Eine Berufungsbegründung muss geeignet sein, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Anfechtung in Frage zu stellen. Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand hat sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig1.

Hat ein Rechtsmittelführer einen – erstinstanzlich zu seinem Nachteil entschiedenen – Streitgegenstand mit seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen und ist dieser damit nicht zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt worden, kann das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) des Rechtsmittelgegners verletzt sein, wenn das Berufungsgericht, ohne hierauf hinzuweisen (§ 139 ZPO), dennoch in der Sache – zum Nachteil des Rechtsmittelgegners – über diesen Streitgegenstand entscheidet.
Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie und der Justizgewährungspflicht des Staates2. Danach gebietet Art. 103 Abs. 1 GG, dass sowohl die normative Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Maß an rechtlichem Gehör eröffnen, das sachangemessen ist, um dem in bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden, und das den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten3. Diese sollen vor einer Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Da dies nicht nur durch tatsächliches Vorbringen, sondern auch durch Rechtsausführungen geschehen kann, gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern4.
Das Äußerungsrecht ist eng verknüpft mit dem Recht auf Information und dem Schutz vor Überraschungsentscheidungen. Die genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Zwar normiert Art. 103 Abs. 1 GG keine umfassende Frage, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts. Jedoch kann es in besonderen Fällen geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Denn es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt beziehungsweise einen Sachverhalt oder ein Vorbringen in einer Weise würdigt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht5.
Gemessen an diesen Maßstäben ist im hier entschiedenen Fall dem Berufungsgericht eine Gehörsverletzung nach Art. 103 Abs. 1 GG anzulasten. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde der Sache nach zutreffend rügt, stellt die Entscheidung des Berufungsgerichts eine nach Vorstehendem unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Denn das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin deren in erster Instanz in vollem Umfang abgewiesener Klage in der Hauptsache (weitestgehend) stattgegeben und dies mit einem Mangel des Fahrzeugs in Form der – abweichend vom Vereinbarten – nicht funktionierenden Klimaanlage begründet, obwohl die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO diesen – erstinstanzlich zu ihrem Nachteil entschiedenen – Streitgegenstand nicht wirksam zur Überprüfung gestellt hat. Da ihre Berufung insoweit unzulässig ist, musste der Beklagte diesbezüglich mit einer Entscheidung in der Sache nicht rechnen.
Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiterverfolgt hat, ist bezüglich des Streitgegenstands, auf welchen das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten gestützt hat (Klimaanlage), unzulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung ungeachtet des unbeschränkten Berufungsantrags in einem geringeren Umfang hätte eingelegt und das erstinstanzliche Urteil bezüglich des auf die fehlende Funktionsfähigkeit der Klimaanlage gestützten Mangels nicht hätte angegriffen werden sollen, sind dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen6.
Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Die gesetzliche Regelung bezweckt, formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch auf die Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug hinzuwirken7. Die Rechtsmittelbegründung muss zudem geeignet sein, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Anfechtung in Frage zu stellen. Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand hat sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig8.
Hiernach ist die Berufung bezogen auf den Mangel der Klimaanlage unzulässig.
Denn in dem Fall, in welchem ein Käufer – wie vorliegend – seinen Rücktritt vom Kaufvertrag auf unterschiedliche Mängel der Kaufsache stützt, fehlt es an einem einheitlichen Lebensvorgang und sind deshalb mehrere Streitgegenstände gegeben9. Dies folgt daraus, dass bei einem einheitlichen Klagebegehren dann verschiedene Streitgegenstände vorliegen, wenn die materiell- rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet10. Dies ist bei einem auf mehrere Mängel der Kaufsache gestützten Rücktritt der Fall, da grundsätzlich bezüglich jedes einzelnen Mangels geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen der § 434 Abs. 1 BGB (in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung, vgl. Art. 229 § 58 EGBGB), § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 348 BGB vorliegen. So ist beispielsweise für jeden Mangel in der Regel eine eigene Nacherfüllungsaufforderung notwendig11.
Somit war die Klägerin gehalten, ihre Berufungsbegründung auch auf den – von ihr behaupteten – Mangel der Klimaanlage des erworbenen Fahrzeugs zu erstrecken. Dies hat sie nicht getan, so dass dieser Streitgegenstand nicht der materiellen Überprüfung durch das Berufungsgericht unterliegt.
Im Gegensatz zu ihrem unbeschränkten Änderungsbegehren hat die Klägerin, worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend verweist, in der Berufungsbegründung Ausführungen zum Streitgegenstand der Klimaanlage nicht gemacht. Vielmehr hat sie bereits bei der Wiedergabe des Sachverhalts lediglich unfachmännisch ausgeführte Schweißarbeiten, eine Unkenntlichmachung der Motornummer und ein Nachschlagen der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) angeführt, auf eine an sie gerichtete Mitteilung über einen wahrscheinlichen schweren Unfallschaden des Fahrzeugs sowie darauf abgestellt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, der eingebaute Motor sei gestohlen. Hiernach führt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung weiter aus, sie sei „aufgrund dieser Mängel“ vom Kaufvertrag zurückgetreten.
Auch bei der Wiedergabe der Entscheidung des Landgerichts in der Berufungsbegründung der Klägerin findet die defekte Klimaanlage keine Erwähnung. Das Landgericht ist auf insgesamt zehn behauptete Mängel des Fahrzeugs eingegangen. Bezüglich der Klimaanlage hat es offen gelassen, ob deren Nichtfunktionieren einen Mangel des Fahrzeugs begründet, und hat einen hierauf gestützten Rücktritt am Fehlen der aus seiner Sicht erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung scheitern lassen. In der Berufungsbegründung erwähnt die Klägerin lediglich die Ausführungen des Landgerichts zur Originalität des Motors und des Fahrzeugs im Übrigen, insbesondere zu dem ersetzten Vorbau und der nachgeschlagenen FIN, sowie zum Fehlen eines arglistigen Verhaltens des Beklagten. Die Erwägungen des Landgerichts zur Klimaanlage werden dagegen nicht wiedergegeben.
Diese greift die Klägerin im Folgenden auch nicht an. Sie benennt keine Umstände, aus denen sich in Bezug auf den von ihr behaupteten Mangel der Klimaanlage eine Rechtsverletzung ergeben könnte (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO), und zeigt insoweit auch keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen auf (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Die Ausführungen des Landgerichts, wonach die Klägerin ihren Rücktritt nicht auf einen Mangel der Klimaanlage stützen könne, da sie eine Frist zur Nacherfüllung nicht gesetzt habe und diese auch nicht entbehrlich sei, werden in der Berufungsbegründung der Klägerin nicht angegriffen. Vielmehr wendet sie sich – lediglich – gegen den vom Landgericht angenommenen teilweisen Gewährleistungsausschluss und die von ihm bejahte Kenntnis der Klägerin von Mängeln, rügt weiter das Übergehen eines Beweisantritts zum Wert des Pkw und verweist schließlich auf die Kenntnis des Beklagten von der fehlenden Unfallfreiheit des Fahrzeugs, dem Einbau eines Motors, welcher nicht zur Baureihe dieses Oldtimers gehöre, und auf einen Mangel wegen der herausgeschliffenen Motornummer.
Auch im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens – innerhalb laufender Berufungsbegründungsfrist – hat die Klägerin ihren Berufungsangriff nicht auf den Gesichtspunkt der Klimaanlage erstreckt. Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass dieser Streitgegenstand erst im Rahmen der informatorischen Anhörung des Beklagten sowie einer Zeugenvernehmung angesprochen wurde. Selbst wenn man davon ausginge, die Klägerin habe sich diese Zeugenaussagen, soweit für sie günstig, zu eigen machen wollen, läge hierin keine wirksame Erweiterung des Berufungsangriffs, da die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war und nach dem Verstreichen der Rechtsmittelbegründungsfrist eine unzulängliche Rechtsmittelbegründung nicht mehr geheilt werden kann12.
Indem das Berufungsgericht dennoch über die insoweit unzulässige Berufung in der Sache zum Nachteil des Beklagten entschieden und allein auf diesen Streitgegenstand gestützt der Klage (teilweise) stattgegeben hat, obgleich dieser Streitstoff nicht wirksam zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wurde, hat es das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt.
Zwar stellt nicht jeder Verstoß gegen zivilprozessuale Verfahrensvorschriften zugleich eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dar13. Jedoch hat das Berufungsgericht die Vorschrift des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO in einer Art und Weise ausgelegt und angewandt, mit welcher der Beklagte nach dem Prozessverlauf nicht rechnen musste. Es hat, ohne hierauf hinzuweisen (§ 139 ZPO), über einen Streitstoff entschieden, der mit der Berufung nicht in zulässiger Weise angegriffen worden war, so dass eine unzulässige Überraschungsentscheidung im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt.
Da es an einem Hinweis des Berufungsgerichts fehlt, wonach dieses mögliche (Gewährleistungs)Ansprüche der Klägerin auch unter Zugrundelegung der behaupteten Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Funktionsfähigkeit der Klimaanlage prüfen werde, war dem Beklagten nicht die Möglichkeit eröffnet, in sachlicher und rechtlicher Hinsicht zu diesem Streitstoff vorzutragen. Ihm war es der Sache nach verwehrt, hinsichtlich des Mangels „defekte Klimaanlage“ sowohl zur teilweisen Unzulässigkeit der Berufung als auch (hilfsweise) zur materiellen Rechtslage Vortrag zu halten. Denn selbst wenn der Beklagte nicht davon ausgegangen sein sollte, jeder Mangel der Kaufsache stelle einen eigenen und damit einen selbständigen Berufungsangriff erfordernden Streitgegenstand dar, durfte er jedoch – worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend verweist – eine Teilbarkeit des Streitgegenstands dergestalt annehmen, dass diejenigen Mängel des Fahrzeugs, zu denen die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung keine Ausführungen (mehr) gemacht hat, nicht Grundlage der Sachentscheidung des Berufungsgerichts werden, und damit darauf vertrauen, das Berufungsgericht werde das Berufungsvorbringen der Klägerin (zutreffend) dahingehend würdigen, diese richte ihre Angriffe auf die angeführten Mängel.
Mit einer abweichenden Bewertung der Berufungsangriffe der Klägerin durch das Berufungsgericht konnte der Beklagte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nach dem Prozessverlauf von sich aus nicht rechnen.
Er musste nicht deshalb davon ausgehen, das Berufungsgericht bewerte die Berufung der Klägerin insgesamt als zulässig, weil ein Hinweis an die Klägerin auf die Unzulässigkeit14 und eine (Teil)Verwerfung ihres Rechtsmittels nach § 522 Abs. 1 ZPO vor Erlass der Endentscheidung15 unterblieben sind. Denn zum einen war das Berufungsgericht nicht zu einer Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Berufung verpflichtet und zum anderen musste der Beklagte aus dem Unterbleiben eines solchen Hinweises an die Rechtsmittelführerin nicht den Schluss ziehen, das Berufungsgericht gehe auch hinsichtlich der Mängel an der Klimaanlage von einem zulässigen Berufungsangriff aus.
Aus dem übrigen Verfahrensablauf war für den Beklagten ebenfalls nicht ersichtlich, das Berufungsgericht werde auch den – in der Berufungsbegründung nicht angeführten – Streitstoff der Klimaanlage seiner Entscheidung zu Grunde legen.
Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt im Berufungsverfahren. Allein diesbezügliche Fragen an den Beklagten und an Zeugen im Rahmen der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme lassen einen Rückschluss hierauf nicht zu. Dies gilt in gleicher Weise bezüglich der seitens des Berufungsgerichts mitgeteilten voraussichtlichen Beweisthemen im Zuge der Ladung von Zeugen zum Termin. Dort waren lediglich folgende Themen benannt: „Vertragsschluss und Vereinbarungen zur Beschaffenheit des streitbefangenen M. Coupé“; „Eigentum/Besitz des Zeugen C. an dem streitbefangenen M. in der Zeit vor Übernahme durch den Beklagten (…)“; „Kenntnis des Zeugen M. vom Neuaufbau des Vorderaufbaus an dem streitbefangenen Fahrzeug vor dem 21.02.2018“. Unter Berücksichtigung des bis dahin gehaltenen Parteivortrags in der Berufungsinstanz, der sich – entsprechend der eher untergeordneten Bedeutung, welche die Klägerin einem Mangel an der Klimaanlage im Streit der Parteien beigemessen hatte – maßgeblich auf die Unfallfreiheit des Fahrzeugs sowie dessen Originalität – vor allem bezüglich des Motors – bezog und wozu die Zeugen benannt wurden, kann allein aus einer beabsichtigten Beweisaufnahme zu möglichen Beschaffenheitsvereinbarungen nicht darauf geschlossen werden, das Berufungsgericht sehe auch den Streitstoff bezüglich der Klimaanlage als bei ihm zur Überprüfung gestellt an.
Somit durfte beim Beklagten ein prozessuales Vertrauen in das Vorliegen einer lediglich teilweise zulässigen Berufung bestehen, so dass das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, ihn auf eine abweichende Rechtsansicht hinzuweisen, da er nur hierdurch in die Lage versetzt worden wäre, zur Rechtslage bezüglich der Zulässigkeit der Berufung sowie – hilfsweise – zur Sach- und Rechtslage bezüglich des auf den (behaupteten) Mangel der Klimaanlage gestützten Klagebegehrens der Klägerin vorzutragen.
Schließlich durfte der Beklagte selbst bei Zugrundelegung der – unzutreffenden – Rechtsansicht des Berufungsgerichts in der Sache einen Hinweis auf die beabsichtigte Klagestattgabe aufgrund eines Mangels des Fahrzeugs wegen der nicht funktionierenden Klimaanlage erwarten, da er in erster Instanz auch insoweit obsiegt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis erteilt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält16.
Das Landgericht hat einen, auf den – von ihm offen gelassenen – Mangel der Klimaanlage gestützten Rücktritt der Klägerin deshalb scheitern lassen, weil es an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung gefehlt habe. Eine solche sei auch nicht entbehrlich gewesen. Dies hat das Berufungsgericht anders beurteilt, ist von einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Beklagten und damit von einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung ausgegangen. Hierauf hätte es nach Vorstehendem den Beklagten hinweisen müssen. Ein solcher Hinweis hätte ihm nicht nur die Möglichkeit gegeben, zur materiellen Rechtslage vorzutragen, sondern auch die teilweise Unzulässigkeit der Berufung geltend zu machen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde stellt zu Recht darauf ab, dass die dennoch erfolgte Sachentscheidung des Berufungsgerichts über die (teilweise) unzulässige Berufung ohne einen entsprechenden Hinweis mit einem Fall vergleichbar ist, in dem das Gericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO einer Klage stattgibt. Ein solcher Verstoß begründet – ebenfalls – eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG)17.
Gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Die Bindung an den Antrag betrifft nicht nur den Urteilsausspruch, sondern auch den Grund des erhobenen Anspruchs, mit der Folge einer Bindung des Gerichts an den geltend gemachten prozessualen Anspruch (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet18. Das Gericht ist zwar verpflichtet, den vorgetragenen Lebenssachverhalt umfassend rechtlich daraufhin zu überprüfen, ob danach der Klageantrag begründet ist. Es muss dabei aber die Grenzen des vom Kläger bestimmten Streitgegenstands beachten19.
Legt ein Gericht seinem Urteilsausspruch einen anderen Klagegrund zugrunde als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Klageantrag begründet hat, verstößt es gegen § 308 Abs. 1 ZPO. Das Gericht darf sein Urteil nicht auf einen Klagegrund stützen, welchen der Kläger nicht geltend gemacht hat, mithin einen verlangten Geldbetrag nicht aus einem anderen als dem erhobenen Anspruch zusprechen20.
Hiermit ist der vorliegende Fall vergleichbar. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Klägerin zu Unrecht als zulässig angesehen und im Rahmen der – ihm an sich verwehrten – Sachprüfung die Klageforderung auf der Grundlage eines Anspruchs zuerkannt, den die Klägerin in dieser Form nicht mehr zur Sachentscheidung gestellt hatte. Denn auf einen Defekt der Klimaanlage hatte sie ihre Begehren in der Berufungsinstanz nicht mehr gestützt.
Da der Beklagte nicht mit einer Sachentscheidung bezüglich des Streitgegenstands der Klimaanlage rechnen musste, ist er auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität21 daran gehindert, diesen Gehörsverstoß (erstmals) im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen.
Die dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 Abs. 9 ZPO).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, hätte es erkannt, dass die Berufung bezüglich des behaupteten Mangels der Klimaanlage unzulässig ist, im Ergebnis anders entschieden hätte. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt auch hinreichend dar, was der Beklagte bei ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts vorgebracht hätte22. Er hat sowohl Einwände gegen die Zulässigkeit der Berufung erhoben als auch zur materiellrechtlichen Lage Vortrag gehalten.
Zu den mit der Berufung gerügten (übrigen) Mängeln des Fahrzeugs hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Klage im Ergebnis ohne Erfolg geblieben wäre. Dies gilt auch hinsichtlich des der Klägerin zuerkannten Anspruchs auf Ersatz ihrer Aufwendungen beziehungsweise Verwendungen in Höhe von 2.800 € nebst Zinsen. Fehlte es an einem Sachmangel des Fahrzeugs, hätte die Klägerin nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten und damit auch keine notwendigen Verwendungen (§ 347 Abs. 2 BGB) geltend machen können. Ebenso fehlte es dann an einer Pflichtverletzung des Beklagten im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB, worauf das Berufungsgericht – auf dessen Rechtsansicht insoweit abzustellen ist23 – den Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten gestützt hat.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Juli 2022 – VIII ZR 137/21
- im Anschluss an BGH, Urteile vom 23.06.2015 – II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11; vom 14.03.2017 – VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 14; vom 07.01.2021 – III ZR 127/19, BGHZ 228, 115 Rn. 12; Beschlüsse vom 29.11.2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 9; vom 15.03.2022 – VIII ZB 43/21 13[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 123, 129[↩]
- vgl. BVerfGE 74, 228, 233 f.; BVerfG, Beschluss vom 25.08.2015 – 1 BvR 1528/14 9[↩]
- vgl. BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG, ZInsO 2021, 1612 Rn. 28; BGH, Beschluss vom 25.01.2022 – VIII ZR 359/20 53 mwN[↩]
- vgl. BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG, NJW 2017, 3218 Rn. 51; NJW-RR 2018, 694 Rn. 18; NJW 2021, 2581 Rn. 13; BGH, Beschlüsse vom 12.05.2020 – VIII ZR 171/19, NJW 2020, 2730 Rn. 13; vom 07.04.2022 – V ZR 165/21 12 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020 – VIII ZR 31/18, NJW 2020, 2884 Rn. 17[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 05.12.2006 – VI ZR 228/05, NJW-RR 2007, 414 Rn. 10; vom 23.06.2015 – II ZR 166/14, aaO; vom 14.03.2017 – VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 14; vom 07.01.2021 – III ZR 127/19, BGHZ 228, 115 Rn. 12; Beschlüsse vom 29.11.2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 9; vom 15.03.2022 – VIII ZB 43/21 13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2016 – VIII ZR 77/15, NJW 2016, 2493 Rn. 23[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 Rn. 12; vom 24.02.2022 – VII ZR 13/20 45; Beschluss vom 16.09.2008 – IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2016 – VIII ZR 77/15, aaO Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 29.11.2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 11; vom 07.10.2021 – III ZB 50/20, ZInsO 2022, 114 Rn. 28; jeweils mwN[↩]
- vgl. BVerfGE 60, 305, 310; BVerfG, NJW 2012, 2262 Rn.19; NJW 2017, 3218 Rn. 50; ZInsO 2021, 1612 Rn. 22[↩]
- vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 24.02.2010 – XII ZB 168/08, NJW-RR 2010, 1075 Rn. 7; vom 04.12.2012 – VIII ZB 25/12, NJW-RR 2013, 255 Rn. 5; vom 07.10.2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 6[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 06.05.1987 – IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264 unter I; Beschluss vom 09.05.2018 – IV ZR 264/17, FamRZ 2018, 1248 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 5. Aufl., § 522 Rn. 32; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 19. Aufl., § 522 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 19.08.2010 – VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rn. 18; vom 03.12.2010 – V ZR 200/09 10; vom 25.06.2015 – IX ZR 142/13, NZI 2015, 799 Rn. 24; jeweils mwN; Beschlüsse vom 29.03.2017 – IV ZR 510/15, NJW-RR 2017, 672 Rn. 8; vom 21.01.2020 – VI ZR 346/18, NJW-RR 2020, 574 Rn. 9; vom 12.01.2022 – XII ZR 26/21, ZInsO 2022, 963 Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteile vom 21.12.2004 – XI ZR 17/03 11; vom 25.09.2020 – V ZR 300/18, WuM 2021, 59 Rn. 7; Beschluss vom 10.12.2019 – VIII ZR 377/18, NJW-RR 2020, 284 Rn. 14; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 29.04.2014 – XI ZR 126/13, juris; vom 16.05.2017 – VI ZR 25/16, NJW 2017, 2561 Rn. 11; vom 13.09.2016 – VII ZR 17/14, NJW 2017, 1180 Rn. 13[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 29.06.2006 – I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn. 15; vom 05.07.2016 – XI ZR 254/15, WM 2016, 1831 Rn. 24; vom 07.12.2017 – IX ZR 45/16, NJW 2018, 608 Rn. 9[↩]
- BGH, Urteile vom 29.06.2006 – I ZR 235/03, aaO Rn. 15 f. mwN; vom 22.02.2022 – VI ZR 934/20, BB 2022, 722 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2016 – IX ZR 142/14, WM 2016, 2091 Rn. 17; vom 07.12.2017 – IX ZR 45/16, aaO[↩]
- vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 08.12.2021 – VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 36 ff. mwN[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15.02.2018 – I ZR 243/16, NJW-RR 2018, 1003 Rn. 13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2003 – V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 unter – II 1 a bb; Beschlüsse vom 25.06.2013 – XI ZR 210/12 14; vom 08.12.2021 – VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 31[↩]
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