Die unvollständige Mietzahlung

Auch wenn unvollständige Mietzahlungen ausschließlich auf einem Versehen der mit der Überweisung beauftragten Bank beruhen, hat der Mieter grundsätzlich dafür einzustehen. Verpflichtet sich ein Mieter im Rahmen eines Räumungsprozesses zur Räumung und Herausgabe einer Wohnung bei gleichzeitigem Verzicht des Vermieters auf eine Vollstreckung aus diesem Vergleich für den Fall der jeweils vollständigen und pünktlichen Mietzahlung (für einen Zeitraum von vier Jahren), so kann eine Vollstreckung wegen eines geringen Fehlbetrages im Einzelfall treuwidrig sein1.

Die unvollständige Mietzahlung

So das Landgericht Freiburg in dem hier vorliegenden Fall einer Mieterin, die sich gegen die Vollstreckung eines Mietteilbetrags gewehrt hat. Die Klägerin war – ursprünglich gemeinsam mit ihrem Ehemann – Mieterin einer Wohnung der Beklagten. Im Jahre 2009 geriet sie mit der Zahlung der seinerzeit vereinbarten Miete (Kaltmiete: 558,60 EUR; Warmmiete: 728,54 EUR) in Rückstand. Im Rahmen des dann folgenden Prozesses ist es zwischen der Mieterin und der Vermieterin zu einer Vereinbarung2 gekommen, nach der für die Wohnung über einen Zeitraum von vier Jahren eine Nutzungsentschädigung gezahlt werden sollte. Nach Ablauf sollte es zu einem neuen Mietvertrag kommen. Zwischenzeitlich verpflichtete sich die Mieterin zur Räumung und Herausgabe einer Wohnung bei gleichzeitigem Verzicht des Vermieters auf eine Vollstreckung aus diesem Vergleich für den Fall der jeweils vollständigen und pünktlichen Mietzahlung. In der Folgezeit zahlte die Klägerin zunächst regelmäßig und rechtzeitig die nach dem Vergleich geschuldete Nutzungsentschädigung. Die Beklagte nahm im November 2010 eine „Mieterhöhung“ auf eine Warmmiete von 788,54 EUR (Kaltmiete: 618,60 EUR) vor. Die Erhöhung wurde von der Klägerin, die als alleinerziehende Mutter zweier minderjähriger Kinder auf Sozialleistungen angewiesen ist, akzeptiert. Im Juli und August 2012 wurden infolge eines Bankversehens statt jeweils 788,54 EUR lediglich jeweils 778,00 EUR an die Beklagte überwiesen. Mit Schreiben vom 29.08.2012 teilte diese der Klägerin mit, dass sie deswegen die Vollstreckung aus dem Vergleich eingeleitet habe. Den fehlenden Betrag (2 x 10,54 EUR) hat die Klägerin am 31.08.2012 überwiesen. Die Klägerin erhob Vollstreckungsgegenklage, wobei sie sich zu deren Begründung u.a. darauf berufen hat, sie träfe kein Verschulden an den verspäteten Zahlungen. Das Amtsgericht3 folgte dieser Argumentation und gab der Vollstreckungsgegenklage mit folgender Tenorierung statt: Die Vollstreckung aus dem Vergleich des Amtsgerichts Freiburg wird mit der Maßgabe für unzulässig erklärt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist wegen der umgehend ausgeglichenen Wenigerzahlung von 2 x 10,54 EUR auf die Mieten in den Monaten Juli und August 2012 die Vollstreckung einzuleiten. Mit ihrer gegen das Urteil eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, das Verschulden der Bank sei der Klägerin zuzurechnen. Auch hätte die Klägerin die Gefahr einer Fehlüberweisung bei einer sogenannten „Blitz- bzw. Eilüberweisung“, wie sie für die Monate Juli und August 2012 erfolgte, voraussehen können. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil mit der Erwägung, sie sei nur wegen verspäteter Zahlungen durch die Sozialbehörde (Jobcenter) unter Zeitdruck geraten und habe alles für eine rechtzeitige Zahlung getan.

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Nach Auffassung des Landgerichts Freiburg verstößt eine Vollstreckung aus dem Vergleich wegen der zweimaligen Minderzahlungen jedenfalls gegen § 242 BGB.
Die Vollstreckungsgegenklage ist zulässig.

Erstinstanzlich hatte sich die Klägerin allerdings u.a. auch auf eine Unwirksamkeit des Vergleichs wegen Sittenwidrigkeit der in § 2 Ziffer 3 vereinbarten Bindungsdauer berufen. Der Streit über die Wirksamkeit des Vergleichs wäre jedoch nicht im Wege der Vollstreckungsgegenklage, sondern durch Fortsetzung des alten Verfahrens auszutragen. Das Schwergewicht der Argumentation der Klägerin lag hierauf jedoch nicht, weshalb die Vollstreckungsgegenklage der richtige Rechtsbehelf ist, wovon auch der Bundesgerichtshof in einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt ausgegangen ist4.

Nicht entschieden werden muss auch, ob die Vollstreckungsgegenklage bereits deshalb Erfolg hat, weil einige Bestimmungen des Vergleichs nach § 555 BGB oder § 572 Abs. 2 BGB unwirksam wären.

Soweit der Bundesgerichtshof5 im dortigen Fall eine Anwendung des § 555 BGB verneint hat, lag dem eine nicht ohne Weiteres vergleichbare Konstellation zu Grunde. Im Fall des Bundesgerichtshofs bestand unstreitig ein zur Kündigung berechtigender Mietrückstand, der im Vergleich auch festgeschrieben worden war. Vorliegend war der Ausgang des Vorprozesses jedoch durchaus offen6. Es lag daher die Situation eines – vergleichstypischen – gegenseitigen Nachgebens vor. Ob in einem solchen Fall die Bestimmung des § 555 BGB eingreift, ist in der Rechtsprechung ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob durch den Räumungsvergleich ein neues Mietverhältnis begründet wurde, dessen auflösende Bedingung nach § 572 Abs. 2 BGB unwirksam ist7. Da eine Vollstreckung aus dem Vergleich, dessen Wirksamkeit unterstellt, jedenfalls an § 242 BGB scheitert, kommt es auf die Entscheidung der genannten Rechtsfragen im vorliegenden Fall jedoch nicht an.

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Die Klägerin hat die unvollständige Zahlung der Mieten Juli und August 2012 entgegen der Ansicht des Amtsgerichts allerdings durchaus zu vertreten, weshalb es nicht weiter darauf ankommt, ob sie für eine verspätete Zahlung nach dem Vergleichstext auch ohne Verschulden einzustehen hätte. Für Zahlungsverzögerungen oder Falschüberweisungen, die durch Erfüllungsgehilfen verursacht werden, muss der Mieter nämlich eintreten. Zu den Erfüllungsgehilfen gehört vorliegend auch die durch die Klägerin beauftragte Sparkasse8, die auch bestätigt hat, dass ihr in der Eile ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen ist, der sich unbemerkt in den Folgemonat geschlichen hat.

Ein darüber hinausgehendes Verschulden der Klägerin liegt auf der Grundlage der fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts jedoch nicht vor. Es ist gerichtsbekannt und von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt, dass Zahlungen der Sozialbehörde nach SGB II zum Stichtag des jeweils Monatsersten erfolgen, auch wenn die Zahlungen im Einzelfall auch schon einmal am Monatsletzten des Vormonats auf dem Konto gut geschrieben sein können. Die Sozialbehörde (Jobcenter) hat hier ausdrücklich bescheinigt, dass die verspäteten Zahlungen der Leistungen für Juli, August und September 2012 in dessen Verantwortungsbereich fielen9. Wie hoch die Leistungen der Sozialbehörde tatsächlich waren und ob diese die Miete ganz oder nur zum Teil an die Klägerin überwiesen hat, ist unerheblich. Zum Zeitpunkt der Eilüberweisung wies das Konto der Klägerin nämlich unstreitig die nötige Deckung auf, weshalb sie sich darauf verlassen konnte, dass die Sparkasse den Auftrag korrekt ausführt. Zu besonderen Überwachungsmaßnahmen war sie nicht verpflichtet.

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Unbestritten hat die Klägerin seit Abschluss des Vergleichs die monatliche Nutzungsentschädigung über zwei Jahre hinweg regelmäßig und fristgerecht geleistet und auch eine „Mieterhöhung“ akzeptiert. Sie hat alles getan, um den rechtzeitigen Eingang der Mietzahlungen bei der Beklagten sicherzustellen, was sich schon in der Tatsache zeigt, dass sie die Zahlungen teilweise per „Blitzüberweisung“ leistete (für die nach den Bedingungen der Sparkasse eine Gebühr von 15,00 EUR anfällt). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin das Versehen ihrer Bank sofort korrigierte, als die Beklagte sie hierauf aufmerksam machte.

Aufgrund dieser Besonderheiten lagen hier, anders als im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall4, die Voraussetzungen des § 242 BGB vor, wonach die Vollstreckung aus dem Vergleich treuwidrig ist, zumal, ebenfalls anders wie im Fall des Bundesgerichtshofs, vorliegend der Ausgang des ursprünglichen Räumungsrechtsstreits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses durchaus offen war10.

Soweit die Klägerin im November 2012 einen Betrag iHv 0,54 EUR zu wenig überwiesen hat, ist hierdurch zum einen nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin infolge vorangegangener, geringfügiger, Zuvielüberweisungen schon kein Mietrückstand entstanden. Zudem ist die Frage, ob die Beklagte auf Grund dieser Minderzahlung zur Vollstreckung aus dem Vergleich berechtigt ist, nicht Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 11.12.2012 wird zurückgewiesen.

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Landgericht Freiburg, Urteil vom 7. März 2013 – 3 S 7/13

  1. Ergänzung zu BGH, Urteil vom 14.10.2009 – VIII ZR 272/08[]
  2. AG Freiburg, Vergleich vom 20.05.10 – 2 C 1490/09[]
  3. AG Freiburg, Urteil vom 11.12.2012 – 11 C 3032/12[]
  4. BGH, Urteil vom 14.10.2009 – VIII ZR 272/08[][]
  5. aaO[]
  6. vgl. auch die Begründung des Beschlusses des Landgerichts Freiburg vom 10.11.2009 -3 T 221/09[]
  7. vgl. zur Problematik: Flatow JurisPR – MietR 26/2009 Anmerkung 5; Blank, NZM 2010, 31 f[]
  8. Schmidt-Futterer/Blank § 543 Rn. 97 m.w.N.[]
  9. vgl. insoweit auch BGH NJW 2009, 3782 f[]
  10. vgl. zur Anwendung des § 242 BGB in der vergleichbaren Konstellation einer rechtsmissbräuchlichen Kündigung, wenn eine Zahlungsverzögerung ausschließlich auf dem Verschulden eines Dritten beruht: Schmidt-Futterer/Blank § 543 Rn. 132[]

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