Der Rechtsanwalt, dem die Akte zum Zeitpunkt der notierten Vorfrist vorgelegt wird, muss zwar eigenverantwortlich prüfen, ob das Ende der Berufungsbegründungsfrist richtig ermittelt und eingetragen worden ist [1], er kann aber grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Frist, die im Stammdatenblatt richtig notiert ist, auch entsprechend in den Fristenkalender eingetragen worden ist [2].

Da im – hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen, eine versäumte Berufungsbegründungsfrist betreffenden – Streitfall die (Haupt-)Frist im Stammdatenblatt richtig eingetragen war, kann dem Kläger, einem Rechtsanwalt, kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er sich darauf verlassen hat, dass diese Frist auch in den Fristenkalender übernommen worden ist. Ein eigenes Verschulden kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Kläger aufgrund des Umstands, dass die Vorfrist nur sechs Tage statt – wie in seiner Kanzlei üblich – eine Woche betrug, keinen Verdacht geschöpft hat. Denn letztlich war allein die – zutreffend in der Akte notierte – Hauptfrist maßgeblich.
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Umstände, aus denen sich ergibt, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumung gekommen ist, durch eine geschlossene, aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe dargelegt werden müssen [3].
Dem wird im hier entschiedenen Fall nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Begründung der Kläger für ihren Wiedereinsetzungsantrag nicht gerecht. Ihr lässt sich insbesondere nicht entnehmen, ob der Kläger die Akte – nachdem sie ihm zur Bearbeitung vorgelegt worden war – bei sich behalten hat, um sie alsbald zu bearbeiten, oder ob er sie wieder in den Geschäftsgang gegeben hat, möglicherweise mit dem beiläufigen Bemerken oder der ausdrücklichen Weisung, sie ihm rechtzeitig vor Ablauf der Hauptfrist erneut vorzulegen. Dem Umstand, dass dem Kläger die Akte am 21.06.2011, also an dem im Fristenkalender fälschlich eingetragenen Datum der Hauptfrist, erneut vorgelegt worden ist, kann nicht entnommen werden, dass er die Akte zuvor in den Geschäftsgang gegeben und die Weisung erteilt hat, sie ihm am Tag des Ablaufs der Hauptfrist erneut vorzulegen. Ebenso naheliegend ist es, dass der Kläger die Akte bei sich behalten und eine Mitarbeiterin sie am 21. Juni, dem vermeintlichen Tag des Ablaufs der Hauptfrist, herausgesucht hat, um ihn auf den drohenden Fristablauf aufmerksam zu machen. Zumindest in der Fallvariante, in der der Kläger die Akte in seinem Verantwortungsbereich behalten hat, nachdem sie ihm am 14.06.vorgelegt worden war, träfe ihn für die Versäumung der Frist jedenfalls ein eigenes Mitverschulden.
Darauf, dass die Umstände, die zur Fristversäumung geführt haben, vollständig vorgetragen werden müssen, brauchten die Kläger nicht nach § 139 Abs. 1 ZPO hingewiesen zu werden [4]. Im Übrigen hätte die Rechtsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung des § 139 ZPO ausführen müssen, was die Kläger im Einzelnen vorgetragen hätten, wenn ihnen ein entsprechender Hinweis erteilt worden wäre. Denn nur anhand dieses Vortrags hätte der Bundesgerichtshof beurteilen können, ob die Entscheidung auf dem – unterstellten – Verfahrensfehler beruht [5].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Januar 2013 – I ZB 76/11
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.06.2009 – V ZB 191/08, NJW 2009, 3036 Rn. 13 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.10.2011 – VII ZB 18 u.19/10, NJW 2012, 614 Rn. 11 mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 21.02.2002 – IX ZA 10/01, NJW 2002, 2180, 2181; Beschluss vom 03.07.2008 – IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501[↩]
- vgl. BGH NJW 2002, 2180, 2181[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 24.04.2008 I ZB 72/07, GRUR 2008, 1126 Rn. 12 = WRP 2008, 1550 – Weiße Flotte[↩]