Mit der Wiedereinsetzung bei mangelnder Notierung einer Vorfrist hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Ausgangspunkt hierfür war ein vom Berufungsgericht abgelehnter Wiedereinsetzungsantrag in eine versäumte Berufungsbegründungsfrist. Dabei hat das Berufungsgericht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Anforderungen an das, was eine Partei veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, überspannt und dadurch den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt 1; die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 233, 234 ZPO zurückgewiesen hat, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand:
Unterstellt man mit dem Berufungsgericht, dass es in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers eine allgemeine Anweisung über die Eintragung einer Vorfrist nicht gegeben hat, ist ein darin liegendes Verschulden für die Versäumung der Frist nicht kausal gewesen 2. Ist nämlich wie hier eine Rechtsmittelbegründungsfrist versäumt worden, nachdem die in der Handakte notierte Hauptfrist unzutreffend in den Fristenkalender übertragen worden ist, so ist bei der Prüfung, ob die unterbliebene Notierung einer Vorfrist die Versäumung der Frist verursacht hat, davon auszugehen, dass die Vorfrist durch eine von der (unzutreffend) eingetragenen Hauptfrist ausgehende Rückrechnung ermittelt und eingetragen worden wäre 3. Aus diesem Grund kann aber im streitgegenständlichen Fall nicht angenommen werden, dass bei Eintragung einer Vorfrist die Akte dem Rechtsanwalt rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden wäre.
Fehlt es schon an der Kausalität, kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vor der Verwerfung der Berufung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 139 ZPO), und ob der in der Rechtsbeschwerdebegründung erfolgte ergänzende Vortrag zu der Handhabung von Vorfristen allgemein und der Vorfrist im vorliegenden Fall in der Rechtsbeschwerdeinstanz Berücksichtigung finden kann 4.
Nach alledem konnte der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Die Sache war vom Bundesgerichtshof gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen 5.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. Oktober 2019 – VI ZB 31/19
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10.04.2018 – VI ZB 44/16, NJW-RR 2018, 1210 Rn. 5 mwN; vom 23.04.2013 – VI ZB 30/12, FamRZ 2013, 1124 Rn. 6 mwN; BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 4 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 8 ff.; BGH, Beschluss vom 12.04.1988 – VI ZB 5/88, VersR 1988, 941 7[↩]
- ebenda Rn. 10 bzw. Rn. 7[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.02.2018 – VI ZB 47/17, NJW-RR 2018, 569 Rn. 12 mwN[↩]