Die Entscheidung eines Gerichts, die Revision nicht zuzulassen, verstößt gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sie willkürlich ist1. Mit dem für den Bereich des Zivilprozesses durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG) gewährleisteten Gebot effektiven Rechtsschutzes2 ist es unvereinbar, wenn eine Auslegung und Anwendung der Zulassungsvoraussetzungen für ein Rechtsmittel sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert3.

Nach diesen Maßstäben verletzt die Nichtzulassung der Revision weder den Anspruch auf den gesetzlichen Richter noch das Gebot effektiven Rechtsschutzes. Das Oberlandesgericht hat die Nichtzulassung damit begründet, dass die Entscheidung auf einer Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den konkreten Einzelfall beruhe. Es ist nicht erkennbar, dass das Oberlandesgericht mit dieser Begründung die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision in verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbarer Weise verneint hat.
Im Falle einer Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den konkreten Einzelfall liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vor4, weil die Sache keine für eine Vielzahl von Fällen bedeutsame klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, eine höchstrichterliche Orientierungshilfe nicht mehr erforderlich ist und es keine in Divergenz zu anderer Rechtsprechung beantwortete Rechtsfrage gibt, die durch das Revisionsgericht zu korrigieren wäre.
Die Prüfung, ob es sich bei der Habilitationsschrift der Beschwerdeführerin um ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk handelt, beruht auf einer Anwendung einschlägiger Rechtssätze des Bundesgerichtshofs. Die Rechtsfrage, inwieweit inhaltliche Elemente den Urheberrechtsschutz eines wissenschaftlichen Werks begründen können, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Hiernach kann die Sammlung, Anordnung und Darbietung wissenschaftlichen Materials schutzfähig sein5. In Anwendung dieser und weiterer Maßstäbe des Bundesgerichtshofs6 hat das Oberlandesgericht eine Schutzfähigkeit des Sprachwerks der Beschwerdeführerin aufgrund einer bestimmten Reihenfolge in der Darstellung, der Bildung bestimmter Schwerpunkte, der Verknüpfung bestimmter Fakten, Auswertung und Ziehung von Schlussfolgerungen sowie der sprachlichen Darstellung angenommen.
Das Oberlandesgericht konnte die Beurteilung, ob eine freie (§ 24 UrhG) oder eine unfreie (§ 23 UrhG) Bearbeitung vorliegt, ebenfalls als Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den konkreten Fall ansehen. Die hierfür herangezogenen Prüfungsmaßstäbe hat es der höchstrichterlichen Rechtsprechung entnommen. Hiernach kommt es entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werks hält, wobei eine freie Benutzung voraussetzt, dass angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des benutzten Werks verblassen7. Dabei ist durch Vergleich zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden sind8.
Bei der Prüfung, ob das Werk des Beklagten einen ausreichenden Abstand zum Werk der Beschwerdeführerin hält, hat das Oberlandesgericht die bereits bei der Prüfung der Schutzfähigkeit des wissenschaftlichen Werks der Beschwerdeführerin herangezogenen Rechtssätze zugrunde gelegt9. Soweit es die inhaltlichen Entlehnungen des Beklagten hinsichtlich des ausgewählten Materials nicht als unfreie Benutzung im Sinne des § 23 UrhG angesehen hat, handelt es sich ebenfalls um die Anwendung höchstrichterlicher Rechtssätze, auch wenn es dabei zu einem anderen Ergebnis als eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs10 gelangt sein mag.
Die Anwendung der etablierten Maßstäbe des Bundesgerichtshofs durch das Oberlandesgericht begegnet allerdings Bedenken. Das Oberlandesgericht lehnt die grundsätzlich anerkannte Schutzfähigkeit der Materialauswahl der Beschwerdeführerin wegen ihrer erschöpfenden Behandlung des Themas ab und sieht einen ausreichenden Abstand ihres Werks zu dem des Beklagten des Ausgangsverfahrens darin, dass letzterer aus den Beispielen der Beschwerdeführerin eine Auswahl getroffen und eine andere Gewichtung gewählt habe. Das Oberlandesgericht prüft aber nicht, inwieweit dieses partielle Kopieren des Ertrages der wissenschaftlichen Arbeit der Beschwerdeführerin eine eigene Schöpfungshöhe aufweist und damit eine Verletzung von Urheberrechten der Beschwerdeführerin ausschließt. Diese Bedenken betreffen jedoch lediglich die einfachrechtliche Anwendung anerkannter Rechtssätze auf den Einzelfall und erfüllen damit nicht die Voraussetzungen eines Revisionszulassungsgrundes, dessen Missachtung von Verfassungs wegen zu beanstanden wäre.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. August 2013 – 1 BvR 2515/12
- vgl. BVerfGE 19, 38, 42 f.; 87, 282, 284 f.; BVerfGK 2, 202, 204; BVerfG, Beschluss vom 21.03.2012 – 1 BvR 2365/11, NJW 2012, 1715[↩]
- vgl. BVerfGE 93, 99, 107[↩]
- vgl. BVerfGE 125, 104, 137; BVerfG, Beschluss vom 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11[↩]
- vgl. dazu BGHZ 154, 288, 291 ff.[↩]
- vgl. etwa BGH, Urteil vom 07.12.1979 – I ZR 157/77, GRUR 1980, S. 227, 230 „Monumenta Germaniae Historica“[↩]
- vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 21.11.1980 – I ZR 106/78, GRUR 1981, S. 352 „Staatsexamensarbeit“ und BGH, Urteil vom 01.12.2010 – I ZR 12/08, GRUR 2011, S. 134 „Perlentaucher“[↩]
- BGH, Urteil vom 01.12.2010 – I ZR 12/08, GRUR 2011, S. 134, 137 „Perlentaucher“[↩]
- BGH, Urteil vom 08.07.2004 – I ZR 25/02, GRUR 2004, S. 855 „Hundefigur“[↩]
- vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 07.12.1979 – I ZR 157/77, GRUR 1980, S. 227, 230 „Monumenta Germaniae Historica“[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1981 – I ZR 95/79, GRUR 1982, S. 37, 39 f. „WK-Dokumentation“[↩]