Einem Hinterbliebenen, der mit einem von zwei Sachanträgen voll obsiegt hat und mit dem anderen unterlegen ist, ist wegen der in der Abweisung liegenden Beschwer die Berufungsinstanz eröffnet, dies zwar zu dem Zweck, um sich gegen die Abweisung zu wehren, aber mit der Folge, dass er auch den zuerkannten Anspruch erweitern kann.

Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht die in erster Instanz noch beantragte Feststellung, dass der Arzt zur Entrichtung einer Geldrente verpflichtet ist, ausgesprochen und die Klage im Übrigen, d.h. hinsichtlich der begehrten Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, abgewiesen1. Im Berufungsverfahren haben die Hinterbliebenen ihre Anträge hinsichtlich des Unterhaltsschadens auf Leistungsanträge umgestellt. Sie begehren nun Zahlung einer monatlichen Geldrente, deren Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt haben, die beim Hinterbliebenen zu 1 jedoch mindestens 500 €, beim Hinterbliebenen zu 2 mindestens 400 € betragen soll. Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Entscheidung des Landgerichts auf die Berufungen der Parteien jeweils abgeändert. Auf die Berufung der Hinterbliebenen hat es die begehrte Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ausgesprochen, auf die Berufung des Arztes die Zahlungsanträge hinsichtlich des Unterhaltsschadens als unzulässig abgewiesen2.
Auf die Revision des Hinterbliebenens hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Naumburg zurückverwiesen. Die Klage war hinsichtlich der zuletzt gestellten Zahlungsanträge insbesondere nicht schon deshalb als unzulässig abzuweisen, weil die insoweit von den Hinterbliebenenn in der Berufungsinstanz vorgenommene Umstellung ihrer Anträge von Feststellung auf Zahlung mangels Anschlussberufung der Hinterbliebenen unzulässig gewesen wäre:
Bei der Umstellung von einem Feststellungs- zu einem Zahlungsbegehren handelt es sich um eine Klageerweiterung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO, wenn sich der neue Antrag auf dasselbe Rechtsverhältnis bezieht3. Eine solche Klageerweiterung setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Hinterbliebenen entweder bereits zulässigerweise Berufung bzw. Anschlussberufung eingelegt hat und seinen Rechtsmittelangriff noch erweitern kann oder zum Zeitpunkt der Klageerweiterung noch zulässigerweise Berufung bzw. Anschlussberufung einlegen kann4. Will der erstinstanzlich obsiegende Hinterbliebenen das erstinstanzliche Urteil nicht nur gegen die Berufung des Arztes verteidigen, sondern die von ihm im ersten Rechtszug gestellten Anträge erweitern, bedarf es folglich im Regelfall der Anschlussberufung des Hinterbliebenens5. Dies gilt jedoch nicht, wenn der mit einem Teil seiner Ansprüche erstinstanzlich abgewiesene Hinterbliebenen insoweit ebenfalls Berufung eingelegt hat und sodann die Klage hinsichtlich des ihm erstinstanzlich zuerkannten Teils erweitert6. Denn einem Hinterbliebenen, der mit einem von zwei Sachanträgen voll obsiegt hat und mit dem anderen unterlegen ist, ist wegen der in der Abweisung liegenden Beschwer die Berufungsinstanz eröffnet, dies zwar zu dem Zweck, um sich gegen die Abweisung zu wehren, aber mit der Folge, dass er auch den zuerkannten Anspruch erweitern kann7. Für eine solche Klageerweiterung in zweiter Instanz gilt § 520 ZPO nicht, weshalb sie nicht an die Begründungsfrist gebunden ist, sondern bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung vorgenommen werden kann8.
Nach diesen Grundsätzen konnten die Hinterbliebenen, die bezogen auf ihr Begehren zur Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung selbst wirksam Berufung eingelegt hatten, ihre Anträge hinsichtlich des Unterhaltsschadens in der Berufungsverhandlung zu Leistungsanträgen erweitern, ohne dass es hierzu einer wirksamen Anschlussberufung bedurft hätte.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Juni 2025 – VI ZR 204/23
- LG Halle, Urteil vom 17.01.2022 – 4 O 60/19[↩]
- OLG Naumburg, Urteil vom 25.05.2023 – 3 U 23/22[↩]
- BGH, Urteil vom 12.05.1992 – VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296 9; BGH, Urteil vom 16.05.2001 – XII ZR 199/98, NJW-RR 2002, 283 6; BAG, NZA 2022, 713 Rn. 14[↩]
- BGH, Urteil vom 31.08.2022 – VIII ZR 233/21, NZM 2022, 922 Rn. 69 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2015 – VII ZR 145/12, NJW 2015, 2812 Rn. 28[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1992 – VI ZR 118/91, NJW 1992, 2296 13 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.10.1982 – IVb ZR 318/81, BGHZ 85, 140, 143 9; Beschluss vom 03.02.2022 – III ZR 242/20, MDR 2022, 586 Rn. 10[↩]
- BGH, Beschluss vom 03.02.2022 – III ZR 242/20, MDR 2022, 586 Rn. 10 f. mwN; zum Ganzen Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 264 Rn. 7 mwN[↩]
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