Wird die Zuschlagsentscheidung entgegen der Regelung in § 87 Abs. 1 ZVG nicht verkündet, ist sie gleichwohl wirksam, wenn das Versteigerungsgericht sie den Verfahrensbeteiligten zum Zweck der Verlautbarung förmlich zugestellt hat; der Verfahrensfehler führt allerdings zur Aufhebung der Entscheidung im Beschwerdeverfahren, wenn sie auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruht, ohne den Fehler also anders ausgefallen wäre.

Nach § 87 Abs. 1 ZVG ist der Beschluss, durch welchen der Zuschlag erteilt oder versagt wird, in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin zu verkünden. Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es den Zuschlag in dem einen oder in dem anderen Termin verkündet; die Kontrolle des Beschwerdegerichts beschränkt sich demzufolge auf Ermessensfehler1.
Dabei hat das Versteigerungsgericht keinen Ermessensspielraum. Denn dieser ist ihm nur eröffnet, wenn es sich zwischen der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses in dem Versteigerungstermin und der Verkündung in einem besonderen Termin entscheiden kann. Im entschiedenen Fall bestand indes keine Entscheidungsmöglichkeit mehr, weil der Versteigerungstermin bereits abgeschlossen war, als das Vollstreckungsgericht den Zuschlagsbeschluss fasste. Es hätte deshalb nach § 87 Abs. 1 ZVG zwingend einen Termin zur Verkündung des Beschlusses bestimmen müssen. Ohne Anberaumung eines Termins zur Verkündung des Zuschlagsbeschlusses durfte der Zuschlag den Meistbietenden nach § 83 Nr. 6 ZVG nicht erteilt werden.
Die unterlassene Verkündung hat dann nicht die Unwirksamkeit des Beschlusses zur Folge, sondern bedeutet einen Verfahrensmangel, wenn das Versteigerungsgericht den Beschluss den Verfahrensbeteiligten zum Zweck der Verlautbarung förmlich zugestellt hat2. So war es hier. Die erkennende Rechtspflegerin hat die Zustellung des Zuschlagsbeschlusses an die Meistbietenden, den Schuldner und die übrigen Beteiligten verfügt, so dass ihr Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz des Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 ZVG außer Frage steht.
Der Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses, weil dieser auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruht, die Entscheidung ohne den Fehler also anders ausgefallen wäre3. Denn die Anberaumung eines Verkündungstermins hätte dem Schuldner die Gelegenheit gegeben, mit einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO die Erteilung des Zuschlags zu verhindern.
Ein solcher Antrag wäre zulässig gewesen. Insbesondere hätte dem Schuldner dafür nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, weil er bei dem Prozessgericht, welches über den Einspruch gegen den von den Meistbietenden erwirkten Vollstreckungsbescheid zu entscheiden hat, keinen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 700 Abs. 1, §§ 707, 719 Abs. 1 ZPO) gestellt hat. Denn ein solcher Antrag hat nur dann Vorrang vor einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO4, wenn die Zwangsvollstreckung aus demselben Titel betrieben wird, dessen Beseitigung der Schuldner vor dem Prozessgericht erstrebt. Daran fehlt es hier.
Der Antrag wäre im hier entschiedenen Fall auch erfolgreich gewesen. Die Erteilung des Zuschlags an die Meistbietenden auf das Bargebot von 3.600 € bedeutet für den Schuldner unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses der betreibenden Gläubigerin eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte (§ 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO) und führt deshalb nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis5, nämlich zur eventuellen Verschleuderung des Wohnungseigentums.
Zwar können Einwendungen gegen den Bestand des dinglichen Anspruchs aus einem Grundpfandrecht nicht vor dem Vollstreckungsgericht geltend gemacht werden, sondern sind grundsätzlich im Erkenntnisverfahren zu verfolgen und von dem Prozessgericht zu entscheiden6. Auch der Einwand, der Gläubiger habe sich den Vollstreckungstitel erschlichen, kann nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung einen Antrag nach § 765a ZPO nicht begründen7. Aber beides gilt nur dann, wenn mit diesem Antrag eine Vollstreckungsmaßnahme angegriffen wird, deren Grundlage derselbe Titel ist wie der, gegen den sich die Einwendungen richten bzw. den der Gläubiger sich erschlichen haben soll. So liegt es hier nicht; die Meistbietenden haben das Zwangsversteigerungsverfahren nicht betrieben. Deshalb hätte der Schuldner mit einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO die Unwirksamkeit des von den Meistbietenden erwirkten Vollstreckungsbescheids geltend machen können8.
Da seinerzeit die Frage der Wirksamkeit des Vollstreckungsbescheids Gegenstand eines vor dem Prozessgericht geführten Rechtsstreits war, hätte die Versteigerungsrechtspflegerin aufgrund des Vortrags des Schuldners, ihm sei dieser Vollstreckungsbescheid nicht zugestellt worden, zur Vermeidung einer eventuellen – unumkehrbaren – Verschleuderung des Wohnungseigentums den Zuschlag nicht erteilen dürfen, sondern das Verfahren einstweilen einstellen müssen. Denn wenn das Prozessgericht auf den Einspruch des Schuldners hin den Vollstreckungsbescheid aufhebt, besteht die auf dessen Grundlage in das Grundbuch eingetragene Zwangssicherungshypothek (§ 867 ZPO) zugunsten der Meistbietenden nicht. Vielmehr erwirbt in diesem Fall der Schuldner die Hypothek (§ 868 Abs. 1 ZPO) mit der Folge, dass sie zur Eigentümergrundschuld wird (§ 1177 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Meistbietenden gehören dann nicht mehr zu den zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten im Sinne von § 85a Abs. 3 ZVG. Auf ihr Bargebot von 3.600 € darf ihnen nach § 85a Abs. 1 ZVG der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es – mangels bestehenbleibender Rechte – die Hälfte des festgesetzten Verkehrswerts des Wohnungseigentums bei weitem nicht erreicht.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – V ZB 124/11
- BGH, Beschluss vom 14.07.2011 – V ZB 25/11, NJW-RR 2011, 1434 Rn. 4[↩]
- OLG Köln, MDR 1982, 330; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 87 Rn. 15; ebenso BGH, Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020 zu einem entgegen § 310 Abs. 1 ZPO nicht verkündeten Urteil; aA Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 87 Rn.02.5[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.2011 – V ZB 25/11, NJW-RR 2011, 1434 Rn. 7; OLG Köln, MDR 1982, 330; BGH, Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020 zu einem Verstoß gegen § 310 Abs. 1 ZPO[↩]
- dazu BGH, Beschluss vom 04.07.2007 – VII ZB 15/07, NJW 2007, 2703, 2704 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.06.2004 – IXa ZB 267/03, NJW 2004, 3635, 3636[↩]
- BGH, Beschluss vom 27.02.2004 – IXa ZB 247/03, NJOZ 2004, 1208, 1211[↩]
- HansOLG Hamburg, MDR 1970, 426; KG, FamRZ 1966, 157; OLG Köln, NJW 1957, 1197; aA OLG Düsseldorf, MDR 1959, 309[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 27.02.2004 – IXa ZB 135/03, NJW 2004, 1803, 1805 aE; LG Frankfurt am Main, Rpfleger 1985, 35, 36[↩]
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