenden Erklärungen und Unterlagen.

Weiterlesen:
Die gegenüber dem Arbeitgeber verheimlichte Abtretungserklärung in der Insolvenz des Arbeitnehmers

Der Bundesgerichtshof hat allerdings im Beschluss vom 16.10.200311 angenommen, der Schuldner könne jederzeit nach Eintritt der Rücknahmefiktion einen neuen Insolvenzantrag stellen. Diese Annahme stammt aber aus einer Zeit lange vor der Entwicklung der Sperrfristen im Beschluss vom 16.07.2009. Ihr kommt daher heute im Zusammenhang mit den Sperrfristen keine Bedeutung mehr zu.

Der Erstreckung der Sperrfrist auf die hier behandelten Fälle des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO steht nicht entgegen, dass gegen die Rücknahmefiktion in der Insolvenzordnung kein Rechtsmittel vorgesehen ist.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die aus Art.19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes nicht eine Überprüfung in einem Instanzenzug12. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können13. Die in § 305 Abs. 3 InsO vorgesehene Prüfung der Vollständigkeit der von Gesetzes wegen bei der Stellung des Eröffnungsantrags geforderten Erklärungen und Unterlagen durch das Insolvenzgericht genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen. Eine Überprüfung durch eine weitere gerichtliche Instanz ist von Verfassungs wegen auch unter Abwägung der Interessen der Beteiligten nicht geboten14.

Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass eine sofortige Beschwerde in analoger Anwendung des § 34 Abs. 1 InsO in Betracht kommt, wenn die gerichtlichen Anforderungen an die beizubringenden Unterlagen und Erklärungen nicht erfüllbar sind oder das Insolvenzgericht Anforderungen stellt, die willkürlich von den vom Schuldner zu erfüllenden gesetzlichen Anforderungen nach § 305 Abs. 1 InsO abweichen15.

Weiterlesen:
Steuererstattung nach Insolvenzeröffnung - befreiende Wirkung der Zahlung trotz falschen Zahlungsempfängers

Neues Recht

Es kann dahinstehen, ob nach dem ab 1.07.2014 geltenden Recht eine Sperrfrist im Falle des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO anzunehmen ist. Diesem Recht ist – wie dargelegt – vom Gesetzgeber keine Rückwirkung auf früher beantragte Insolvenzverfahren beigemessen worden.

Die Neuregelung verfolgt das Anliegen, die unterschiedlichen Sperrfristen in § 287a Abs. 2 InsO zu harmonisieren. Nach der Gesetzesbegründung zu § 287a InsO sind Sperrfristen für dort nicht geregelte Fälle vorhergehenden Fehlverhaltens des Schuldners nicht vorgesehen. Insbesondere soll es auch keine Sperrfrist für die von der Rechtsprechung entwickelten Fälle eines vorhergehend als unzulässig abgelehnten Restschuldbefreiungsantrags oder eines unterlassenen Restschuldbefreiungsantrags im Vorverfahren mehr geben. Dem zwar nachlässigen, aber gegenüber seinen Gläubigern redlichen Schuldner soll eine alsbaldige Restschuldbefreiung nicht verwehrt werden16. Dies spricht dafür, dass nach neuem Recht im Falle des (geänderten) § 305 InsO keine Sperrfrist gelten soll.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. September 2014 – IX ZB 72/13

  1. AG Hamburg, ZInsO 2011, 2048 f; LG Frankenthal, ZInsO 2012, 2399 f; LG Düsseldorf, ZInsO 2013, 893 f; AG Köln, NZI 2013, 498; für einen Sonderfall auch AG Essen, ZInsO 2012, 1730; HK-InsO/Waltenberger, 7. Aufl., § 305 aF Rn. 62; Hmb-Komm-InsO/Streck, 4. Aufl., § 287 Rn. 6 b; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl., § 305 Rn. 95; FK-InsO/Grote, 7. Aufl., § 305 Rn. 64; Schmidt/Stephan, InsO, 18. Aufl., § 305 Rn. 53[]
  2. AG Essen, ZInsO 2012, 1730; ZInsO 2012, 850 f; AG Hamburg, ZInsO 2012, 195 f; NZI 2011, 981; AG Ludwigshafen, ZInsO 2012, 1586[]
  3. IX ZB 219/08, BGHZ 183, 13 Rn. 8 ff[]
  4. BGH, Beschluss vom 21.01.2010 – IX ZB 174/09, ZInsO 2010, 344 Rn. 7 f; vom 04.02.2010 – IX ZA 40/09, ZInsO 2010, 491 Rn. 5[]
  5. BGH, Beschluss vom 12.05.2011 – IX ZB 221/09, ZInsO 2011, 1127 Rn. 7 f[]
  6. BGH, Beschluss vom 12.05.2011, aaO Rn. 7; vom 06.10.2011 – IX ZB 114/11, ZInsO 2011, 2198 Rn. 2[]
  7. BGH, Beschluss vom 20.03.2014 – IX ZB 17/13, ZInsO 2014, 795 Rn. 8[]
  8. vgl. BGH, Beschluss vom 21.01.2010, aaO Rn. 8[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 21.01.2010, aaO[]
  10. vgl. BGH, Beschluss vom 12.05.2011, aaO Rn. 7[]
  11. BGH, Beschluss vom 16.10.2003 – IX ZB 599/02, ZInsO 2003, 1040, 1041[]
  12. BVerfG, NJW 2003, 1924[]
  13. BVerfG, aaO[]
  14. BGH, Beschluss vom 16.10.2003, aaO[]
  15. BGH, Beschluss vom 22.10.2009 – IX ZB 195/08, ZInsO 2009, 2262 Rn. 4 ff mwN[]
  16. BT-Drs. 17/11268 S. 24 f zu Nr.20, Einfügung von § 287a[]
Weiterlesen:
Der Insolvenzschuldner und das Bemühen um eine angemessene Erwerbstätigkeit