Die nicht genehme Hofberichterstattung

Das Bundesverfassungsgericht hat der Yellow Press bei ihrer Berichterstattung über Prominente den Rücken gestärkt und hierbei die Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Pressefreiheit in ihrer Abwägung mit dem Persönlichkeitrecht des Prominenten höher gewichtet. In der jetzt vom ihm entschiedenen Verfassungsbeschwerde befand das Bundesverfassungsgericht die zivilgerichtliche Untersagung der Wortberichterstattung über eine Prominente – hier: eingebunden in einen Landschaftsbericht – als verfassungswidrig:

Die nicht genehme Hofberichterstattung

Die Beschwerdeführerin ist Verlegerin der Zeitschrift „Bunte“. Im Reiseteil dieser Zeitschrift hatte sie im Jahre 2007 einen Artikel über die Skiregion Arlberg veröffentlicht, der eine Landschaftsbeschreibung enthält und über die Hotels und deren Eigentümer sowie über die große Zahl prominenter Personen berichtet, die hier ihren Urlaub verbracht haben oder regelmäßig verbringen. In diesem Zusammenhang findet auch die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Prinzessin Caroline von Hannover, Erwähnung, die „jedes Jahr in Zürs Ski – meist mit Familie“ fahre, sich unauffällig gebe und deshalb ihre Skier selbst trage. Ferner berichtet der Artikel über das Mittagsbüffet auf der Terrasse eines bestimmten Hotels, zu dem auch die „unauffällig auftretende Caroline im Skianzug“ anzutreffen sei.

Die Klage auf Unterlassung dieser die Klägerin betreffenden Textveröffentlichungen war in beiden Instanzen vor dem Landgericht Berlin1 und dem Berliner Kammergericht2 erfolgreich. Die Beschwerdeführerin sieht sich als Verlegerin ndurch die zivilrechtliche Untersagung der Wortberichterstattung in ihrem Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit verletzt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, weil sie die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzen, und die Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

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Das Bundesverfassungsgericht sah die Verlegerin in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt:

Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen3. Der Schutzbereich der Pressefreiheit ist dagegen berührt, wenn es um die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion, um ein Presseerzeugnis selbst, um seine institutionellorganisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie um die Institution einer freien Presse überhaupt geht4. Auch die Bildberichterstattung wird an der Pressefreiheit gemessen5. Handelt es sich dagegen um die Frage, ob eine bestimmte Äußerung erlaubt war oder nicht, ist ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig6.

Hier wird allein die Wortberichterstattung angegriffen. Die streitgegenständlichen Äußerungen fallen auch in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Zum einen enthalten sie Werturteile („gibt sich unauffällig“). Aber auch die Tatsachenbehauptungen zum anderen („fährt jedes Jahr in Zürs Ski“) fallen in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen sind. So kann es zur Meinungsbildung des Lesers beitragen zu wissen, ob und welche Prominente ein Urlaubsgebiet besuchen, um dann für sich zu entscheiden, ob dieses Urlaubsgebiet für ihn interessant sein könnte.

Durch die angegriffenen Entscheidungen wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt, indem die streitgegenständlichen Äußerungen gerichtlich untersagt werden.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der § 823 Abs.1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei jedoch das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt7. Dies verlangt in der Regel eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits8. Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab9. Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Zivilgerichte den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben10.

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Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Berichterstattung durch Wortbeiträge andererseits verschieden weit. Während die Veröffentlichung eines Bildes von einer Person grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, die unabhängig davon ist, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist11, ist dies bei personenbezogenen Wortberichten nicht ohne weiteres der Fall. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet hier nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten. Dabei kommt es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt insoweit freilich insbesondere auch vor einer Beeinträchtigung der Privat- oder Intimsphäre. Des Weiteren schützt es vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden Äußerungen oder davor, dass einem Betroffenen Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat12. Ein von dem Kommunikationsinhalt unabhängiger Schutz ist im Bereich der Textberichterstattung hingegen nur unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort anerkannt, das die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation – etwa über die Herstellung einer Tonbandaufnahme oder die Zulassung eines Dritten zu einem Gespräch – garantiert13.

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Ebenso wenig beeinträchtigt die personenbezogene Wortberichterstattung privater Presseorgane ohne weiteres das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet insbesondere nicht, dass der Einzelne nur so dargestellt und nur dann Gegenstand öffentlicher Berichterstattung werden kann, wenn und wie er es wünscht14.

Nach diesen Maßstäben haben die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich keinen Bestand.

Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt der angegriffenen Entscheidungen, dass die Privatsphäre als Teil des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes anerkannt ist15. Es ist auch vertretbar, wenn die Fachgerichte hier davon ausgegangen sind, dass Äußerungen darüber, an welchen Orten die Klägerin während ihres Skiurlaubs anzutreffen sei, was sie dort trage, und dass sie sich darum bemühe, unauffällig zu bleiben, die Privatsphäre berühren.

Jedoch haben die Fachgerichte bei der Abwägung die Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit verkannt.

Das Landgericht – dessen Begründung sich das Kammergericht „uneingeschränkt anschließt“ – trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass die streitgegenständlichen Äußerungen nicht den Schwerpunkt des Artikels bildeten, sondern ihnen nur eine illustrierende Bedeutung im Rahmen eines allgemeinen Berichts über das Skigebiet Arlberg und sein Publikum zukam. Gegenstand des Gesamtartikels ist ein Bericht über die Skiregion Arlberg, ihre Landschaft, die Hotels und ihre Eigentümer sowie dabei auch darüber, dass viele Prominente in dieser Region Urlaub machen. Im Rahmen eines solchen Berichts kann ein Informationsinteresse daran, dass nicht nur allgemein die Anziehungskraft der Gegend auf Prominente behauptet wird, sondern konkretisierend auch mitgeteilt wird, welche Gäste die Urlaubsregion besuchen, nicht ohne weiteres verneint werden. Dies gilt umso mehr, als darüber der Leserschaft im Gewand eines unterhaltenden Beitrags anhand von Informationen über den Urlaub Prominenter, die für große Teile der Bevölkerung Leitbild- oder Kontrastfunktion haben, die Frage nach Art und Ort der Urlaubsgestaltung angesprochen und damit Anlass für eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte gegeben wird16.

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Demgegenüber räumen die Fachgerichte dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein übermäßiges Gewicht ein, indem sie schon darin, dass der Bericht überhaupt Informationen über den Urlaub der Klägerin enthält, den maßgeblichen Grund für ein Überwiegen ihrer grundrechtlich geschützten Interessen sehen. Sie versäumen damit, den Bericht als Ganzen zu betrachten. In ihm geht es insgesamt gesehen um die Klägerin und ihre Urlaubsgewohnheiten nur als Kolorit am Rande. Der Bericht umfasst insgesamt sechs Seiten, auf denen lediglich an zwei Stellen die Klägerin erwähnt ist. Dabei wird die Klägerin durch die Darstellung jedenfalls nicht in ihrer Intimsphäre berührt. Betroffen ist vielmehr allein die äußere Privatsphäre. Die Informationen, die der – vorliegend allein angegriffenen – Wortberichterstattung zu entnehmen sind, beschränken sich im Wesentlichen auf Belanglosigkeiten, wurden von der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten und sind auch nicht ehrenrührig. In dem Bericht wird im wesentlichen nur geäußert, was jeder Besucher der Skiregion Arlberg ohnehin beobachten kann. Es wird nicht mitgeteilt, wann und wo genau die Klägerin in der Skiregion Urlaub macht. Das Hotel „Lorünser“ wird nicht als Übernachtungsort der Klägerin benannt, sondern nur dahingehend, dass die Klägerin mittags dort irgendwann während des Winters auf der Terrasse anzutreffen sein kann.

Wenn das Landgericht sich des weiteren unter Berufung auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24.06.200417 darauf stützt, dass die Äußerungen selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs weder einen Vorgang von allgemeinem Interesse noch ein zeitgeschichtliches Ereignis beträfen, dann berücksichtigt es nicht hinreichend, dass diese beiden Kriterien primär der Rechtsprechung zur Bildberichterstattung entstammen. Auf den Begriff der Zeitgeschichte stellt nämlich § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild ab. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der in der genannten Entscheidung über eine Bildberichterstattung zu erkennen hatte, weist auf die Besonderheiten bei der Bildberichterstattung gegenüber der Wortberichterstattung hin18.

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – 1 BvR 927/08

  1. LG Berlin, Urteil vom 23.10.2007 – 27 O 701/07[]
  2. KG, Urteil vom 28.02.2008 – 10 U 263/07[]
  3. vgl. BVerfGE 85, 1, 15[]
  4. BVerfGE 85, 1, 12 f.[]
  5. BVerfGE 120, 180, 205[]
  6. BVerfGE 85, 1, 12 f.; 86, 122, 128[]
  7. vgl. BVerfGE 7, 198, 205 ff.; 91, 125, 136; 99, 185, 196; 120, 180, 199 f.; stRspr[]
  8. vgl. BVerfGE 99, 185, 196; 114, 339, 348[]
  9. vgl. BVerfGE 85, 1, 16; 99, 185, 196[]
  10. vgl. BVerfGE 101, 361, 388[]
  11. vgl. BVerfGE 97, 228, 268; 101, 361, 381; 120, 180, 198[]
  12. vgl. BVerfGE 54, 148, 155[]
  13. vgl. BVerfGE 54, 148, 154 f.; 106, 28, 41[]
  14. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2010 – 1 BvR 1842/08 u.a., NJW 2011, S. 740[]
  15. vgl. BVerfGE 35, 202, 220; 79, 256, 268; 101, 361, 382; 120, 274, 311; BVerfG, Beschluss vom 31.03.2000 – 1 BvR 1353/99, NJW 2000, S. 2191, 2192[]
  16. vgl. BVerfGE 120, 180, 222[]
  17. EGMR, Urteil vom 24.06.2004 – Beschwerde-Nr. 59320/00 [Caroline von Hannover ./. Deutschland], NJW 2004, 2647[]
  18. EGMR, Urteil vom 24.06.2004 – Beschwerde-Nr. 59320/00 [Caroline von Hannover ./. Deutschland], NJW 2004, 2647, Rn. 59[]
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