Die Verlängerungsoption des Mieters – und der bestehende Mietmangel

Die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter führt nicht gemäß oder entsprechend § 536 b BGB dazu, dass der Mieter für die Zukunft mit seinen Rechten aus §§ 536, 536 a BGB ausgeschlossen ist1.

Die Verlängerungsoption des Mieters – und der bestehende Mietmangel

Bei einer Verlängerungsoption handelt es sich um das der begünstigten Partei eingeräumte Recht, ein befristetes Mietverhältnis vor Ablauf der Mietzeit durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung um einen bestimmten Zeitraum zu verlängern2. Demgegenüber führt eine Verlängerungsklausel die Vertragsverlängerung allein durch Schweigen herbei3.

Im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall haben die Mietvertragsparteien eine Kombination dieser Regelungsmöglichkeiten vorgenommen, indem sie allein der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt haben, eine Vertragsverlängerung (um fünf Jahre) nach Ablauf der zehnjährigen Vertragslaufzeit durch schriftliche Erklärung zu verhindern. Dies ändert aber ebenso wenig wie der Umstand, dass in der Vertragsklausel von einer „Option“ die Rede ist nichts daran, dass die Verlängerung nicht an eine empfangsbedürftige Willenserklärung, sondern allein an die Nichtabgabe einer „gegenteiligen schriftlichen Erklärung“ und damit das Schweigen der Beklagten gebunden ist. Das Unterbleiben der Beendigungserklärung führte mithin zur Fortsetzung des Mietverhältnisses mit demselben Inhalt bei Wahrung des in die Zukunft verlängerten Vertrags4.

Ob die vorliegend erfolgte Vertragsverlängerung derjenigen durch Ausübung einer Verlängerungsoption entspricht, die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 539 BGB a.F. zugrunde lag5, kann jedoch dahinstehen.

Weiterlesen:
Die frühe Betriebskostenabrechnung

Denn wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, führt auch die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter nicht gemäß oder entsprechend § 536 b BGB zum Verlust der ihm nach §§ 536 und 536 a BGB zustehenden Rechte6.

Bei der Ausübung einer Verlängerungsoption handelt es sich nicht um einen Vertragsschluss im Sinne des § 536 b BGB. Die Option ist ein schon im Ausgangsvertrag eingeräumtes Gestaltungsrecht. Durch ihre Ausübung kommt kein neuer Vertrag zustande. Vielmehr wirkt sie unmittelbar auf das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändert und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufügt. Im Übrigen wird der Mietvertrag aber ebenso wie bei der Fortsetzung eines Mietverhältnisses aufgrund eines Verlängerungsmechanismus mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt und die Identität des Vertrags bleibt erhalten. Demnach bewirkt die Ausübung einer Verlängerungsoption keine Änderung der vertraglichen Beziehungen, die einen Neuabschluss des Mietvertrags darstellt7.

Auch die entsprechende Anwendung des § 536 b BGB kommt bei vorbehaltloser Ausübung einer Verlängerungsoption nicht in Betracht8.

Zwar entsprach es zur früheren Rechtslage höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Ausübung einer Verlängerungsoption die entsprechende Anwendung von § 539 BGB a.F. rechtfertigte. Nachdem diese Norm entsprechend auch in den Fällen angewendet wurde, in denen der Mieter erst während des Mietverhältnisses Mängel entdeckte, den Vertrag aber gleichwohl, ohne Beanstandungen zu erheben, fortsetzte und erfüllte, musste das erst recht für die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption gelten5.

Weiterlesen:
Zwischenverfügung - und die fehlende Eintragungsbewilligung

Aufgrund der seit dem Inkrafttreten der §§ 536 b, 536 c BGB bestehenden neuen Rechtslage ist diesem Erst-Recht-Schluss aber die Grundlage entzogen. Es fehlt nämlich seit der Neuregelung durch das am 1.09.2001 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz vom 19.06.20019 an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Im Zuge der Einführung des Mietrechtsreformgesetzes hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, eine Regelung für den Fall zu treffen, dass der Mieter den Mangel erst nach Vertragsschluss erkennt und trotz Kenntnis des Mangels die Miete über einen längeren Zeitraum hinweg vorbehaltlos in voller Höhe weiterzahlt, sondern mit § 536 c BGB eine abschließende Regelung für nachträglich sich zeigende Mängel getroffen10.

Eine entsprechende Anwendung des § 536 b BGB auf die vorbehaltlose Ausübung der Verlängerungsoption durch den Mieter ist auch nicht in Ansehung des Gesetzeszwecks geboten. Tragender Grund für die in dieser Vorschrift getroffene Regelung ist der Gedanke, dass derjenige, der trotz Kenntnis eines Mangels vorbehaltlos mietet, zu erkennen gibt, der durch den Mangel beeinträchtigte Gebrauch der vermieteten Sache solle der vertragsgemäße Gebrauch sein, für den er die vom Vermieter geforderte und schließlich auch vereinbarte Miete zu entrichten gewillt ist. Darüber hinaus soll die Vorschrift der Rechtssicherheit dienen, indem bei Beginn des Mietverhältnisses feststeht, ob der vorhandene Zustand Rechte nach §§ 536, 536 a BGB begründen kann.

Weiterlesen:
Vorausverfügung über die Miete - und der Hypothekengläubiger

Die vorbehaltlose Optionsausübung durch den Mieter während des laufenden Mietverhältnisses ist von der Situation des Vertragsschlusses bzw. Vertragsbeginns jedoch verschieden. Die Grundentscheidung für das Mietverhältnis und den konkreten Zustand der Mietsache als vertragsgemäß ist gefallen, die mietvertraglichen Rechte und Pflichten sind festgelegt und das Dauerschuldverhältnis von Mieter und Vermieter besteht (oft seit längerer Zeit). Der Mieter setzt sich daher nicht dem Vorwurf des widersprüchlichen Verhaltens aus, indem er eine mangelhafte Sache von vorneherein als vertragsgerecht akzeptiert, hiervon abweichend aber zu einem späteren Zeitpunkt die Rechte aus §§ 536 und 536 a BGB geltend macht11.

Der Mieter hat durch die Ausübung der Verlängerungsoption auch nicht das Recht verwirkt, aus den (behaupteten) Mängeln der Mietsache für ihn günstige Rechtsfolgen wie die Minderung herzuleiten. Ein solcher Rechtsverlust kann auch nicht Anwendung von § 536 b BGB entnommen werden.

Es ist für den Bundesgerichtshof schon nicht erkennbar, inwiefern sich bei der Vermieterin ein schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden durfte, dass die Mieterin für die Zukunft auf eine Mietminderung wegen schon gerügter Mängel verzichten werde. Solches ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte der Verlängerung des Mietvertrags nicht widersprochen hat12 bzw. die Verlängerungsoption ausgeübt hat. Im Übrigen macht selbst die Revisionserwiderung nicht geltend, die Klägerin habe sich auch tatsächlich auf einen solchen Rechtsverzicht eingerichtet, noch dazu in einem Maße, dass ihr durch die Geltendmachung der Minderung ein unzumutbarer Nachteil entstünde13.

Weiterlesen:
Das verfärbte Parkett und die Mietminderung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Oktober 2015 – XII ZR 84/14

  1. im Anschluss an BGH, Urteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402[]
  2. vgl. etwa BGH, Urteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn. 21; BGH Urteil vom 14.07.1982 – VIII ZR 196/81 NJW 1982, 2770; Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer/Leonhard Gewerberaummiete Vor § 535 BGB Rn. 542; Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 12. Aufl. § 542 Rn. 184 f.[]
  3. vgl. etwa BGHZ 150, 373 = NJW 2002, 2170, 2171; OLG Düsseldorf ZMR 2002, 910; Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer/Leonhard Gewerberaummiete Vor § 535 BGB Rn. 542[]
  4. vgl. BGHZ 150, 373 = NJW 2002, 2170, 2171[]
  5. BGH Urteil vom 13.07.1970 – VIII ZR 230/68 NJW 1970, 1740, 1742[][]
  6. BGH, Urteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn. 16 ff. mwN; dazu Bi?kowski ZfIR 2015, 105 ff.[]
  7. BGH, Urteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn.20 f. mwN[]
  8. BGH, Urteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn. 22 ff. mwN[]
  9. BGBl. I S. 1149[]
  10. BGH, Urteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn. 24 ff. mwN[]
  11. BGH, Urteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn. 28 ff. mwN[]
  12. vgl. BGH, Urteil BGH 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn. 34[]
  13. st. Rspr., vgl. nur BGH Urteil vom 23.01.2014 – VII ZR 177/13 NJW 2014, 1230 Rn. 13 mwN[]
Weiterlesen:
Insolvenzanfechtung - der Steuerberater als nahestehende Person